Abstiegskampf 2.Liga: Der fluchende Holländer
Der FC St. Pauli kommt mit einem 2:1-Sieg gegen Aue dem Klassenerhalt nahe. Doch Leistung und Kader lassen sorgenvoll in die Zukunft blicken.
Jost Luhukay, der niederländische Coach des FC St. Pauli steht nicht unter diesem Verdacht. Dafür fehlt ihm der Erfolg. Mit Ambitionen nach oben gestartet krebst das Hamburger Team seit Monaten in der Abstiegszone herum. Aber seit Sonntag ist der Abstieg der Hamburger aus der Zweiten Fußball-Bundesliga in die Dritte Liga nicht mehr sehr wahrscheinlich. Mit einem schmeichelhaften 2:1-Sieg gegen Aue gehen die Hamburger drei Spieltage vor Saisonende in Fünf-Punkte-Distanz zum vom 1. FC Nürnberg besetzten Relegationsplatz und haben damit den Klassenerhalt schon fast in der Tasche.
Damit ist Luhukay beim FC St. Pauli weder erfolgreich noch ein krasser Fehlgriff. Und da die Hamburger im kostspieligen Trainer-Wechsel-Spiel sehr aktiv mitgespielt haben, ohne dass sich der sportliche Erfolg eingestellt hat, ist Luhukay im Moment erstaunlich sakrosankt, droht nicht so schnell zum fliegenden Holländer zu werden. Und bleibt unantastbar, solange das Team so glückliche Siege erzielt, wie am Sonntag.
36 Spieler hat Luhukay in dieser Saison schon eingesetzt – mehr als jeder andere Trainer im europäischen Bezahl-Fußball. Die Folgen der Dauerrotation bilden sich auf dem Platz und hinter den Kulissen ab. Spieler – auch aus der zweiten Mannschaft – kamen und verschwanden oft schnell wieder in der Versenkung, frühere Leistungsträger wurden von Luhukay oft nur sporadisch eingesetzt, öffentlich harsch kritisiert oder gar in die zweite Mannschaft verbannt. Die Folge: Auch am 31. Spieltag wirkt das Spiel nicht wie aus einem Guss, viele Akteure wirken verunsichert. Denn Luhukays Aufstellungen sind immer auch ein wenig Wundertüte.
Verfechter einer robusten Tonart
Zudem ist der Niederländer kein Meister des pädagogischen Lobs, sondern eher ein Verfechter einer robusten Tonart. Eine Kostprobe davon erhielten die wenigen Zuschauer des Geisterspiels gegen Aue, als Luhukay nach Abpfiff der ersten Halbzeit auf seinen Landsmann Henk Veerman in Rumpelstilzchen-Manier zueilte, und ihn mehrere Minuten lang vor versammelter Mannschaft anbrüllte. Der Grund: Luhukay missfiel es ungemein, dass der schlaksige Mittelstürmer seinen Kollegen Dimitrios Diamantakos kurz zuvor hatte einen fälligen Elfmeter schießen und verschießen lassen, anstatt selber anzutreten.
Dabei lag der FC St. Pauli zu diesem Zeitpunkt bereits mit 2:0 in Front, nachdem Diamantakos (22.) und Veermann (41.) zwei der wenigen Hamburger Chancen eiskalt genutzt hatten, während die bis zum Führungstreffer überlegenen Auer auch beste Möglichkeiten verballerten. Der Komplett-Ausraster des Trainers wäre mit dieser beruhigenden Führung im Rücken kaum nötig gewesen.
Wie verunsichert die von Luhukay immer wieder neu zusammengewürfelte Mannschaft ist, zeigte sie vor allem am Anfang des Spiels, als sie jeden Zweikampf verlor und jeden Pass in des Gegners Füße spielte. Zum Glück entpuppten sich auch die Gegner als Sensibelchen. Nach dem unverdienten Rückstand verlor Aue komplett den roten Faden, agierte mutlos und kam erst Mitte der zweiten Halbzeit wieder ins Spiel zurück, als St. Paulis Abwehr ihre Gegenspieler mit einem Abstandsgebot bedachten. Doch nur der Ex-Pauli-Spieler Sören Gonther konnte nach einer Ecke daraus Profit ziehen und per Kopf zum 2:1 verkürzen.
So dürfte sich der Hamburger Zweitligist gerade noch über die Ziellinie und in eine ungewisse Zukunft schleppen. Da bislang kaum auslaufende Spielerverträge verlängert wurden und diverse Leihspieler zu ihren Stammclubs zurückkehren, hat das Team für die neue Saison noch kaum Konturen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!