Abtreibungsverbot in Chile: Lockerung erneut gescheitert
Vorläufig bleibt die Abtreibung in Chile verboten – wegen einer Stimmenthaltung im Kongress. Das Gesetz stammt noch aus der Zeit der Diktatur.
![Demonstranten im Abgeordnetenhaus in Valparaiso, Chile, halten Plakate mit der Aufschrift "Nein zu Abtreibung" in die Höhe Demonstranten im Abgeordnetenhaus in Valparaiso, Chile, halten Plakate mit der Aufschrift "Nein zu Abtreibung" in die Höhe](https://taz.de/picture/2153149/14/AbtreibungChile23072017_rtr.jpeg)
Chile ist eines der letzten Länder, in denen Abtreibungen unter keinen Umständen erlaubt sind. Ein Gesetzesartikel, der seit 1931 Ausnahmen zuließ, wurde noch 1989 in den letzten Monaten der Pinochet-Diktatur abgeschafft. Seither werden Schwangerschaftsabbrüche mit Gefängnisstrafen geahndet. Nach allgemeinen Schätzungen werden dennoch jährlich rund 70.000 unerlaubte Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Ebenso strikt ist das Abtreibungsverbot nur noch in Nicaragua, El Salvador, Honduras, Haiti, Malta und der Dominikanischen Republik.
Chiles sozialistische Präsidentin Michelle Bachelet hatte eine öffentliche Diskussion über ein Aufweichen des Verbots angestoßen. 2015 brachte die Regierung eine Gesetzesvorlage im Kongress ein, die Abtreibungen in mehreren Fällen für zulässig erklärte: bei Gefahr für das Leben der Mutter, wenn der Fötus keine Überlebenschance hat und bei einer Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung.
Mehrfach stimmten inzwischen Senat und Abgeordnetenhaus mit den Mehrheiten der Regierungskoalition aus ChristdemokratInnen, SozialistInnen, SozialdemokratInnen und KommunistInnen zu. Kleine Änderungen des Textes verlangten jedoch, dass die Gesetzesvorlage erneut in die Ausschüsse gehen und Senat oder Abgeordnetenkammer abermals zur Abstimmung vorgelegt werden musste.
Überraschender Erfolg
Nachdem am vergangenen Mittwoch der Senat erneut zustimmte, schien die Mehrheit im Abgeordnetenhaus diesmal tatsächlich eine reine Formsache zu sein. So billigten die Abgeordneten am Tag darauf in Einzelabstimmungen die drei Ausnahmen mit einfacher Mehrheit. Bei der Änderung der Regelung für Minderjährige unter 14 Jahren war jedoch mehr als die einfache Mehrheit erforderlich. Deren Zustandekommen scheiterte letztlich einzig und allein an der Enthaltung des christdemokratischen Abgeordneten Marcelo Chávez. Dies bedeutet, dass die gesamte Gesetzesvorlage wieder in den Vermittlungsausschuss muss.
Bereits vor ihrem überraschenden Erfolg hatte die rechte Opposition eine Klage beim Verfassungsgericht angekündigt. Dort geht am 29. August der Vorsitz an Iván Aróstica über, der von Bachelets konservativem Amtsvorgänger Sebastián Piñera zum Obersten Richter ernannt worden war. Auf Aróstica ruhen jetzt die Hoffnungen der GegnerInnen des neuen Abtreibungsgesetzes. Als Vorsitzender der Obersten Richter könnte er eine Entscheidung mindestens bis zur Präsidentschaftswahl im November dieses Jahres hinausschieben. Der derzeit aussichtsreichste Kandidat ist Sebastián Piñera.
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