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Absatzmarkt Saudi-ArabienKönigreich der Unterdrückung

Das absolutistische Land kauft in Deutschland nicht nur Waffen. Der Preis, den die Demokratie für diese Exporte zahlt, ist hoch.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu Gast beim saudischen König und Premier Salman bin Abdelasis al-Saud (Mitte). Bild: dpa

BERLIN taz | Ob Arabischer Frühling oder „Islamischer Staat“ (IS) – seit Jahren sieht sich die Familie Saud von allen Seiten bedroht. Dass der Erhalt der Monarchie für die seit 1932 herrschende Dynastie oberste Priorität hat, überrascht wenig. Aber warum setzen Saudi-Arabiens Verbündete im Westen ebenfalls auf stabilen Stillstand im Königreich?

Über zwei Dinge sehen Saudi-Arabiens Partner gern hinweg: Erstens ist der Golfstaat zu einem großen Teil mitverantwortlich für den islamistischen Terror. Kein Staat fördert den intoleranten Islam so effektiv wie das seit 1992 qua Verfassung absolutistische Königreich. Dabei ist die Frage, ob saudische Gelder direkt an Terroristen fließen, zweitrangig. Wichtiger ist: Die Herrschaft des IS unterscheidet sich nicht grundsätzlich von dem, was sich saudische Gelehrte unter islamischer Regierungsführung vorstellen. Sicher, der IS ist extremer – aber die ideologischen Grundlagen ähneln sich sehr.

Zweitens ist Saudi-Arabien, das sich als „Kingdom of Humanity“ versteht, das Gegenteil dessen. Dem Blogger Raif al-Badawi bleiben weitere Peitschenhiebe vorerst erspart, weil er die Aufmerksamkeit ausländischer Journalisten auf sich ziehen konnte – aber er ist bei Weitem nicht der einzige politische Gefangene im Land. Badawis Anwalt Walid Abu al-Khair, ein ebenso bescheidener wie kritischer Aktivist, wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt. Der Geistliche Nimr an-Nimr führte Proteste der Schiiten im Osten des mehrheitlich von Sunniten bewohnten Landes an. Dafür verurteilte ihn ein Gericht zum Tod durch das Schwert.

Röntgengeräte von Siemens

Für solche Urteile müsste Saudi-Arabien eigentlich international am Pranger stehen. Wie der Iran, wie Nordkorea. Doch dafür ist die Monarchie zu bedeutsam. Für die USA ist das Reich der Sauds nicht nur ein treuer Öllieferant, sondern auch der wichtigste Verbündete in der Region. Gemeinsame Luftschläge gegen den IS sind nur das jüngste Kapitel in der jahrzehntelangen Sicherheitszusammenarbeit, von der auch die deutsche Rüstungsindustrie profitiert.

Auch für andere Wirtschaftsbereiche ist das Land ein wichtiger Absatzmarkt. Die Saudis modernisieren ihre Wirtschaft und schieben mit ihren Ölmilliarden Riesenprojekte an. Der Staat investiert in Bildung und Wohnungsbau, in Infrastruktur und Schwerindustrie. Knapp 10 Milliarden Euro bringen deutsche Exporte jährlich ein.

Wer in der Hauptstadt Riad zum Arzt geht, hat gute Chancen, mit einem Siemens-Gerät geröntgt zu werden oder ein Hörgerät dieser Firma verschrieben zu bekommen. Mit seinen fast 2.000 Angestellten in Saudi-Arabien ist Siemens vor allem im Energiesektor und in der Medizintechnik stark. Das deutsche Unternehmen rühmt sich damit, dass rund ein Drittel des gesamten in Saudi-Arabien verbrauchten Stroms mithilfe seiner Technik übertragen und verteilt wird. Siemens baut Umspannwerke, liefert Gasturbinen, exportiert Generatoren.

