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AbgeordnetenhauswahlMüder Sommer, heißer Herbst

In den nächsten Monaten klärt sich, wer nach der Wahl 2021 neue Nummer 1 im Roten Rathaus werden könnte. Corona macht das zu einer Herausforderung.

Ramona Pop oder Antje Kapek? – eine der beiden wird Grünen-Spitzenkandidatin Foto: dpa

Nichts los im Parlament, Senatssitzungen nur alle zwei Wochen, kaum Parteileben. Berlin scheint politisch ganz tief in der Sommerpause. Scheint – denn hinter den Kulissen sieht es anders aus. Das streiten sich die Topleute um Spitzenplätze, Kandidaturen und Wahlkreise für den Bundestag und das Abgeordnetenhaus – und die Parteimanager suchen händeringend ausreichend große Räume für die nötigen Parteitage.

Nicht nur Corona macht den anstehenden Herbst zu einer nie gekannten Vorwahlzeit – es waren auch schon lange nicht so viele relevante Spitzenkandidaturen offen. Besonders gilt das bei den Grünen, bei denen seit Monaten die Frage ist: Wird Wirtschaftssenatorin Ramona Pop oder Fraktionschefin Antje Kapek Nummer 1 für die Wahl?

Der Weg zur Wahl

13. August: SPD in Charlottenburg-Wilmersdorf berät über eventuelle Bundestagskandi­datur von Michael Müller

22. August: Linkspartei will bei Parteitag Anforderungen an Wahlbewerber beschließen

31. Oktober: Franziska Giffey und Raed Saleh wollen beim SPD-Landesparteitag als Doppelspitze anstelle von Müller antreten

28. November: Grüne rufen ihre Spitzenkandidatin aus

5./6. Dezember: Linkspartei nominiert ihre Nummer 1

19. Dezember: Beim zweiten SPD-Parteitag geht es um die Spitzenposten für Abgeordnetenhaus- und Bundestagwahl

Vom „Herbst der Entscheidungen“ sprach SPD-Fraktionschef Raed Saleh in früheren Jahren, wenn es in der damaligen rot-schwarzen Koalition um Kompromisspakete mit der CDU ging. Im Jahr 2020 steht der Begriff für etwas anderes: für die Kür jener Menschen, von denen einer oder eine nach der Abgeordnetenhauswahl 2021, genauer: nach den dann folgenden Koalitionsverhandlungen, im Roten Rathaus regieren wird.

Dass das weiterhin Michael Müller sein wird, der Ende 2014 Regierender Bürgermeister wurde, gilt als ausgeschlossen. Bei der SPD genauso wie außerhalb der Partei geht man davon aus, dass Bundesfamilienministerin Franziska Giffey Spitzenkandidatin wird, auch wenn sie noch nirgendwo eindeutig gesagt hat, das sie das will.

Müller auf dem Weg in den Bundestag?

Mehr Klarheit könnte es schon in zwei Wochen geben, also noch im Sommer. Denn dann der Kreisvorstand der SPD in Charlottenburg-Wilmersdorf. Ja und?, könnte man fragen, ginge es nicht bei diesem Termin mutmaßlich auch darum, wer im September 2021 bei der Bundestagswahl – am Tag auch der Abgeordneten­hauswahl – dort für die SPD antritt. Wenn Michael Müller das will, wie immer wieder kolportiert, wird er spätestens in zwei Wochen sein Interesse anmelden und sich auch beim folgenden Kreisparteitag im September vorstellen müssen.

Offen bleibt dann immer noch die Frage, ob Müller auch Berliner SPD-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl wird. Denn auch Juso-Chef Kevin Kühnert soll Interesse daran haben. Darüber und auch über die Spitzenkandidatur auf Landesebene, mutmaßlich mit der Kür von Giffey, will die Partei kurz vor Weihnachten entscheiden. Auf dem Weg dorthin steht Ende Oktober der schon zu Jahresbeginn angekündigte Wechsel an der Spitze des Landesverbands an: Giffey soll in einer Doppelspitze mit Saleh dann Müller als SPD-Landeschef ablösen.

Immerhin haben die Sozial­demokraten schon Termine und Räume für die anstehenden Parteitage gefunden – was wegen der Corona-Auflagen für alle Parteigeschäftsführungen ein echte Herausforderung war, nicht nur auf Landesebene. Bei der SPD hat man gleich für mehrere aufeinanderfolgende Tage Räume in Moabit gemietet, wo Ende September Schlag auf Schlag fünf große Kreisverbände mit über 100 Delegierten nacheinander ihre Treffen abhalten können.

CDU hat noch keinen Parteitagstermin

Bei der Berliner CDU in ihrer immer noch neuen Geschäftsstelle nahe dem Lietzensee suchen sie noch nach einem Termin für die Kandidatenkür – oder wollen sich zumindest nach außen hin noch nicht auf einen festlegen. Die Christdemokraten brauchen dabei noch größere Räume – sie haben bei Landesparteitagen rund 350 Delegierte, bei der SPD sind es knapp 280. Gegen Jahresende will sie ihren Spitzenkandidaten klären

Neben allen inhaltlichen Fragen und Diskussionen über das Wahlprogramm hat die Raumsuche auch die Grünen stark beschäftigt. Sie hätten gern ihre Kandidaten für das Abgeordnetenhaus und den Bundestag wie sonst auch bei einer Mitgliederversammlung gewählt – doch der Landesverband hat sich seit der jüngsten Wahl 2016 auf knapp 10.000 Mitglieder verdoppelt. Dem Vernehmen nach kommt es wegen der Corona-Abstandsregeln deshalb auch bei den Grünen zu einem klassischen Parteitag mit üblicherweise rund 140 Delegierten, und zwar am 28. November.

Wer sich dort zur Wahl stellt, ist weiter offen. Theoretisch könnte es zu einem offenen Wettstreit zwischen Pop und Kapek kommen. Solch ein Duell vor den Delegierten würde Journalisten äußerst gut gefallen, wäre aber ein Horrorszenario für Parteistrategen jeglicher Couleur: Die wollen bei diesem Termin keine Bilder von einem Schlagabtausch oder von Tränen produzieren, sondern solche von einer geschlossen auftretenden Partei. Ziel ist darum, sich vor dem Parteitag auf einen Spitzenkandidaturvorschlag zu einigen. Dem Vernehmen nach tagt dazu bereits eine Sechsergruppe aus den Doppelspitzen von Partei und Fraktion, also inklusive Kapek, sowie Pop und dem parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, Ex-Parteichef Daniel Wesener.

Die Linkspartei als dritter Partner in der rot-rot-grünen Koalition, derzeit in Umfragen im Wechsel mit der SPD auf Platz 3 oder 4, hat bereits für den 22. August zum Parteitag eingeladen. Das Thema „Spitzenkandidatur“ steht dort, im Neuköllner Estrel, Berlins größtem Hotel, allerdings nicht auf der Tagesordnung – darum soll es erst Anfang Dezember gehen. Naheliegendste Nummer 1 wäre Kultursenator Klaus Lederer.

Unwägbarkeit Bundestagsverkleinerung

Bei der CDU haben Parteichef Kai Wegner und sein Generalsekretär Stefan Evers lange zu verstehen gegeben, man sei auf der Suche nach einem Spitzenkandidaten. Aber eine Lösung von der Bundesebene – 2006 mit einem Staatssekretär nicht erfolgreich – scheint es nicht zu geben. Und auch von einem hiesigen populären Kandidaten im CDU-Umfeld, wie schon in anderen Städten erprobt, ist nichts zu hören. Klappt sonst nichts, liefe die Sache halbwegs automatisch auf Wegner als Parteichef hi­naus. Der ist zwar gerade in Urlaub, verblüffte aber zu Wochenbeginn auch Parteifreunde, als er, der lange für Friedrich Merz als künftigen CDU-Bundesvorsitzenden warb, sich via Tagesspiegel plötzlich für Jens Spahn als Parteichef begeistern konnte.

Ganz im Hintergrund all dieser Wahlen und Überlegungen steht eine Unwägbarkeit, die ausgerechnet Nochregierungschef Müller und seine Bundestagsambitionen treffen würde: Werden Pläne zu einer Bundestagsverkleinerung noch im nächsten Jahr Wirklichkeit, würde in Berlin mindestens ein Wahlkreis wegfallen – und das wäre offenbar wegen seiner vielen Grenzen zu den Nachbarbezirken ausgerechnet der mutmaßliche Müller-Wahlkreis in Charlottenburg-Wilmersorf.

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