Absetzung von Dilma Rousseff: Ein Ende ohne Würde
Mit dem Vollzug der Amtsenthebung der Präsidentin geht die PT-Ära zu Ende. Der parteipolitische Streit über die Umstände dauert an.
Die gegensätzlichen Positionen wurden in den letzten Stellungnahmen von Gegnern und Befürwortern der Amtsenthebung deutlich. PT-Senator Lindbergh Farias bezeichnete das Verfahren als „politisch motivierte Farce“. Die Geschichte werde diese Senatsentscheidung revidieren. Senator Ronaldo Caiado wiederum verteidigte Rousseff Amtsenthebung als gerecht, weil sie „die Haushaltsregeln aus populistischen Gründen verletzt“ habe.
In mehreren Städten kam es am Mittwoch zu Demonstrationen gegen die Amtsenthebung und gegen Übergangspräsident Temer. Zu Wochenbeginn war es in der Metropole São Paulo zu Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und der Polizei gekommen. Brennende Barrikaden und Straßenblockaden verursachten ein Verkehrschaos.
Es ist die große Stunde von Michel Temer. Nach fünf Jahren Vizepräsident und gut drei Monaten Übergangspräsident regiert der 75-jährige nun des größte Land Lateinamerikas bis zum Ende der Wahlperiode im Dezember 2018. Weder Charisma noch Redegewandtheit zeichnen ihn aus, er ist ähnlich unbeliebt wie seine Vorgängerin. Doch er ist ein begnadeter Strippenzieher und kennt sich im Geben und Nehmen des Politikbetriebs bestens aus. Seit 1994 war seine Partei PMDB an allen Regierungen Brasiliens beteiligt, völlig unabhängig von der jeweiligen politischen Ausrichtung. Unter Rousseff trug er eine halblinke, sozial ausgerichtete Politik mit, jetzt kommandiert er einen Rechtsruck mit neoliberalem Sparprogramm und Privatisierungen.
Nicht mit rechten Dingen
Temer hatte im Senat sehr auf Eile gedrängt, um noch diese Woche als legitimer Präsident zum G20-Gipfel nach China zu reisen. Es soll sein erster wichtiger Auftritt werden. Auf internationaler Bühne muss er allerdings gegen den Anschein ankämpfen, dass bei seiner Machtübernahme nicht alles mit rechten Dingen zuging. Rousseff bezeichnet ihn als „Verräter und Usurpator“, das Verfahren ist für sie ein „Staatsstreich“. Ihre Widersacher beharren hingegen darauf, dass alles verfassungskonform gelaufen sei. Ausgangspunkt der Fehde war, dass die PMDB und weitere Koalitionspartner Ende April zur konservativen Opposition überliefen und so den Sturz von Rousseff per Amtsenthebung betreiben konnten.
Dass Rousseff im Zuge einer heftigen Wirtschaftskrise und aufsehenerregender Korruptionsermittlungen ihre Unterstützung verlor, ist unbestritten. Doch für ein Amtsenthebungsverfahren ist der Nachweis eines Verbrechens im Regierungsamt notwendig. Rousseff, ihre Arbeiterpartei und Unterstützer als sozialen Bewegungen halten die ihr vorgehaltenen illegalen Haushaltstricks für einen Vorwand. Für sie hat der Machtwechsel zwei Gründe: Zum einen soll die politische Klasse vor eben jenen Korruptionsermittlungen geschützt werden, die von vielen Beteiligten lange Zeit nur deswegen vorangetrieben oder unterstützt wurden, um die PT und ihre Regierung in die Enge zu treiben.
Dass Temers Übergangsregierung wegen Bestechungsvorwürfen bereits drei Minister verlor, zeigt, wie gefährlich ihnen die Ermittlungen geworden sind, die Rousseff gewähren ließ und die nun möglicherweise im Sande verlaufen werden. Andererseits geht es um die Revidierung des Wahlergebnisses von 2014. Die brasilianische Elite, also Unternehmer, Medien und rechte Parteien, wollten nach zwölf Jahren erfolgreicher PT-Regierung unbedingt den Machtwechsel.
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