Die Metro baut die Deutsche Bahn

Die Deutsche Bahn ist maßgeblich am Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke im Westen des Landes beteiligt. Ab 2017 sollen Pilger in Windeseile von der Küstenstadt Dschidda nach Mekka und Medina gelangen. Vor einigen Jahren baute das Unternehmen bereits an der sogenannten „Mekka-Metro“ zwischen den beiden heiligen Orten mit. Die neue Strecke ist der größte Einzelauftrag, den die DB International je erhalten hat.

Auch der deutsche Mittelstand macht gute Geschäfte in Saudi-Arabien. Das Architekturbüro Gerber etwa hat die neue Nationalbibliothek in Riad designt. Die Dortmunder Architekten haben auch ein Schmetterlingshaus im Finanzdistrikt geplant und eine ultramoderne U-Bahn-Station in der Innenstadt entworfen, die dieses Jahr fertiggestellt werden soll.

Den Wettbewerb um das repräsentative Gerichtsgebäude dagegen konnten die Dortmunder nicht gewinnen. Der Auftrag ging an ihren Kollegen Albert Speer junior. Er entwarf einen modernen Kubus, der nun das Zentrum der saudi-arabischen Hauptstadt schmückt – und in dem der schiitische Prediger Nimr an-Nimr zum Tode durch das Schwert verurteilt wurde.

Nichts aber symbolisiert die Partnerschaft zwischen Riad und Berlin besser als der Großauftrag, den Airbus an Land ziehen konnte. 2009 war die Rüstungssparte des deutsch-französischen Unternehmens beauftragt worden, die gesamte Außengrenze Saudi-Arabiens mit Schutzzäunen und modernster Überwachungstechnik auszustatten. Ob an der Küste, in den Bergen oder in der Wüste – auf einer Strecke von 9.000 Kilometern sollte die Firma das Königreich vor Eindringlingen bewahren – für 2 Milliarden Euro.

Alternative zum totalitären Diskurs

Für viele Saudis ist die bedingungslose wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit eine Ohrfeige – etwa für die unterdrückte schiitische Minderheit, für die Liberalen, die auf Reformen des autoritären Systems setzen, oder für diejenigen jungen Untertanen der Monarchie, die sich eine Zukunft ohne islamische Zwangsjacke wünschen.

Die Alternative zum totalitären Diskurs mit expansionistischer Stoßrichtung und der Verachtung Andersgläubiger, den der saudische mit dem Islamischen Staat teilt, wäre eine überzeugende, weltoffene sunnitische Gegenerzählung. Aber solange Saudi-Arabien sich nicht liberalisiert, werden es die Vertreter eines liberalen Islams dort weiter mehr als schwer haben. Das Königreich wird seine salafistischen Jünger weiter mit Geld und obskurem Gedankengut nähren, solange Europa und die USA an ihrem Bündnis mit Riad festhalten. Das ist der Preis, den wir für diesen Absatzmarkt zahlen.

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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • oh Isis, achso da fühlt sich Saudi Arabien bedroht? Wie sieht denn das der US Außenminister Biden? https://www.youtube.com/watch?v=fLYTG2kCUu0 Mhm, komisch.

     

    Naja eigentlich, konsequenterweise, hätte Herr Beck ein Ausreiseverbot der Delegation bei Steinmeier per Brief einfordern müssen...

  • Wie naiv kann man sein, wenn man für eine Tageszeitung schreibt?

     

    Saudi-Arabiens Verbündete im Westen setzen aus genau einem einzigen Grund auf den "stabilen Stillstand im Königreich", und dieser Grund hat nur zwei Buchstaben: Öl.

     

    Der Westen ist darauf angewiesen, dass der Ölstrom möglichst gleichmäßig fließt. Schwankungen können sich unsere technisch hochgerüsteten Gesellschaften nicht erlauben, weil sie die mühsam austarierte Machtbalance gefährden. Es könnte unvorhersehbare Folgen haben, wenn plötzlich nicht mehr saudisches Öl und saudische Ölprodukte für 188, 57 Milliarden US-Dollar auf den Märkten fließen, sondern mehr oder weniger. Die finanziellen Mittel, mit denen täglich spekuliert wird in der westlichen Welt, sind viel zu groß, als dass sich irgend jemand nachher einen "Fehler" nachsagen lassen möchte. Der Westen ist (auch seiner eigenen Ansicht nach) too big to fail – und damit sind auch alle Menschenschänder sicher, von denen er sich abhängig gemacht hat.

  • Zunächstmal: Ein wirklich absolutistisches Königreich hat überhaupt keine Verfassung, sondern nur einen König, der tut und lässt, was er will. Insofern ist eine Verfassung ein Zeichen, dass der saudische König eben nicht mehr absolut herrscht.

     

    Davon abgesehen ist eien rein von Idelaen geprägte Politik nun einmal politischer und/oder wirtschaftlicher Selbstmord. wer so viel Petrodollars auszugeben hat wie die Saudis, bekommt was er will, denn es reicht ein Anbieter, den die moralischen Bedenken seiner Konkurrenten nicht scheren. Konkreter: Wenn die Saudis Panzer zum Schutz auch ihrer Monarchie kaufen wollen, ist weder für Deutschland noch für die Menschenrechte von Vorteil, wenn sie das in den USA oder - ganz blöd - in China tun. Denn dann hat auch China zwangsläufig mehr Einfluss auf die saudische Politik.

     

    Die richtige Politik ist daher, Verbesserungen bei den Menschenrechten anzumahnen und diese mit Offerten zu belohnen - wohlgemerkt nicht erst, wenn Saudi-Arabien ein demokratischer Musterstaat im westlichen Sinne ist, sondern wenn es handfest nachweist, dass es auch für die konträren ethischen Vorstellungen seiner Partner Verständnis hat. Man kann also durchaus klarstellen, dass angesichts der Menschenrechtslage Waffenexporterlaubnisse in Deutschland dem Wahlvolk schwer zu verkaufen sind. Aber kategorische Anklagen oder Exportverweigerungen sind nicht zielführend.

    • @Normalo:

      Die VR China befindet sich mit Riad in wissenschaftlich-technischer Zusammenarbeit für den Bau von 16 Atomkraftwerken bis 2030/32. An der Entwicklung der saudischen Atommacht in Nahost sind u. a. auch Frankreich, Südkorea und Japan beteiligt. Die Kosten hierfür liegen bei umgerechnet 60 Milliarden Euro (ca. 80 Mrd. US$.). [Natürlich, die kommende Nahost-Atommacht Saudi-Arabien, nur mit Billigung der USA und der anderen NATO- und Bündnispartner -- von SA.]

  • es ist schon dramatisch, da wird einer ausgepeitscht und alle schreien Embargo and den Pranger stellen.

    Da foltert ein Staat systematisch unschuldige (auch zu tode) es wird bekannt und alle schreiben was von Selbstkorrektur der Demokratie.

    Zur Belohnung darf der eine Staat weiter von deutschem Boden aus Drohnenmorden.

  • tja, erst mal ein bischen nachdenken, wenn Saudi fällt, ist das Chaos perfekt, Iran lauert darauf die heiligen Stääten zu übernehmen, wer den Aufstand 1980 miterlebt hat, macht sich andere Gedanken, wenn das jetzige Königshaus fällt, egal wie kritikwürdig es sein mag, und die Radikalen das Ruder übernehmen, ist da unten alles zu spät, das auf ein paar Geschäfte zu reduzieren, zeigt, dass er keine Ahnung hat !

  • Liebe taz,

     

    ich habe im Netz versucht herauszufinden, welche deutsche Unternehmen an der Deutsch-Saudischen Gemischten Wirtschaftskommission teilnehmen, welche den Besuch von Herrn Gabriel begleitet. Leider war dies nicht vom Erfolg gekrönt, umso mehr würde ich mich darüber freuen, wenn die taz da einmal recherchieren könnte?

  • Ein sehr guter Kommentar.