Abfallpolitik der EU: Erstmal kein Recht auf Reparatur
In Brüssel wird über ein Gesetz für weniger Müll verhandelt. Umweltverbände kritisieren die deutsche Position.
Dabei geht es um die Ökodesign-Richtlinie, die derzeit in Brüssel überarbeitet wird. Sie gilt Umweltexperten als wichtiges Instrument für eine nachhaltigere Industrieproduktion in Europa. Bislang machte sie lediglich Vorschriften zum Energieverbrauch etwa von Lampen, Staubsaugern oder Kühlschränken. Künftig soll die Richtlinie erweitert werden: Zum Aspekt „Energieeffizienz“ soll der Aspekt „Ressourcen-Schonung“ treten.
Ziel der Richtlinie ist, dass Elektrogeräte länger als bisher genutzt werden – gemäß der ersten Stufe der Abfallhierarchie, die die „Vermeidung“ von Müll als wichtigstes Ziel vorgibt. „Alle Studien zeigen: Je länger ein Fernseher oder eine Waschmaschine genutzt werden, desto besser ist ihre Ökobilanz“, sagt Siddharth Prakash, beim Freiburger Öko-Institut zuständig für nachhaltigen Konsum. Auch eine höhere Energieeffizienz gleiche den Einsatz von Rohstoffen und Energie zur Herstellung neuer Geräte nicht aus, sagt Prakash. Insofern sei es wichtig, dass Produkte langlebig und reparaturfreundlich hergestellt würden.
Die EU-Kommission wollte dies mit verschiedenen Vorgaben und Anforderungen an die Hersteller erreichen. In einem Entwurf zur Richtlinie für Waschmaschinen vom August 2018 hieß es laut Europäischem Umweltbüro (EEB) beispielsweise, es sollten Voraussetzungen geschaffen werden, um die Reparatur, die Rückgewinnung von Material und das Recycling zu ermöglichen. In dem neusten Entwurf ist die Reparatur gestrichen, übrig sind nur Recycling und Material-Rückgewinnung.
Eine einzigartige Möglichkeit
Ursprünglich wollte die EU-Kommission von den Herstellern detaillierte Beschreibungen fordern, in welchen Schritten Waschmaschinen auseinandergebaut und wie sie repariert werden könnten. Im aktualisierten Vorschlag werden nur noch allgemeine Demontage-Tipps verlangt. Auch in Vorgaben für andere Elektrogeräte hat die Kommission an vielen Stellen Rechte gestrichen, die sie etwa freien Reparaturwerkstätten oder Verbrauchern gewähren wollte.
Siddharth Prakash, Öko-Institut
So sollten diese selbst in die Lage versetzt werden, Lichtquellen aus Leuchten ausbauen zu können. Viele Lampen sind inzwischen so mit ihrer Lichtquelle verbaut, dass sie nicht mehr zu trennen sind – geht die Birne kaputt, landet die ganze Lampe auf dem Müll. Diese Anforderung findet sich in dem neuen Entwurf nicht mehr. „Wir haben jetzt in Europa die einzigartige Möglichkeit, Hindernisse zu beseitigen, die Reparaturen an Elektrogeräten verhindern“, sagt Fayole von ecos. Der Ball liege jetzt im Feld der Mitgliedsstaaten, „und für ambitionierte Regeln brauchen wir die Unterstützung Deutschlands“. Im Dezember und im Januar verhandeln Arbeitsgruppen in Brüssel jeweils über Vorgaben für die einzelnen Geräte.
Für die deutsche Regierung verhandeln das Wirtschafts- und das Umweltministerium (BMU), wobei Ersteres den Hut aufhat. Während das Wirtschaftsressort mitteilt, die Abstimmung mit dem BMU laufe noch und werde nicht kommentiert, spricht sich das BMU für ambitionierte Vorgaben aus. „Das BMU setzt sich für die Langlebigkeit und Reparierbarkeit der Produkte ein“, teilt eine Sprecherin mit. Grundsätzlich solle auch der Endkonsument Zugang zu Ersatzteilen bekommen. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsressort habe man sich in einer Stellungnahme für Kühlgeräte auf eine Liste von Ersatzteilen verständigt, die seitens der Hersteller den Endkonsumenten zugänglich gemacht werden sollen, so die Sprecherin.
Für ambitionierte Vorgaben in Sachen Ökodesign haben sich auch Unterzeichner einer Petition für ein „Recht auf Reparatur“ eingesetzt, die kürzlich den Petitionsausschuss des Bundestages erreichte. Die Ausschussmitglieder zeigten sich dabei wenig sattelfest in Sachen Ressourcenschutz.
In einer Kreislaufwirtschaft sei „Obsoleszenz nachhaltigkeitspolitisch bedeutungslos, da die Ressourcen nach einer gegebenenfalls auch nur kurzen Nutzungsdauer wieder in den Kreislauf zugeführt werden könnten“, formulierte der Ausschuss mit den Stimmen von Union, SPD, AfD und FDP. Obdoleszenz meint die Alterung von Produkten. Die stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, Martina Stamm-Fibich (SPD) teilt mit, vor der Entscheidung sei eine Fachbewertung des Justizministeriums eingeholt sowie eine Studie des Umweltbundesamtes hinzugezogen worden.
Prakash vom Öko-Institut erstaunt das sehr, war er doch mit der Erstellung der UBA-Studie befasst. „Nur darauf zu achten, dass Geräte recycelbar“ seien, reiche nicht aus, so der Nachhaltigkeitsexperte, „unter anderem, wenn man die aktuelle Sammelquote sowie Rohstoffverluste während der Recyclingkette von Elektrogeräten betrachtet“. Ab nächstem Jahr muss die Bundesrepublik 65 Prozent des Durchschnittsgewichts der in den drei Vorjahren in Verkehr gebrachten Elektrogeräte einsammeln. Dieses Ziel wird sie, gemessen an den bisherigen Sammelquoten von knapp 45 Prozent im Jahr 2016, deutlich verfehlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles