Abschiebungen von Asylbewerbern: Fachkräftemangel – made by Union
Ist es sinnvoll, gut integrierte Asylbewerber abzuschieben? Nein, findet der CDUler Daniel Günther – und stößt damit eine Debatte an.

Inzwischen seien die Menschen voll integriert, schreibt Geschäftsführerin Antje von Dewitz in einer Pressemitteilung. Eine Erfolgsstory, eigentlich. Doch nun droht sieben von ihnen die Abschiebung. Von Dewitz hat dafür kein Verständnis. „Das wäre für uns ein hoher wirtschaftlicher Schaden, ganz zu schweigen von der menschlichen Katastrophe.“
Solche Fälle kommen immer wieder vor. Deutsche Behörden schieben gut integrierte AsylbewerberInnen nach Jahren ab, weil ihr Asylgesuch abgelehnt wurde. Die Union sperrt sich bisher gegen ein Gesetz, das einen Spurwechsel ermöglicht, also einen Zugang für abgelehnte AsylbewerberInnen in den deutschen Arbeitsmarkt. Doch seitdem sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) für einen solchen Zugang ausgesprochen hat, kommt Bewegung in die Debatte.
Die SPD zeigte sich erfreut über Günthers Vorstoß. „In den Koalitionsverhandlungen hat die Union den Spurwechsel abgelehnt, es ist gern gesehen, wenn sie da zur Vernunft kommen sollte“, sagte SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel am Mittwoch der taz. Die Union verweigere seit Jahrzehnten eine Haltung in Migrationsfragen. „Weil Einwanderung für die Union ein Tabuthema ist, haben sie zentrale Fragen nie für sich geklärt.“
Kauder will keinen Spurwechsel
Man müsse legale, transparente und kontrollierte Wege abseits des Asylsystems öffnen, betonte Schäfer-Gümbel. „Der Spurwechsel ist ein Weg zum Beispiel für Menschen, die sich gut integriert haben, deren Asylantrag aber scheitert, hier eine Perspektive zu bekommen.“ Ähnlich äußerten sich SPD-Fraktionsvize Eva Högl und der Innenpolitiker Burkhard Lischka.
Auch aus der Opposition kam Zustimmung. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer schrieb auf Twitter, gut integrierte und straffrei gebliebene Asylbewerber, Flüchtlinge und Geduldete müssten in Deutschland bleiben dürfen, wenn sie ihren Lebensunterhalt verdienten und ausreichend Deutsch sprächen. Linken-Fraktionsvize Jan Korte sagte, der Vorstoß von Günther sei „zur Abwechslung mal ein positives Zeichen aus den Reihen der Union“, auch wenn die Motive wohl vor allem wirtschaftlicher Art seien.
Unternehmerin Antje von Dewitz
„Es ist unsinnig, gut integrierte Menschen abzuschieben und gleichzeitig über den Fachkräftemangel zu schimpfen.“ Die Grünen sind ebenfalls für den Spurwechsel. Doch es ist offen, ob es zu einer Reform kommt. In der Union stieß Günthers Vorstoß auf wenig Gegenliebe. Er halte wenig davon, „den sogenannten Spurwechsel stärker zu erlauben“, sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder der Passauer Neuen Presse.
Werde die Möglichkeit ausgeweitet, dann „wäre das ein Anreiz für die Migration einzig aus wirtschaftlichen Gründen“, sagte Kauder. Der CDU-Innenpolitiker Mathias Middelberg sagte der Welt, ein Spurwechsel vom Asyl- in das Einwanderungsverfahren „würde falsche Anreize setzen und noch mehr Asylbewerber anlocken, die dann auf solche Wechseloptionen setzen“.
Im Koalitionsvertrag ist zwar von einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Rede – eine Regelung für den Spurwechsel fehlt aber. Vaude-Geschäftsführerin von Dewitz wandte sich schon im September 2017 in einem offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel, um für ihr Anliegen zu werben. Eine Antwort steht bis heute aus.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin