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Abriss der intakten Welt

Eimsbütteler Koordinierungsausschuss uneins: CDU gegen Zerstörung der Altonaer Straße 28-34, SPD und GAL dafür  ■ Von Gernot Knödler

In der Altonaer Straße 28 lässt es sich wunderbar leben. Die Wohnung von Jutta Corleis-Vesper und Wilfried Vesper geht über zwei Stockwerke: Ein Treppenhaus mit Oberlicht, voller Bäumchen und Kletterpflanzen, verbindet die Etagen. Von der Kochnische bis zur Kuschelecke ist der zweite Stock völlig offen. Der Dachboden, wo nur kleine Menschen aufrecht stehen können und auf den nur eine Hühnerleiter führt, ist zum Schlafzimmer umgebaut worden.

Geht es nach dem Willen des Senats, liegt dieses kleine Paradies Mitte 2001 in Schutt und Asche, genauso wie die schmalen Reihen-Stadthäuser mit ihren Terassen nebenan. Eine Investorengruppe um Holger Cassens will stattdessen 23 Altenwohnungen im sozialen Wohnungsbau errichten (die taz hamburg berichtete).

Der Eimsbütteler Koordinierungsausschuss (KOA) sah sich entgegen seinen Gepflogenheiten außer Stande, hierzu ein einheitliches Votum abzugeben: Die CDU sprach sich gegen den Abriss aus, SPD und GAL waren dafür. „Das empfinde ich als Skandal“, empörte sich Christiane Hollander von „Mieter helfen Mietern“ (MHM). Nur ein Konsens im KOA könnte politische Folgen haben.

30 Jahre schon wohnt Jutta Corleis-Vesper in der Altonaer Straße 28. Vier Kinder haben sie und ihr Mann hier groß gezogen; verließ eines das Zuhause, fiel eine Wand. „Das Haus war schrottig“, erzählt Wilfried Vesper. „Wir haben anfangs immer Angst gehabt, die Stadt schmeißt uns raus.“ Dann haben seine Frau und er die Fassade erneuert, Stromkabel verlegt, Heizung, Bad und Küche eingebaut. Die Nachbarn machten es ähnlich.

Heute steht der Abriss zur Debatte, weil die Nummer 30 baufällig ist. Angeblich kann sie nicht zu akzeptablen Kosten flach gelegt werden, ohne dass die Nachbargebäude einstürzen. Der Eimsbütteler Bezirksamtsleiter Jürgen Mantell will durch den Abriss der lediglich zweistöckigen Häuschen aus den 1880er Jahren zudem „einen städtebaulichen Missstand beseitigen“, denn an dieser Stelle könnte dichter und höher gebaut, könnten mehr Menschen untergebracht werden.

Für Thomas Thomsen, CDU-Mitglied im KOA, zählt das Argument der vielen Sozialwohungen nicht. „Natürlich gibt es einen Bedarf“, räumt er ein. „Aber so dringend, dass man intakte Häuser abreißen müsste, so dringend ist es nicht.“ Der Bezirksabgeordnete fühlt sich getäuscht, weil vier und nicht bloß drei Mietparteien, wie es zunächst geheißen hatte, in den Häusern wohnen. Überdies wäre nur ein Nachbarhaus einsturzgefährdet, sollte die marode Nummer 30 abgerissen werden. Und schließlich stelle sich die Frage, ob es sinnvoll wäre, Altenwohnungen zwischen die Altonaer Straße und die S-Bahn zu bauen.

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