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Abschiebungen nach AfghanistanFahrlässige Symbolpolitik

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Geht es nach der Union, sollen Straftäter nach Afghanistan abgeschoben werden. Statt der Straftäter werden so Kriegsverbrecher resozialisiert.

Die neuen Freunde der Union: Ein Taliban kontrolliert den Straßenverkehr Foto: Saifurahman Safi/Xinhua/imago

H eute ist Weltflüchtlingstag und es kommen Meldungen wie diese: Im vergangenen Jahr sind weltweit rund 3,4 Millionen Menschen neu vertrieben worden, berichtet die Hilfsorganisation Oxfam. Der Hauptgrund: die sich weiter verschärfende Klimakrise. Am schlimmsten betroffen seien Teile Ostafrikas und Länder in Süd- und Ostasien gewesen. Zugleich habe sich die Zahl der hungernden Menschen in einigen Ländern fast verdreifacht.

Solche Nachrichten müssen alarmieren, sie fordern Antworten, zumal sich die Lage weiter verschärfen wird. Der heutige Tag wäre eine gute Gelegenheit, sich Gedanken über substanzielle Lösungen eines immer drängenderen globalen Problems zu machen. Doch hierzulande beschäftigt die Politik anderes.

Deutschlands Innenminister und Ministerpräsidenten kommen dieser Tage zusammen. Es geht um die Migrationspolitik, doch diskutiert wird, wie so oft, die reflexartige Reaktion auf das desaströse Abschneiden der Ampelparteien und den Teilerfolg der AfD bei den Europawahlen, also: mehr Härte gegen Flüchtlinge, auf dass der Zuspruch für die Rechtsextremen schwinde. Unter anderem soll es nun wieder Abschiebungen nach Afghanistan geben.

Die hatte der damalige Innenminister Horst Seehofer (CSU) im August 2021 ausgesetzt, nachdem die islamistischen Taliban die Herrschaft in dem Land übernommen hatten – ein Regime, das zu verhindern der Westen einen Krieg mit unzähligen Toten geführt hatte. Es sei „weder für die Rückzuführenden noch für die Begleitkräfte und die Flugzeugbesatzung“ verantwortbar, Straftäter nach Afghanistan abzuschieben, hatte Seehofer damals geschrieben.

Union will Zugeständnisse an Islamisten

Nun soll das anders sein, und auch Abschiebungen nach Syrien werden jetzt wieder gefordert. Dabei ist die Gruppe der dafür überhaupt infrage kommenden Straftäter nur sehr klein, der moralische Schaden aber ist umso größer.

Denn geht es nach der Union, soll für die Abschiebungen mit den Taliban kooperiert werden. Die Rücknahme wird man ihnen mit Zugeständnissen schmackhaft machen müssen. Genauso hatte vor einigen Jahren schon der sudanesische Diktator und Kriegsverbrecher Omar al Baschir einen Weg aus der internationalen Ächtung herausgefunden.

Für ein bisschen Symbolpolitik wird so der Rest der Welt in seinem Eindruck bestärkt, dass Europa gern von Menschenrechten spricht, solange es ihm in den Kram passt. Das ist keine gute Voraussetzung, um dem erstarkenden globalen Autoritarismus als überlegene Alternative entgegenzutreten. Und es zeugt von einer fahrlässigen Ignoranz gegenüber den echten Problemen.

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Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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7 Kommentare

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    Die Moderation

  • "Der heutige Tag wäre eine gute Gelegenheit, sich Gedanken über substanzielle Lösungen eines immer drängenderen globalen Problems zu machen."



    Das wollen Sie vieleicht lieber nicht.



    80% der Bürger wollen keine neuen Mitbewohner, und bei dem, was die Parteien von AfD, CDU, BSW, SPD, FDP und Grüne jetzt so alles fordern oder machen käme da eventuell ein ganz anderes substanziell raus, als Sie sich das vorstellen....ich glaube nicht, dass wir in 10 Jahren noch ein Recht auf Asyl haben.

  • Danke! Statt einer weitsichtigen Politik in Anbetracht der Klimakrise und ihrer weltweiten Auswirkungen, statt der Fortschreibung der Menschenrechte, statt voranzugehen als reiches Europa und breite Wege einzuschlagen - international, stattdessen reagieren die noch demokratischen Regierungen und Parteien mit einer kurzsichtigen Panik, dass man sich an die frühe Neuzeit erinnert fühlt, nur, dass die Leute damals nicht wussten, dass es die kleine Eiszeit ist, die ihnen zu schaffen macht. Damals schrien sie "Hexe(r)", die Demagogen heizten ein (öhöm) und die Herrscher steckten in Brand. Heute schreien sie "Asylanten!" statt sich um die Klimakrise zu sorgen, die Demagogen müllen die asozialen Medien voll und die Regierungen, ach, die wollen halt weiter regieren, muss man ja auch verstehen, gell.



    Und für die CDU ist es so bequem wie damals in den 90ern.

    Soviel Luft fürs Schreien hab ich gar nicht, wie da nötig wäre...

  • Mit Begriffen wie Moral und Symbol geht es nicht weiter. Wer nach Syrien oder Afghanistan abschieben will, handelt aus Gehässigkeit. Selbige ist und bleibt das Hauptleitmotiv christlich- konservativer Politik. Weiter rechts ist es nur noch Hass.

    Aber diesen Gehässigen sollte doch klar sein: Eine Drittstaatenlösung macht D von diesen Staaten abhängig. Drittstaaten sind weder blöd noch existieren sie der deutschen Wohlfahrt wegen. Die werden kühl rechnen, was D für die Flüchtlingspolitik im Haushalt hatte und genau das wird es anfangs kosten. Theoretisch, praktisch wird es gleich teurer, denn schon jetzt wird klar, das Italien für seinen Vertrag mit Albanien 1 Milliarde mehr zahlen wird.



    Da das Problem der Fluchtursachen nicht gelöst ist, wird der Druck durch die Zahl an Menschen auf der Flucht steigen und damit die Erpressbarkeit (erpressbar wegen des eigenen Rassismus und unterlassener sozialer Reformen).



    Schleuser werden weiterhin Konjunktur haben.



    Am Ende steht die Frage, wem dient bzw. wer verdient an dieser Politik? Objektiv denen, die sie verlangen.

    • @Tazmahall:

      Ich schätze mal dass Nancy Faesers Drittstaatenlösung eine Scheindebatte darstellt. Durch das Einschalten einer dritten Partei werden Verhandlungen schwieriger, langwieriger und man kann die ganze Zeit sagen dass man mit Hochdruck an dieser Sache arbeitet obwohl natürlich nichts passiert. Und, Si e haben natürlich recht, die Drittstaaten werden sich das bezahlen lassen. Wenn es denn soweit kommt und die Geldwünsche dann nicht als Grund für das Scheitern angegeben werden. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. ich erkenne allerdings bei der Ampelregierung in dieser Sache keinerlei Willen. höchstens die Angst vor den nächsten Wahlen.

  • Danke, Herr Jakob, dass Sie dranbleiben. Simmen wie die Ihre sind derzeit extrem wichtig.

    Es ist fast irreal. Diese Innenminister*innen toppen alle den Seehofer, mit Massnahmen, die nichts bringen (wie weit ist UK mit Ruanda? Wieviele Flüchtlinge haben sie mittlerweile dort hin abgeschoben? Wie viele Millionen Pfund macht das bei denen *pro Flüchtling*? Hätten sie das nicht lieber in Mitigationsmassnahmen gegen die Schäden des Neoliberalismus stecken sollen?).

    Mir fehlen Worte dafür, die noch in einem Forum veröffentlicht werden könnten.

    Verbrecher.

  • Will die SPD das nicht auch? Und die Grünen?