Abschluss der COP25: Eine Klimakonferenz zum Davonlaufen
Die USA, Saudi-Arabien, Australien und Brasilien verhindern auf der COP25 in Madrid jeden Fortschritt. Die wichtigste Frage wird vertagt.
Das allerdings heißt nicht viel. Denn bei der COP vor einem Jahr konnten sich die UN-Staaten nicht einigen, wie sie den globalen Handel mit CO2-Emissionen in Zukunft einheitlich regeln wollen. Das schaffen sie zwar auch in Madrid nicht: 41 Stunden nach dem ursprünglich geplanten Ende der Konferenz ringen sich die Delegierten von knapp 200 Staaten nur dazu durch, das ungelöste Thema ins nächste Jahr zu schieben. Aber nun, sagen die Experten, können sie mit Texten arbeiten, von denen manche sogar ganz vernünftig sind. Irgendwie ein Fortschritt. In Millimetern.
Michaelowa ist Professor für internationale Klimapolitik an der Universität Zürich und seit 20 Jahren Experte für CO2-Märkte. Am Revers seines blauen Anzugs trägt er einen orangefarbenen Sticker: „All I want for Christmas is Article 6“, wie die Kohlenstoffmärkte im UN-Jargon heißen. Dieses Geschenk hat ihm die COP nicht gemacht, obwohl das eigentlich das erklärte Ziel war. Es sollten Regeln gesetzt werden, wie Staaten und Unternehmen, die zu viel CO2 ausstoßen, von anderen Ländern solche Zertifikate kaufen können. Im Idealfall beschleunigt das den Klimaschutz, bringt Geld und Technik in arme Länder und verschafft den Reichen Zeit, um klimaneutral zu werden. Wenn es schiefläuft, kaufen sich die Industrieländer über die Kohlenstoffmärkte von ihren Verpflichtungen frei. Um das zu verhindern, sollten „robuste Regeln“ her, forderte die „High Ambition Coalition“ aus kleinen, armen Ländern wie Bhutan und Costa Rica zusammen mit der EU und der Schweiz. „Lieber hier keine Regeln zu Artikel 6 beschließen als schlechte“, war die Marschlinie.
Der „Grüne Deal“ der Europäer kommt viel zu spät
So kommt es dann auch. Die wichtigste Frage der COP wird vertagt. Zu groß ist das Bedürfnis von Brasilien, sich Emissionen doppelt anzurechnen, zu sehr drängen die USA, China und Australien darauf, mit alten CO2-Zertifikaten das neue System zu verwässern. Die EU, deren neuer Klimakommissar Frans Timmermans erklärte, es gebe „keine Chance, wirklich keine Chance“, dass Europa Schlupflöcher akzeptiere, knickt nicht ein. Mehr aber auch nicht. Der „Grüne Deal“ der Europäer kommt am Ende der Konferenz zu spät, um Schwung zu geben.
Deshalb sind die Ergebnisse von Madrid sehr bescheiden (siehe Spalte, links). Für „Schäden und Verluste“, die die armen Länder im Klimawandel erleiden, soll es möglicherweise ein bisschen mehr Geld geben, ebenso wie für den UN-Fonds zur Anpassung an den Klimawandel; eine zweijährige Untersuchung soll zeigen, wie die Industrieländer ihre Klimaschutzziele und ihre Finanzversprechen verfehlen; die Staaten fordern sich selbst dazu auf, 2020 ihre Klimapläne zu verschärfen – was sie ohnehin im Pariser Abkommen zugesagt haben. Es soll weiter geredet werden über Ozeane, Landnutzung und Geschlechterfragen.
