Abgesetzter Gouverneur in der Ukraine: Der Oligarch, der zu weit ging
Er mischte überall mit: Ihor Kolomojskij musste nun seinen Posten als Gouverneur räumen. Es bleiben Milliarden und ein Zweitwohnsitz in Genf.
Niemand wirft Ihor Kolomojskij, dem 52-jährigen Oligarchen aus dem ostukrainischen Dnipropetrowsk vor, er würde sich nicht deutlich genug ausdrücken. Als er einmal gefragt wurde, warum er sich nicht an das Verbot von zwei Staatsbürgerschaften für ukrainische Verwaltungsbeamte halte, antwortete er, das sei ja wohl nicht sein Problem. Er habe ja schließlich nicht zwei, sondern drei Staatsbürgerschaften.
Der als aufbrausend bekannte zweitreichste Oligarch der Ukraine, der ohne Pressesprecher auskommt, beschimpft seine Widersacher vor laufender Kamera mit Worten, die im staatlichen Fernsehen üblicherweise mit einem Pfeifton ausgeblendet werden.
Die Liste der Unternehmen, in denen Kolomojskij das Sagen hat, liest sich wie ein Nachschlagewerk der wichtigsten ukrainischen Firmen. Auch Petro Poroschenko gehört zu den Kunden von Kolomojskijs „Privatbank“. Der Oligarch, dessen Vermögen irgendwo zwischen drei und sechs Milliarden Euro angesiedelt ist, finanziert bewaffnete Freiwilligenbataillone, verfügt über den landesweit sendenden Fernsehkanal 1+1, besitzt den Fußballklub Dnipro Dnipropetrowsk, ist an fast allen großen Ölfirmen des Landes beteiligt.
Doch es scheint, dass er den Bogen überspannt hat. Nach seinem Auftritt in den Kiewer Büros der Ölfirmen Ukrnafta und Ukrtransnafta, die er am Wochenende in Begleitung bewaffneter Paramilitärs ganz im Stil der wilden 90er Jahre besetzt hatte, seinen wüsten Beschimpfungen eines Reporters von Radio Liberty vor laufender Kamera, war seine Entmachtung nur noch eine Frage der Zeit. Sogar der US-Botschafter in Kiew hatte den Oligarchen mit deutlichen Worten zurechtgewiesen.
Zum ersten Mal kleinlaut
Am Mittwoch trat Kolomojskij als Gouverneur des Gebietes Dnipropetrowsk zurück. Und zum ersten Mal wirkte er kleinlaut, als Präsident Poroschenko vor laufender Kamera sein Entlassungsgesuch unterschrieb. Bisher hatte Kolomojskij immer seinen Kopf aus der Schlinge ziehen können. Auch jetzt könnte der Mann, der ein Viertel aller ukrainischen Tankstellen und die größte Bank des Landes kontrolliert, mit wirtschaftlichem Druck der Kiewer Machtelite das Leben erschweren.
Doch es sieht alles danach aus, als ob der Mann sich überlegen muss, ob er die nächste Zeit nicht besser an seinem Zweitwohnsitz in Genf verbringen sollte. Es wäre besser für ihn und alle, denen er mit seinem Wissen schaden könnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs