: Achtprozentiges Selbstbewusstsein
Die Grünen-Fraktion lobt sich und rechnet mit Rot-Rot ab und schimpft Gysi einen Zampano. Die lange angekündigte Verfassungsklage der Opposition gegen den Landeshaushalt soll noch bis Ende September auf sich warten lassen
Es ist erst ein paar Monate her, da stellte ein wenig glücklich aussehender Fraktionschef Wolfgang Wieland bei einem Parteitermin fest, dass die Grünen vor einer Schicksalswahl stünden. Nicht um die Fortsetzung von Rot-Grün ging es, nein, der Verbleib der Grünen im Bundestag überhaupt war fraglich. Schnee von gestern. Mit den Umfragewerten ist auch das Selbstbewusstsein der Grünen wieder gestiegen. „Acht Prozent plus x“ gab Wielands Chefkollegin Sibyll Klotz nach der Rückkehr aus der Fraktionsklausur in Criewen als Ziel für den 22. September an.
Nach sieben Monaten in der Opposition loben die Grünen ihr eigenes Tun und sehen die Regierungskoalition am Boden. „Rot-Rot steht miserabel da, und das war auch schon vor Gysis Abgang so“, sagte Klotz gestern. Von mehr Beteiligung an den politischen Prozessen könne keine Rede sein. Den Rücktritt von Gregor Gysi als Wirtschaftssenator bezeichnete sie als Wahlbetrug. Dreist nannte es Klotz, dass der vor knapp drei Wochen zurückgetretene frühere Wirtschaftssenator jetzt PDS-Wahlkampf mache und „wieder den großen Zampano spielt“.
Trotz ihrer Kritik sieht Klotz Rot-Rot ohne Alternative. Der CDU gestand sie die Wahl von Christoph Stölzl zum Landeschef zwar als „gelungenen Schachzug“ zu. Auf inhaltliche Angebote der Union warte man jedoch vergeblich. Stattdessen macht die Partei laut Klotz allein mit internen Querelen um Fraktionschef Frank Steffel von sich reden.
Klotz wandte sich gegen den Eindruck, die Grünen würden in der Opposition von der Union vereinnahmt. Dieser Eindruck hatte sich aufgedrängt, als CDU, FDP und Grüne in der Hauhaltsdebatte, bei der Risikoabschirmung und vor allem bei der Wahl von Polizeipräsident Dieter Glietsch eng zusammenarbeiteten. Klotz hielt dem Punkte entgegen, bei denen die Grünen mit dem rot-roten Senat auf einer Linie liegen. Das sei etwa der Fall bei der angestrebten Abwahl von Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge. Diese ist für den 29. August bei der ersten Sitzung des Abgeordnetenhauses nach der Sommerpause vorgesehen. Nur aufgeschoben, nicht aufgehoben ist laut Klotz die schon im Frühjahr angekündigte Klage der Opposition gegen den Haushalt. CDU, FDP und Grüne wollen am Verfassungsgerichtshof feststellen lassen, dass der Haushalt verfassungswidrig ist, weil er deutlich mehr Kredite als Investitionen vorsieht.
CDU-Haushaltsexperte Nicolas Zimmer hatte Mitte Juli angekündigt, die Opposition werde die Klage in der folgenden Woche einreichen. Zimmer sei da voraussgeprescht, sagte Klotz gestern. Eine Verzögerung mochte sie nicht erkennen, obwohl die Klageschrift jetzt erst bis Ende September bei Gericht vorliegen soll. STEFAN ALBERTI
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