Das alles fand auf eine Konferenz statt, die für ihr Chaos in Erinnerung bleibt: Eigentlich sollte sie in Brasilien stattfinden, wurde vor einem Jahr nach Chile und dann vor eineinhalb Monaten nach Madrid verlegt. Spanien organisierte die Konferenz exzellent, die chilenische Präsidentschaft war teilweise überfordert. Carolina Schmidt setzte Verhandlungsgruppen ein, die nicht alle Länder vertraten, ein böser Fehler. Sie präsentierte am Freitagmorgen einen Abschlusstext, der bei vielen Delegierten Entsetzen auslöste – ein echter Killer. Und sie überzog die Zeit um fast zwei Tage, was vor allem arme Staaten mit kleinen Delegationen benachteiligt, die früh abreisen mussten. „Die großen Verschmutzerländer machen das mit Absicht“, schimpfte Saleemul Huq vom ICCCAD-Thinktank in Bangladesch, „wenn entschieden wird, sind die Armen nicht mehr am Tisch.“
So viel Druck von außen wie selten
So sieht es dann am Sonntagmorgen im Plenum auch aus: Die Bänke der Delegationen haben große Lücken. Würde jemand beantragen, die Beschlussfähigkeit festzustellen, wäre die Konferenz wahrscheinlich schnell zu Ende. Carolina Schmidt ist so übermüdet, dass sie mehrfach „Century“ statt „Session“ sagt. Und dann fällt auch noch die Webseite des Klimasekretariats aus. Delegierte schimpfen im Plenum, weil sie nicht wissen, über welche Texte sie gerade abgestimmt haben.
Auf die COP in Madrid wirkte so viel Druck von außen wie selten: die Wissenschaft warnt, die Wälder brennen, das Eis schmilzt. Hunderttausende von jungen DemonstrantInnen zeigten ihre Ungeduld, auch auf der COP wurden Greta Thunberg und ihre MitstreiterInnen beklatscht und letztlich ignoriert. Viel größer war der Einfluss der Kohlenstoff-Supermächte: Die USA, Saudi-Arabien, Australien und, jetzt neu, Brasilien, bremsten jeden Fortschritt. Unter den UN-Staaten fehlte auf der COP ein Klima-Champion, der andere mitzieht.
Die Reaktionen von Umweltverbänden waren entsprechend. „Die Konferenz ist ein gruseliger Fehlstart in das für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens so entscheidende Jahr 2020“, schrieb der WWF. Die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer fragte auf Twitter: „Wie viele Millionen Menschen müssen auf die Straßen, bevor ihr endlich handelt?“ Jennifer Morgan, Chefin von Greenpeace International, nannte das Ergebnis der Konferenz „völlig inakzeptabel“. Die Regierungen müssten sich völlig neu aufstellen.
Viel Hoffnung ruht auf dem nächsten Gastgeber
Rixa Schwarz, Co-Teamleiterin für internationale Klimapolitik bei Germanwatch, zeigte sich im taz-Interview erleichtert, dass es keine falschen Kompromisse gegeben habe. Zwar seien wichtige Entscheidungen vertagt, allen voran der internationale Handel mit Klimaschutz-Gutschriften, sagte sie: „Aber darüber sind wir sogar froh. Weil es viel zu viele Schlupflöcher im Verhandlungstext gab“, ergänzt sie. Schwarz hob hervor, wie entscheidend die Rolle der EU nun sei. Es sei wichtig, dass sich die EU-Staaten an ihren Zeitplan hielten und bis Sommer nächsten Jahres ihre Klimaschutzpläne bis 2030 konkretisierten. „Dann kann die EU ein Zugpferd für andere große Länder werden, insbesondere für China und Indien“, so Schwarz.
Viel Hoffnung ruht bei den Klimadiplomaten, die Berufsoptimisten sind, auf dem nächsten Gastgeber: Großbritannien, seit Langem Vorreiter beim Klimaschutz und mit starkem Interesse an Kohlenstoffmärkten, könne die COP 2020 in Glasgow zu einem deutlich kleineren Misserfolg machen, hieß es auf den Fluren.
Auch Axel Michaelowa gibt die Hoffnung nicht auf. Er musste noch vor Ende der Konferenz zum Flughafen: Sechs Stunden bis Saudi-Arabien, um dort über CO2-Märkte zu referieren. Den Sticker mit „Artikel 6“ als Weihnachtsgeschenk, sagt er, „den werde ich nächstes Jahr recyceln“.
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