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Abschied von Fußballikone Megan RapinoeGruß von kleiner Frau

Die WM wird für die charismatische US-Fußballerin Megan Rapinoe zur Abschiedstournee. Politisch war sie schon früh, wahrgenommen wurde es erst spät.

Durchaus erfolgreich: Bei der WM 2019 wurde Rapinoe als beste Spielerin und Torschützin geehrt Foto: Sebastian Gollnow/dpa

W enn sie ein Tor erzielt hat, gehört Megan Rapinoe der gesamte Platz. Dann breitet die Fußballerin ihre Arme aus, lacht aus vollem Herzen, und ihre Präsenz ist von niemandem zu übersehen. Jenseits der Stadien ist die US-Nationalspielerin, die nach der nun anstehenden Weltmeisterschaft und der Saison der National Women’s Soccer League mit 38 Jahren aufhören will, wie sie nun angekündigt hat, eine selbstkritische Person.

In ihrer Autobiografie nennt sich Rapinoe eine „kleine, weiße Frau, die Fußball spielt“, und fügt noch hinzu, dass sie „laut und lesbisch ist und sich die Haare pink färbt“. Das ist der Beginn einer Reflexion, warum sie, die schon seit ihren Jahren im Collegefußball politisch engagiert ist, so lange ohne jede politische Reaktion auskommen musste.

Diese „kleine, weiße Frau“, schreibt sie, die werde in den Medien anders wahrgenommen „als beispielsweise ein fast zwei Meter großer, schwarzer Football-Spieler mit Afrofrisur“. Als einer wie Colin Kaepernick eben, der NFL-Profi, der als erster prominenter US-Sportler während der US-Hymne niederkniete, um gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren. Diese eine Geste 2016 genügte, um seine Sportkarriere zu zertrümmern. Wenige Wochen später, am 4. September 2016, trat Rapinoe zu einem Ligaspiel in Chicago an. Als die Hymne lief, kniete sie. Einem Reporter sagte sie später: „Das war ein kleiner Gruß an Kaepernick und seinen Kampf.“

Triggerthema Rassismus

Rapinoe hatte sich schon immer politisch engagiert. Umweltschutz und Frauenrechte waren ihre Themen, später die Rechte der LGBT-Community. Als sie sich 2012 als lesbisch outete, war sie schon Vizeweltmeisterin 2011 und Olympiasiegerin 2012, aber auch da passierte nichts. „Meine Sponsoren kündigten ihre Verträge nicht. Ich bekam keinen wutentbrannten Anruf von Nike. Soweit ich sehen konnte, gab es nicht die kleinste negative Reaktion.“ Auch Rapinoes Engagement gegen das Gender Pay Gap, den sie 2015 gemeinsam mit den anderen Nationalspielerinnen aufnahm, brachte ihr eher Verständnis als Hass ein.

Was aber nach ihrem „kleinen Gruß an Kaepernick“ 2016 über sie hereinbrach, war neu. „Nun wurden mir Gewalt oder gar der Tod angedroht, und das in einer entsetzlichen Sprache.“ Statt sich mit seiner bedrohten Spielerin solidarisch zu zeigen, befahl der Fußballverband seinen Nationalspielerinnen, bei der Hymne künftig zu stehen. Rapinoe wurde zunächst nicht mehr im Nationalteam eingesetzt. „Meine Karriere als internationale Fußballerin lag in Scherben“, schreibt sie, doch genau das habe sie elektrisiert. „Mein ganzes Leben lang war ich auf diesen einen Punkt zugesteuert.“

Rapinoe erfuhr, dass das Thema Rassismus die Sportöffentlichkeit triggerte wie sonst kaum etwas. Rapinoe fand es skandalös, dass der Kampf gegen Diskriminierung der jeweils unterdrückten Gruppe überlassen wurde. Da wollte sie sich als weiße Weltklassespielerin einbringen. 2017 kehrte sie ins US-Nationalteam zurück, und 2019 spielte sie in Frankreich ihre dritte WM. Zwei Tage nachdem der damalige US-Präsident Donald Trump sie persönlich auf Twitter beleidigt hatte, erzielte sie im Viertelfinale gegen Frankreich zwei Tore. Später holten sie und ihre Kolleginnen den Titel.

Ihren Mund machte sie danach weiterhin auf, bei der Ehrung als Weltfußballerin des Jahres oder bei einer Fifa-Gala etwa. Nur: Mittlerweile fand – und findet – Megan Rapinoe Gehör. Wenn wir Glück haben, hat Megan Rapinoe so viel vorgearbeitet, dass sie auch in den kommenden Jahrzehnten noch Gehör finden wird. Ihr gehört doch der Platz.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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