Abmahnung gegen Pegida-Polizisten: Richter findet Ironie bei Polizist
Ein LKA-Beamter spricht bei rechten Kundgebungen und wird dafür abgemahnt. Zu Unrecht, sagt ein Richter. Die Meinungsfreiheit gehe vor.
Von der Ladefläche eines Kleinlasters, umsäumt von Deutschlandfahnen, umringt von vielleicht 100 Zuhörern, ließ sich Hübner da über die Kriminalitätsstatistik von Zuwanderern in Deutschland aus.
Am Montag nun saß Hübner in einer Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Berlin und verlangte die Löschung einer Abmahnung aus seiner Personalakte, die der Polizeipräsident am 15. November ausgesprochen hatte. Das Land hatte den Kriminaltechniker gerügt für seine geäußerten „eindeutig rechtspopulistischen Inhalte“, die auch rechten Parteien wie der AfD zu eigen sind.
Überraschend ist das nicht, denn Hübner ist Mitglied der AfD und sitzt für die Partei im havelländischen Kreistag. Zudem soll er, so schreibt es das linke Portal Inforiot, auf Flyern der Pegida als presserechtlich Verantwortlicher genannt gewesen sein.
Die Polizei argumentierte, Hübner müsse sich als Angestellter des öffentlichen Dienstes mit seinem gesamten Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen, wie im Tarifvertrag der Länder vorgesehen. Sein Pegida-Auftritt stünde dem entgegen. Beim Vorsitzenden Richter verfing diese Position nicht. In seiner längeren, einleitenden Ausführung machte er deutlich, dass die Meinungsfreiheit über diesem allgemeinen Verhaltensverbot stehe.
Nicht strafrechtlich relevant
Der Richter argumentierte, Hübner habe nichts strafrechtlich Relevantes gesagt; zudem seien weder die AfD noch Pegida verboten, und dies sei auch nicht geplant. Nicht nachgewiesen sei zudem, dass Hübner freundschaftliche Beziehungen zu Personen aus dem Spektrum der extremen Rechten unterhalte, auch wenn sie ihm applaudiert und nach seiner Rede auf die Schulter geklopft haben.
Der Anwalt der Polizei machte auf einen anderen, für sie entscheidenden Punkt aufmerksam, wonach Hübner in der eingangs erwähnten Rede das Bundeskriminalamt als „rassistische und rechtsextreme Vereinigung“ bezeichnet habe. Die Äußerung ergibt „keinen Sinn“, urteilte der Richter und folgerte messerscharf: „Dann gibt es einen Sinn nur in der Ironie.“ Doch nicht Hübner sollte die Intention seiner Aussage nachweisen, sondern die Polizei müsse ihm nachweisen, dass er ironiefrei gepoltert habe. Unmöglich.
Es folgte ein Vergleichsangebot der Polizei: Löschung der Abmahnung bis zum 31. Mai 2017 – normalerweise passiert das erst nach ein bis zwei Jahren.
Hübners Anwalt reagierte abwehrend, wollte eine Entscheidung. Der dafür nächstmögliche Kammertermin? Der Richter schaute in seine Unterlagen: „2. August, 9 Uhr.“ Die Verhandlung wurde zur Beratung unterbrochen, anschließend stimmte der Pegida-Polizist dem Vergleich zu. Sein Bonus: Die kritischen Anmerkungen des Richters landen im Protokoll.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen