piwik no script img

Abfindung für kritischen JournalistenWillkommen in Berlusconien

Zu kritisch, zu erfolgreich: Der Starjournalist Michele Santoro hat sich zu oft über den Silvio Berlusconi lustig gemacht. Jetzt drängt der Cavaliere den TV-Talker vom Bildschirm.

Tanzt Berlusconi nicht mehr lange auf der Nase herum: Starjournalist Michele Santoro. Bild: ap

ROM taz | So geht öffentliches Fernsehen im Berlusconi-Land: Italiens Staatssender RAI bringt jetzt eine Millionensumme für einen seiner wichtigsten Quotenbringer auf - aber nicht, um ihn zu halten, sondern um ihn so schnell wie möglich loszuwerden. 2,5 Millionen Euro Abfindung soll der 59 Jahre alte Starjournalist Michele Santoro dafür erhalten, das er von Juni an nicht mehr mit seiner Polit-Talkshow "Anno Zero" auf Sendung geht.

Jeden Donnerstagabend schalteten bisher 15 bis 20 Prozent der Zuschauer RAI 2 ein, um dort zu erleben, wie Santoro dem Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi das Leben sauer machte. Immer wieder drehten sich die hitzigen Studiodiskussionen um Berlusconis Prozesse, die Versuche der Regierung, die Justiz zu gängeln und die von der Rechtskoalition totgeschwiegenen Folgen der Krise. Bei Santoro kam letztes Jahr auch jenes Callgirl zum ersten Mal in Italiens Fernsehen zu Wort, das Berlusconi erst im Bett und dann mit seinen Enthüllungen schlaflose Nächte bereitet hatte. Und als wäre das noch nicht genug, hatte Santoro sich in den letzten Jahren auch noch den Journalisten Marco Travaglio ins Boot geholt; Travaglio kennt wie kein zweiter im Land die dunklen Seiten der Geschäfte Berlusconis.

Da überrascht es nicht, dass Berlusconi seit nunmehr acht Jahren versucht, Santoro mundtot zu machen. Schon einmal hatte der Ministerpräsident Erfolg, in seinen Regierungsjahren 2001 bis 2006. "In krimineller Weise" nutze Santoro das Fernsehen, hatte Berlusconi 2002 auf einer Pressekonferenz gedonnert. Die willfährige RAI-Spitze verbannte den unbequemen Journalisten sofort vom Bildschirm. Doch Santoro zog vors Arbeitsgericht, und das befand - einmalig in der Geschichte der RAI -, dass der Talker ein Recht darauf habe, weiterbeschäftigt zu werden und zur Primetime mit einer politischen Talkshow auf RAI 2 auf Sendung zu gehen.

Seit Berlusconi im Jahr 2008 erneut die Macht eroberte, will er Santoro abermals abschießen. Dem Ministerpräsidenten hilft dabei, das der eitle Journalist auch bei der Linken nicht sonderlich beliebt ist. Vor allem aus der größten Oppositionspartei, der Demokratischen Partei, heißt es immer wieder, mit seiner schrillen Art treibe Santoro bloß Wähler ins Berlusconi-Lager. Doch der angebliche Nutznießer hat dies nie bemerkt. Seit März 2010 läuft ein Ermittlungsverfahren gegen Berlusconi und ein Mitglied der Medienaufsicht, die versucht haben sollen, Santoro mit unlauteren Mitteln aus dem Sender zu kegeln.

Politikern aus dem Berlusconi-Lager ist es mittlerweile untersagt, an den "Anno Zero"-Diskussionsrunden teilzunehmen. In den Wochen vor der Regionalwahl Ende März verfügten Berlusconis Parlamentarier gar den generellen Stopp aller Polit-Talkshows - bloß um die eine störende Sendung abzuwürgen.

Solche Anstrengungen sind in Zukunft nicht mehr nötig. Santoro einigte sich jetzt mit der RAI auf eine "einvernehmliche Vertragsauflösung". Neben der Abfindung wird der Staatssender auch Werbeeinnahmen in Millionenhöhe verlieren. Doch das stört Berlusconi nicht. Schließlich können seine Privatsender davon nur profitieren - ebenso wie der Politiker Berlusconi vom Verstummen einer der letzten kritischen Stimmen im Fernsehen profitiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • R
    rugero

    Ich erinnere mich noch an Abende, an denen sich Bayern aus dem ersten Programm der ARD ausklinkte, weil eine mißliebe Satiresendung bun desweit ausgestrahlt wurde.

  • H
    Hallo

    Erinnert mich an gängige Praxis aus CDU-Kreisen.

    Ups.

  • A
    Andre

    Na ja, irgendwann löst sich das Problem "Berlusconi" auf natürliche Art und Weise. Die Frage ist nur, ob es danach besser wird...

  • D
    duke

    - Causa Brender

    - Liz Mohn

    - Friede Springer

     

    Warum nach Italien schauen? :)