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Abschiebung von Menschen„Geisel lehnt zu viele Anträge ab“

Wer ist Deutschlands Abschiebemeister-Minister? Der Berliner SPD-Politiker erreicht in einer Abstimmung unter Geflüchteten den zweiten Platz.

Abschiebung ins Ungewisse: Abgelehnte AsylbewerberInnen werden von der Polizei abgeholt Foto: dpa
Interview von Uta Schleiermacher

taz: Herr Jouni, parallel zur Innenministerkonferenz hat Ihre Organisation namens Jugendliche ohne Grenzen, in der junge Menschen mit Fluchtgeschichte bundesweit organisiert sind, den „Abschiebeminister 2020“ gewählt. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) ist dabei auf dem zweiten Platz gelandet, Erster wurde Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Auch die drei weiteren nominierten Landesinnenminister waren Unions-Politiker. Sticht ein SPD-Politiker die CDU beim Abschieben tatsächlich aus?

Mohammed Jouni: Wir hatten natürlich unsere Gründe, auch Geisel zu nominieren. Aber wir haben nicht damit gerechnet, dass er so viele Stimmen bekommt, denn auch der sächsische und der sachsen-anhaltische Innenminister sind echt harte Hunde beim Abschieben. Aber es sprechen auch viele Gründe dafür, dass Geisel auf dem zweiten Platz gelandet ist.

Welche denn?

Gerade weil er einer linken Regierung angehört, ist die Enttäuschung besonders groß. Von einem CSU-Politiker aus Bayern erwarten wir ja nichts anderes. Aber im vierten Jahr der rot-rot-grünen Regierung in Berlin sind kaum Versprechungen aus der Koalitionsvereinbarung umgesetzt: Die Abschiebehaft ist de facto nicht abgeschafft, sie heißt jetzt einfach Gefährderhaft. Eigentlich wollte die Koalition Bleibeperspektiven auch in ungelösten Fällen ermöglichen, aber in der Härtefallkommission lehnt Geisel immer noch viel zu viel ab.

Im Interview: Mohammed Jouni,

35, ist Sozial­arbeiter beim Beratungs­- und Betreuungszentrum BBZ und Mit­begründer der Selbst­organisation JOG (­Jugendliche ohne Grenzen) für Menschen mit Fluchtgeschichte.

Er wertet nach wie vor den Schulbesuch auf den Oberstufenzentren nicht als schulische Integration. Damit erschwert er den Jugendlichen den Weg zu einer Aufenthaltserlaubnis. Und trotz Corona finden weiter Sammelabschiebungen aus Berlin statt. Die Polizei holt die Menschen ohne Durchsuchungsbeschluss aus den Wohnungen und nimmt ihnen die Mobiltelefone ab. Besonders augenfällig war der brutale Polizeieinsatz in einer Jugendhilfeeinrichtung Anfang Juli 2019.

Im Juni 2020 hat die Innenverwaltung gemeldet, dass die Härtefallkommission 2019 drei Viertel der Fälle positiv beschieden hat; das waren 140 von 188 Anträgen. Geisel hat dazu gesagt, dass er die Härtefallkommission als wichtiges Instrument sieht, um Menschen in Not zu helfen, und verantwortungsbewusst damit umgeht.

Das ist nicht unsere Wahrnehmung. Die Fälle, die er abgelehnt hat, sind auch Schicksale. In Berlin leben 25.000 Menschen mit einer Duldung. Die paar Fälle, die es überhaupt in die Härtefallkomission schaffen und bei ihm auf dem Schreibtisch landen, könnte er doch mindestens durchbringen. Da geht es nicht um Tausende.

Es gibt junge Menschen, die haben ja gerade wegen der Regierungsparteien diese Stadt als Wohnort gewählt, weil sie dachten, dass sie hier sicherer sind als anderswo. Nein, die Wahl zeigt aus meiner Sicht, dass viele absolut enttäuscht sind, die sich ausgerechnet von Berlin eine andere Politik gewünscht und erhofft haben. Und wir fragen uns auch, warum die Berliner SPD das mitträgt und ihren Innensenator nicht zurückpfeift.

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