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Abkommen mit Russland und der EUTimoschenko gegen Sonderstatus

Gerade erst hat die Regierung den Separatisten in der Ostukraine große Zugeständnisse gemacht. Nun will die Vaterlandspartei das Gesetz anfechten.

Zumindest er ist stolz auf das EU-Abkommen: Petro Poroschenko. Bild: ap

KIEW/BERLIN dpa/afp | Nach der Verabschiedung eines Sonderstatus für die Ostukraine haben mehrere ukrainische Abgeordnete eine Rücknahme des Gesetzes gefordert. Mitglieder der Vaterlandspartei von Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und weitere Abgeordnete reichten einen entsprechenden Antrag bei der Obersten Rada in Kiew ein, teilte das Parlament am Mittwoch mit.

Die Rada hatte das Gesetz über einen Sonderstatus für die Gebiete Donezk und Lugansk am Dienstag in einer nicht öffentlichen Sitzung angenommen. Die Beschwerdeführer wollen das Gesetz wegen angeblicher Verstöße gegen geltende Abstimmungsregeln für ungültig erklären. Um das Votum geheim zu halten, seien elektronische Abstimmungsmaschinen verwendet worden, sagten die Abgeordneten. Dadurch stehe die Glaubwürdigkeit der Wahl infrage, weil nicht klar sei, wie die Volksvertreter gestimmt hätten, argumentierten sie.

Nach der Ratifizierung des Partnerschaftsabkommens zwischen der EU und der Ukraine erwartet Russland zudem eine Bestätigung Kiews, sich an Absprachen zum darin enthaltenen Freihandelspakt zu halten. Vertreter aus Brüssel, Kiew und Moskau hatten sich am Freitag darauf geeinigt, wegen Einwänden Russlands den Handelsteil des Abkommens erst Anfang 2016 in Kraft zu setzen. „Wir erwarten eine Bestätigung“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax am Mittwoch. Die Oberste Rada und das Europaparlament hatten das Partnerschaftsabkommen am Dienstag gebilligt.

Russland ist gegen den Freihandelspakt und hat zahlreiche Änderungswünsche angemeldet. Moskau befürchtet, dass billige Produkte aus dem Westen den russischen Markt überschwemmen könnten. Als weniger konkurrenzfähig geltende russische Waren könnte dies gefährden, fürchten russische Produzenten. Der Kreml droht Kiew mit hohen Steuern auf ukrainische Waren, sollte der Freihandel zwischen der EU und der Ukraine doch früher als 2016 umgesetzt werden.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte Änderungen an dem Abkommen mit der EU eine klare Absage erteilt. Es werde „von der ersten Minute an“ umgesetzt, hatte er angekündigt. Der ukrainische Politiker Vitali Klitschko bezeichnete das Abkommen sogar als „historischen Moment“. Für Millionen Ukrainer sei mit der Verabschiedung ein Traum in Erfüllung gegangen, schrieb der Kiewer Bürgermeister in einem Beitrag für die Bild-Zeitung vom Mittwoch. Fast ein Jahr lang hätten die Bürger seines Landes darum gekämpft, viele seien gestorben, schrieb der frühere Profiboxer in Anspielung auf monatelange Proteste und den aktuellen Konflikt in der Ostukraine.

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8 Kommentare

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  • So sehr ich auch von der - Entschuldigung für diesen Ausdruck! - von der durchsichtigen politischen Hinterfotzigkeit der Julia Timoschenko und deren parlamentarischen Stimmbandverlängerer überzeugt bin, so sehr halte ich die grundsätzliche Kritik an der selbst nach ukrainischem Gesetz unzulässigen (vorherigen) Nichtöffentlichkeit des Beratungsgegenstandes, der Abstimmung selbst und des Abstimmungsergebnisses für gerechtfertigt. Wenn sich also das Verfassungsgericht der Ukraine als höchstes Gericht des Staates letztendlich mit diesem Thema beschäftigen wird, dann muss es - will es sich aus der politischen/höchst korruptiven Selbstkastration der Janukowitsch-Ära befreit hat - diese Parlamentswillkür in Bausch und Bogen beanstanden und aufheben.

  • Ihre Märkte vor konkurrierenden Waren aus dem Ausland zu schützen, das machen nicht wenige Länder. Und so will es auch Rußland machen, sobald die Ukraine von Waren aus der EU überschwemmt wird.

    Was mich interessieren würde - wie sieht es denn mit den Zugang von ukrainischen Waren auf den europäischen Markt aus? Soll dieser gewährt werden, und wie werden die Absatzchancen sein?

    • @Der_Peter:

      In den Bordellen soll das wohl schon weitestgehend durchgesetzt sein.

       

      Ich kenne auch kaum andere "Exporte" aus der Ukraine. Zumindest aus der Ost-Ukraine. Ansonsten kann ich auf Pilze aus Tschernobyl gerne verzichten. Niemand sollte Lebensmittel von dort kaufen.

       

      Es fehlt allerdings wirklich die Information, ob und wie uns die EU davor schützen will.

      • @Age Krüger:

        Tschernobyl liegt ganz im Norden der Ukraine, den größten Teil der nuklearen Wolke hat Weißrussland abbekommen, die danach in Richtung Westen zog. Ich hoffe um ihre Gesundheit ist es noch gut bestellt.

      • @Age Krüger:

        Ukraine exportiert jährlich, waren im Wert von ca 5,5 Mrd € wobei der Großteil, speziell, aus den Bereichen der Maschinen, Chemischen sowie elektrischen Erzeugnisse, zugeschnitten, auf den russischen Markt besteht und entweder gar wertlos oder nur bedingt konkurrenzfähig auf dem europäischen Märkten wäre.

        • @Ben Nebelt:

          Der Anteil an den Exporten der Ukraine f Russland liegt bei 25%, In die EU gehen ebenfalls 25%, irgendetwas muss es ja sein was die Ukrainer zu verkaufen haben, wenn es jedenfalls total wertlos wäre würden es die Russen auch nicht kaufen.

    • @Der_Peter:

      "Ihre Märkte vor konkurrierenden Waren aus dem Ausland zu schützen, das machen nicht wenige Länder." Aber niemand sendet deswegen als Separatisten verkleidete Banditen u Soldaten über die Grenze zum Nachbarn, weil der Geschäfte mit anderen macht. Heute macht das nur die Mafia, dabei fällt mir ein: die wikileaks haben auch enthüllt wie der amerik Botschafter schon vor Jahren über die russ MAfia dachte: ihre Zentrale sitzt im Kreml. Der Ukraine wird auch ohne Freihandesteil d Assoziationsabkommens Zollfreiheit auf die Einfuhr ihrer Produkte in die EU gewährt, musste sein als Ausbauhilfe, weil Russland ja leider Krieg gg die Ukraine führt. Ich werde demnächst mal ein paar Sachen kaufen, den Krim- Sekt z.B. (der heißt so, kommt aber nicht zwangsläufig daher, schmeckt aber auch ohne Trauben die v russ Soldaten angepisst wurden) gibt's dann wahrschl in größeren Mengen bei uns. Aber daneben werden sich vllcht auch noch ein paar andere Sachen finden. Und nebenbei ist die Ukraine auch unter den Top 5 der weltweit größten Getreideproduzenten. Das Leben wird ohne die Putin- Junta auf jeden Fall schöner. Das wird man auch in Minsk, Almaty, Jerewan noch feststellen und dann vllcht bald auch in Moskau, hoffentlich ist es dann nicht zu spät.

      • @ingrid werner:

        Das Problem für die Ukrainer wäre lediglich dass sich große chinesische, amerikanische und europäische Konzerne in den ukrainischen Markt einklinken werden. Diese übernehmen dann die Rolle der verhassten Oligarchen, gegen welche im übrigen die Menschen (nicht die rechtsradikalen Putschisten) auf dem Maidan protestiert haben, einnehmen werden.

        Ironischerweise sitzt jetzt einer der größten Oligarchen im Amt mit dem kleinen Unterschied, dass dieser nach der Pfeife der anderen Seite tanzt. Für die Menschen in der Ukraine wird dadurch nichts besser, darauf gebe ich Brief und Siegel.