Abtreibungsverbote in den USA: Säuglingssterblichkeit steigt
Mit der Einführung des texanischen Herzschlaggesetzes stieg dort die Säuglingssterblichkeit. Häufigste Todesursache: angeborene Anomalien.
Das Abtreibungsverbot in Texas gilt als das radikalste Gesetz gegen Schwangerschaftsabbrüche in den USA. Abtreibungen sind verboten, sobald die Herztöne des Fötus festgestellt werden können. Es wird deshalb auch Texas Heartbeat Act, das Herzschlaggesetz, genannt.
Etwa in der sechsten Woche ist der Herzschlag bei einem Fötus erkennbar. Zu diesem Zeitpunkt haben viele Frauen noch gar nicht herausgefunden, dass sie schwanger sind. Selbst bei Vergewaltigungen oder Inzest machen texanische Gerichte keine Ausnahme.
Um sicherzustellen, dass sich alle an das Gesetz halten, werden Privatpersonen sogar dazu ermutigt, Bürger:innen zu verklagen, die bei einem Schwangerschaftsabbruch mitwirken. So muss beispielsweise auch der Taxifahrer mit Konsequenzen rechnen, der eine schwangere Frau zur Klinik fährt.
Die Studie
Seit es das Herzschlaggesetz gibt, hat die Säuglingssterblichkeit in Texas um fast 13 Prozent zugenommen. Im Rest des Landes stieg sie im gleichen Zeitraum um weniger als 2 Prozent an. Das geht aus einer Studie hervor, die im Juni 2024 im Fachblatt JAMA Pediatrics veröffentlicht wurde.
Die Forscher:innen untersuchten Todesfälle von Säuglingen von März bis Dezember 2022. Ihre Mütter waren die ersten, die vom Abtreibungsverbot betroffen waren, das am 1. September 2021 in Kraft getreten war.
Du liest einen Text aus unserem Zukunfts-Ressort. Wenn Du Lust auf mehr positive Perspektiven hast, abonniere TEAM ZUKUNFT, den konstruktiven Newsletter zu Klima, Wissen, Utopien. Jeden Donnerstag bekommst du von uns eine Mail mit starken Gedanken für dich und den Planeten.
Den Ergebnissen zufolge starben im Jahr 2022 in Texas insgesamt 2.240 Säuglinge unter einem Jahr, mehr als die Hälfte davon vor dem 28. Tag ihres Lebens. Im Jahr 2021 waren es noch 1.985 Todesfälle gewesen.
Die häufigste Todesursache waren angeborene Anomalien. In Texas nahmen sie bei Kindern zwischen 2021 und 2022 um 22,9 Prozent zu, während sie im Rest des Landes um 2,9 Prozent zurückgingen. Das deute laut Expert:innen darauf hin, dass einige Mütter dazu gezwungen waren, eine Schwangerschaft bis zum Ende auszutragen, obwohl sie wussten, dass ihre Babys nur geringe oder keine Überlebenschancen haben würden.
Was bringt’s?
Mit seiner Entscheidung, die Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch den Bundesstaaten zu überlassen, hat das Oberste Gericht der USA das zuvor im gesamten Land bestehende Recht auf Abtreibung aufgehoben.
Die Studie zeigt die enormen Auswirkungen, die diese Entscheidung mit sich bringt. Eine restriktive Abtreibungspolitik, wie sie in Texas und weiteren US-Bundesstaaten gilt, sorgt in erster Linie für geringere Überlebenschancen von Säuglingen und Traumata bei den betroffenen Familien. Auch die erheblichen medizinischen Kosten, die sich aus dem Anstieg der Säuglingssterblichkeit ergeben, sind nicht zu unterschätzen.
Nun bleibt zu hoffen, dass solche alarmierenden Ergebnisse Entscheidungsträger:innen und Unterstützer:innen des Gesetzes zum Umdenken anregen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen