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Abhöraffäre in PolenBrisante Enthüllungen

Jaroslaw Kaczynski wurde bei einem Deal mit einem Bauunternehmer belauscht. Jetzt droht dem Chef der Regierungspartei PiS ein Prozess.

Abgehört und jetzt ziemlich unter Druck: PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski Foto: reuters

Warschau taz | Schon lange fürchtete Jaroslaw Kaczynski, der Vorsitzende von Polens nationalpopulistischer Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Opfer eines Abhöraffäre zu werden. Sicher fühlte er sich nur im Parlament, umgeben von seinen engsten Vertrauten und einigen Bodyguards sowie in der PiS-Parteizentrale in der Nowogrodzka-Straße in Warschau.

Dorthin pflegte er alle seine Gesprächspartner einzuladen. Der PiS-Parteisitz wurde rund um die Uhr bewacht und schien Kaczynski sicher wie eine Festung zu sein. Doch genau dort wurde er nun abgehört. Wie oft, ist noch nicht sicher.

Die linksliberale Gazeta Wyborcza enthüllt in ihrer Dienstagsausgabe, dass es seit dem 12. Mai 2017 zu 16 Treffen zwischen dem österreichischen Architekten und Unternehmer Gerald Birgfellner und Jaroslaw Kaczynski gekommen sei. Eines der Gespräche können die LeserInnen nachlesen oder auch – auf der Webseite der Tageszeitung – nachhören.

Thema aller Gespräche sollen die geplanten „K-Towers“ im Zentrum Warschaus gewesen sein, über deren Bau- und Finanzierungsdetails Kaczynski im Auftrag des PIS-Firmen-und Stiftungs-Konsortiums „Srebrna“ mit dem Österreicher verhandelt habe.

Investition gestoppt

Doch Kaczynski stoppte die 300 Millionen-Euro-Investition, die durch einen Kredit der staatseigenen Bank Pekao SA finanziert werden sollte, als die PiS die Kommunalwahlen in Warschau verlor. Der PiS-Oberbürgermeister sollte die 190 Meter hohen Türme genehmigen, obwohl der Bebauungsplan dort nur eine maximale Höhe von 30 Metern vorsieht.

Daraufhin stellte Birgfellner seine bisherigen Vorleistungen in Höhe von umgerechnet 1,5 Millionen Euro in Rechnung. Doch bezahlt wurde nicht. Jetzt will Birgfellner das Geld einklagen. Am vergangenen Freitag stellten die Anwälte des Österreichers Strafanzeige wegen „Betrugs in hohem Ausmaß“ bei der Staatsanwaltschaft in Warschau.

Die Ängste Kaczynskis vor einer Abhöraffäre haben eine ganz konkrete Ursache: die Vorgängerregierung kam durch die sogenannte „Kellneraffäre“ zu Fall. In einem Lieblingsrestaurant der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) servierten die Kellner nicht nur exquisites Essen und teuren Wein, sondern versteckten in den Haltern von Salz- und Pfefferstreuern auch kleine Mikrophone.

Vor den Parlamentswahlen im Herbst 2015 publizierten PiS-nahe Zeitschriften immer wieder Mitschnitte dieser PO-Tischgespräche, die den Ruf so manch eines bislang hoch angesehenen Politikers ruinierten.

Vertrauen erschüttert

Zwar führte keiner der Audio-Mitschnitte zu einem Strafverfahren, doch die vulgär-arrogante Ausdrucksweise erschütterte das Vertrauen vieler Bürger in ihre gewählten Vertreter. Bei den folgenden Wahlen gewann die PiS die absolute Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments.

In diesem Jahr könnte es für die PiS jedoch anders kommen. Im Herbst stehen in Polen Parlamentswahlen an. Kaczynski hat sich bislang zu den Enthüllungen nicht geäußert. Andere PiS-Politiker, wie die Parteisprecherin Beata Mazurek, versuchen die „Pseudosensation“ ins Lächerliche zu ziehen, Bildungsminister Jaroslaw Gowin hält die Mitschnitte für „normale Business-Verhandlungen“. Und Premier Mateusz Morawiecki verteidigt seinen Parteichef gar als „Garanten für Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit.“

Für Adam Traczyk, den Gründer und Direktor der Stiftung Global.Lab, hingegen ist das Ansehen Kaczynskis als „mythischer Vorsitzender“ und Erlöser der Nation“ nun schwer beschädigt. „Wir sehen nun einen elenden Politikaster, der kleine Geschäftchen erledigt“, schreibt der Soziologe auf Twitter.

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