Abdel-Samad bleibt verschwunden: Bundesregierung fordert Aufklärung
Abdel-Samads Bruder nährt Spekulationen über ein mögliches Entführungsmotiv. Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes ist eingeschaltet.
BERLIN taz | Von dem deutsch-ägyptischen Autor Hamed Abdel-Samad, der seit Sonntag in Kairo als vermisst gilt, fehlt weiter jede Spur. Weil Abdel-Samad als Kritiker der Muslimbrüder und des Islams bekannt ist, halten Freunde und Beobachter eine Entführung durch radikale Islamisten für wahrscheinlich.
Dafür spricht, dass zwei bekannte ägyptische Salafisten-Prediger den in Ägypten bis dahin kaum bekannten Autor im Juni quasi für „vogelfrei“ erklärt hatten, nachdem dieser bei einer Veranstaltung in Kairo über „religiösen Faschismus“ gesprochen hatte, anschließend erhielt er Morddrohungen.
Allerdings steht die islamistische Szene in Ägypten unter starkem Druck, seit im Juli der gewählte Präsident Mursi gestürzt wurde und dort das Militär regiert.
Hamed Abdel-Samads in Kairo lebender Bruder Mahmud brachte nun ein anderes mögliches Entführungsmotiv ins Spiel: Als Täter kämen entweder radikale Islamisten infrage – oder eine Gruppe von Leuten, mit denen sein Bruder Geschäfte gemacht, sich aber wegen ausstehender Schecks überworfen habe, sagte er Montag einem ägyptischen TV-Sender. Der Streit sei bereits vor einem Gericht im Kairoer Vorort al-Chanka gelandet.
Leibwächter war nicht dabei
Was den Fall so mysteriös macht, ist die Tatsache, dass Hamed Abdel-Samad in Ägypten zuletzt von einem Leibwächter begleitet worden sein soll. Er habe jedoch in der Nähe des Al-Azhar-Parks in Kairo eine Verabredung gehabt, zu der er diesen nicht habe mitnehmen wollen, erklärte sein Bruder.
Mit wem Hamed Abdel-Samad verabredet war, konnte der Bruder nicht sagen. Vor seinem Verschwinden habe Hamed Abdel-Samad ihm aber am Telefon berichtet, er fühle sich verfolgt.
Auch aus Sicherheitskreisen in Kairo hieß es, das Innenministerium habe Abdel-Samad einen Leibwächter zur Seite gestellt. Der Bruder des Schriftstellers berichtete nun am Montagabend, er selbst sei zwölf Stunden lang von der Polizei zu dem Fall befragt worden.
Die Bundesregierung forderte von Ägypten „schnellstmöglich“ Aufklärung über das Schicksal des Publizisten, auch der Krisenstab des Auswärtigen Amts hat sich eingeschaltet.
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