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Abwasserstudie bereitet Gemeinplätze auf

Die Bremer Handelskammer ist gegen die Rekommunalisierung von Hansewasser. Sie verspricht faktenbasierte Kritik an den Plänen – doch ihre Studie kann das nicht leisten

Gehört nur zu einem Viertel der Stadt: Bremer Kanaldeckel Foto: Zoonar/imago

Von Lotta Drügemöller

Soll die Abwasserwirtschaft in Bremen wieder ganz in kommunale Hand? Entsprechende Pläne des Senats aus dem Februar machen der Unternehmerlandschaft in Bremen „große Sorge“, man will mitdiskutieren: Vergangene Woche haben die Handelskammer und Unternehmensverbände eine eigene Studie vorgestellt. 45 Seiten hat das Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos in ihrem Auftrag produziert. Kernaussage: Rekommunalisierung ist teuer und riskant; die freie Wirtschaft kann es besser.

Die Abwasserentsorgung ist in Bremen Gegenstand einer jahrzehntealten Diskussion. 1999 wurde das Monopolgeschäft an die Hansewasser-GmbH übertragen; 75 Prozent der Anteile verkaufte die Stadt, 25 Prozent behielt man selbst. Seitdem zeigen sich zwar alle Seiten mit der Leistung bei Hansewasser zufrieden – doch jährlich fließen zwischen zehn und zwölf Millionen Euro Gewinn an die Haupteigentümer, die Gelsenwasser AG und die EWE. Bremen geht dabei leer aus, eine Gewinnbeteiligung hat man trotz des eigenen 25-Prozent-Anteils nicht vereinbart.

Vor allem die Linke kämpft schon lange dafür, die Abwasserwirtschaft wieder in kommunales Eigentum zu überführen. Eine Studie von Econum im Auftrag des Senats hatte im Februar geschlossen: Eine Rekommunalisierung würde sich lohnen, für Ge­büh­ren­zah­le­r*in­nen und für die Stadt. Die Stadt plant seitdem, Hansewasser 2028 ganz zu übernehmen.

Veröffentlicht hat der Senat die Econum-Studie nicht; denn zur Zeit wird noch von den Finanzämtern rechtlich geprüft, ob eine stadteigene Hansewasser tatsächlich von der Mehrwertsteuer befreit wäre – das wäre für die Stadt die Bedingung für den Kauf. Sollten die Finanzämter nicht zustimmen, gäbe es stattdessen eine Neuausschreibung. „Wenn dann schon alle möglichen Zahlen in der Welt sind, ist das Gift für ein Ausschreibungsverfahren“, erklärt die Pressesprecherin des Umweltressorts die Zurückhaltung bei der Veröffentlichung der Studie.

Die Handelskammer verspricht nun, mit ihrem eigenen Gutachten „eine objektive Faktenbasis“. Schließlich erfordere eine so weitreichende Entscheidung „die Kenntnis von Vergleichsrechnungen, Sekundäreffekten und Leistungsindikatoren“, die bisher nicht vorlägen. „Diese Lücke wird mit der Studie der Prognos AG geschlossen“, heißt es in der Presseerklärung.

Halten kann die Studie diese großen Ansprüche nicht. Etwa zwei Drittel des Gutachtens beschränken sich auf eine allgemeine Darstellung möglicher Rechtsformen in öffentlich-privaten Partnerschaften und auf die bekannte Geschichte der Privatisierung von Abwasser und Abfall in Bremen. Ein paar eingeklinkte Fallbeispiele zu Rekommunalisierung in anderen Städten geben teils interessante Einblicke; sie werden aber im Fließtext nicht aufgegriffen. Inwiefern die Erfahrungen von dort auf die Situation in Bremen zu übertragen sind, bleibt unklar.

In der Einleitung werden mit Spiegelstrichen suggestive Fragen formuliert. „Ist eine Gewinnabzielungsabsicht (sic) im Sinne einer wirtschaftlich nachhaltigen Aufgabenwahrnehmung tatsächlich als nachteilig einzustufen?“, wird etwa in den Raum gefragt, und: „Sind nicht gerade Anreize zum wirtschaftlichen Handeln langfristig für eine effiziente Leistungserbringung und niedrige Gebühren notwendig?“

Im Hauptteil des Gutachtens werden diese Fragen wortgleich wiederholt – die Antwort allerdings bleibt aus. Doch das größte handwerkliche Problem: Durch alle Kapitel hinweg werden Abfall- und Abwasserwirtschaft bunt durcheinander gemischt. Oft ist unklar, auf welches der beiden Gebiete sich eine Überlegung bezieht.

In der Einleitung werden mit Spiegelstrichen suggestive Fragen formuliert

Bei den Zahlen geht die Verquickung wei­ter: ­In­ves­ti­ti­ons­kos­ten für eine Übernahme der Abfallentsorgung werden den möglichen Einsparungen durch eine kommunale Abwasser-GmbH gegenübergestellt. Und im eigentlichen kurzen Analyse-Teil soll es nur um die Abfalllogistik gehen – munter zusammengeworfen werden dabei aber die Gewerbesteuereinnahmen aus beiden Bereichen.

Dabei sind beide Wirtschaftsbereiche strikt zu trennen. Sie unterscheiden sich sowohl in der aktuellen Gesellschaftsform, als auch in den Voraussetzungen für eine Rekommunalisierung. „Die Hindernisse im Fall der Abfallwirtschaft sind einfach höher“, erklärt der Linke-Abgeordnete Klaus-Werner Rupp.

Ob diese geringe Trennschärfe in der Analyse den Stu­di­en­au­to­r*in­nen selbst bewusst ist, ist nicht klar; eine Gesprächsbitte der taz kann von Prognos vor Redaktionsschluss nicht mehr beantwortet werden.

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