Germanwatch zu Klimagipfel-Ergebnissen: „Der Kampf ist groß“
Der Weltklimagipfel hat Wichtiges vertagt. Besser so, sagt Rixa Schwarz von Germanwatch. Sonst wäre das Pariser Abkommen wirklich gefährdet gewesen.
taz: Frau Schwarz, Sie kommen gerade aus dem Verhandlungssaal auf der Weltklimakonferenz in Madrid, es gibt ein Ergebnis. Wie ist die Stimmung da drin? Erleichterung? Depressionen?
Rixa Schwarz: Sehr gemischt. Über Finanzierung stritt man sich bis zuletzt. Wichtige Entscheidungen sind vertagt, allen voran der internationale Handel mit Klimaschutz-Gutschriften. Aber darüber sind wir sogar froh. Weil es viel zu viele Schlupflöcher im Verhandlungstext gab. Sie hätten die Umweltintegrität des Pariser Klimaabkommens gefährdet.
Greenpeace sah „einen Angriff auf das Herz des Pariser Klimaschutzabkommens“ von 2015. Sie sehen das positiver?
Ja, ich sehe das positiver. Wären die Schlupflöcher verabschiedet worden, wäre es wirklich ein Angriff auf das Pariser Klimaschutzabkommen gewesen. Ein anderes großes Thema war die Frage, wie die einzelnen Staaten ihre Klimaschutzziele verschärfen. Momentan reichen die bei weitem nicht aus. Der Auftrag, dass Länder nachbessern, hat nach wie vor Bestand. Allerdings fehlt ein Passus, der eine öffentliche Beteiligung dabei sicherstellt. Außerdem gab es einen weiteren Fortschritt: Die Industriestaaten akzeptieren erstmals prinzipiell die Idee, im Rahmen des Grünen Klimafonds für Schäden durch den Klimawandel Geld auf den Tisch legen. Da haben sie bisher komplett blockiert.
Aber konkrete Finanzzusagen gab es keine?
Nein, es gibt keinen Betrag, auch noch keinen Prozess, aber die Bereitschaft, darüber nachzudenken. Auch von Seiten der EU. Der Fortschritt klingt zwar minimal, könnte aber ein Türöffner sein, dass künftig reiche Länder nicht nur für die Anpassung an den Klimawandel, sondern auch für Schäden zahlen. Noch muss dazu aber viel verhandelt werden.
Was genau steht denn im Abschlusstext dazu drin, dass Staaten bis 2020 bessere Klimaschutzpläne vorlegen sollen?
Es gibt einen klaren Bezug darauf, dass es eine Lücke in den Klimaschutzplänen gibt und deshalb in 2020 nachgebessert werden muss. Es gibt auch einen klaren Bezug auf die Erkenntnisse der Wissenschaft. Was fehlt, ist eine klare Deadline, bis wann die Staaten ihre neuen Pläne einreichen sollen. Da müssen wir als Zivilgesellschaften großen Druck machen, damit das rechtzeitig vor der nächsten Klimakonferenz in Schottland auch passiert.
Die EU hat gerade ohnehin ihre Klimaschutzziele bis 2030 erhöht, aus den USA, Brasilien und Australien wird ohnehin nichts kommen. Macht das einen großen Unterschied, diese Deadline?
Ja, das macht schon einen Unterschied. Eine Deadline hilft allen zur Orientierung. Die jüngsten Ankündigungen der EU sind extrem wichtig; der European Green Deal hilft sehr, auch das Ziel der EU, bis 2050 klimaneutral zu sein. Aber es ist auch wichtig, dass sich die EU-Staaten an ihren Zeitplan halten und bis Sommer nächsten Jahres ihre Klimaschutzpläne konkretisieren. Dann kann die EU ein Zugpferd für andere große Länder werden, insbesondere für China und Indien. Bei beiden ist eine Verbesserung der nationalen Klimapläne durchaus drin.
International bremsen die USA, Australien oder Brasilien im Klimaschutz, die EU prescht vor. Wo stehen die anderen?
ist Co-Teamleiterin für internationale Klimapolitik bei Germanwatch. Seit 2006 verfolgt sie die UN-Klimaverhandlungen und war auch in Madrid vor Ort.
Da gibt es eine klare Spaltung zwischen denen, die sehr von fossilen Industrien geprägt sind, und den anderen. Doch die große Masse der Länder steht hinter dem Pariser Klimaschutzabkommen. Zumal viele merken, dass es jetzt eine echte Transformation braucht. Es reicht nicht mehr, ein wenig mehr erneuerbare Energien ins Netz einzuspeisen. Wir müssen an die Substanz ran, an den Verkehr und die Landwirtschaft. Das tut zum Teil weh und bedarf einer wirklichen Anstrengung. Deshalb ist der Kampf so groß.
Und das haben China und Indien kapiert?
Man sieht zweierlei Trends. Erneuerbare Energien werden in beiden Ländern erheblich ausgebaut, gleichzeitig investieren sie in Kohle. Beide Länder sind einer Trendwende nah. In den Klimaverhandlungen geben sie jedoch ein anderes Bild ab. Da wollen sie nicht zu viel versprechen, um später nicht zu sehr daran gemessen zu werden. Was auf der Konferenz jetzt in den Verhandlungspositionen Chinas und Indiens dominierte, war der Ärger darüber, dass die Industrieländer ihre Verpflichtungen aus dem Kioto-Protokoll von 1997 nicht eingehalten haben. Jetzt haben Entwicklungsländer Angst, dass sie ausbügeln müssen, was die Industriestaaten verfehlt haben. Dabei geht es um Gerechtigkeitsfragen.
Was sagt man denn jetzt den Jugendlichen, die seit einem Jahr demonstrieren? War das alles für die Katz?
Die Beschlusstexte benennen die Klimakrise. Wir sehen die Wetterereignisse, die sich verschärfen, die Wissenschaft warnt immer stärker und es liegt in der Natur der Verhandlungen, sich an kleinen technischen Dingen abzuarbeiten.
Das muss aber vielleicht auch sein?
Ja, denn der Teufel liegt oft im Detail, eben um zum Beispiel keine Schlupflöcher im Emissionshandel zu bekommen. Was es zusätzlich schwer macht, ist, dass Klimaentscheidungen immer einstimmig getroffen werden müssen. UN-Klimaverhandlungen können deshalb in der Krise, die wir haben, nicht die großen Visionen bringen. Der Prozess muss von außen gestützt werden.
Gab es einen Thunberg-Effekt auf der Konferenz?
Ja, auf jeden Fall. Die Aufmerksamkeit, die Greta hier bekommen hat, war wirklich enorm. Sie hat ihre Rede gut eingesetzt: Thunberg wollte auf der COP25 in Madrid keine Schlagworte liefern, sondern über wissenschaftliche Fakten reden. Ihre Rede war inhaltlich, ist sehr stark angekommen und wurde nicht auf ein „How dare you“, wie im September bei den UN, reduziert. Außerdem waren sehr viele Jugendliche in der Konferenzen vertreten.
Und die hatten auch was zu sagen?
Die Jugend hat sehr viel zu sagen. Oft wusste man jedoch gar nicht, wie man sie einbinden soll. Vielleicht sollte man sie einfach mal zu Wort kommen lassen.
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