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ARD will Radiosender Cosmo abschaffenSound der Welt vor dem Aus

Sparpläne der ARD bedrohen den Radiosender Cosmo, der sich an ein junges, migrantisches Publikum richtet. Prominente kämpfen für seinen Erhalt.

Falsches Signal: Die ARD will den Sender Cosmo einstellen Foto: Philipp Watermann/Westend61/imago

Berlin taz | Die ARD ist im Zwiespalt: Einerseits muss sie dringend sparen, viel sogar, das ist spätestens klar, seitdem sich die Länder auf einen neuen Rundfunkstaatsvertrag einigen wollen. Andererseits hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch die Aufgabe, ein vielfältiges, von kapitalistischen Zwängen freies Programm zu fördern, gerade auch in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Spaltung.

Der Radiosender Cosmo steht gerade inmitten dieses Konflikts und es könnte sein Ende bedeuten. Die In­ten­dan­t:in­nen der ARD werden am 24. und 25. Juni entscheiden, welche der Programme zusammengelegt oder gänzlich gekürzt werden sollen. Davon könnten bis zu 17 Radiowellen betroffen sein. Ob es Cosmo trifft, ist zwar bisher noch nicht klar, auch auf der letzten Rundfunkratssitzung zu dem Thema am vergangenen Mittwoch wurde nicht preisgegeben, um welche Sender es konkret geht.

Cosmo hat laut der Media-Analyse 2025 Audio I im eigenen Sendegebiet nur einen durchschnittlichen Marktanteil von 0,2 Prozent – ein Wert am unteren Ende der ARD-Radioskala. In Zeiten knapper Budgets ist das ein entscheidender Faktor, befürchten viele Medienschaffende. „Auch in der Belegschaft gibt es eine große Sorge, dass es Cosmo treffen könnte“, heißt es aus Redaktionskreisen.

Junges, queeres, internationales Publikum

Der interkulturelle Radiosender Cosmo ist ein Gemeinschaftsprojekt von WDR, Radio Bremen und RBB, hat Redaktionen in Köln, Berlin und Bremen und vereint Jour­na­lis­t:in­nen aus über 20 Herkunftsländern. Das Programm ist eines der wenigen Angebote im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, das sich gezielt an ein internationales Publikum richtet, queere und migrantische Themen sind fest verankert.

Beispielsweise gibt es das Refugee Radio, das Informationen für Geflüchtete auf Arabisch sendet. Cosmo organisiert auch regelmäßig Konzerte mit internationalen Künstler:innen, die dann im Radio übertragen werden. Auch einen Instagram-Account mit über 90.000 Fol­lo­wer:­in­nen betreibt der Radiosender. „Es bleibt völlig unklar, wie es mit den Programmen im Digitalen weitergehen kann, wenn der Radiosender tatsächlich nicht mehr gesendet werden sollte“, heißt es aus der Redaktion.

„Cosmo ist ARD-weit das einzige Radioprojekt, das Menschen erreicht, die sich im ÖRR oft nicht repräsentiert sehen“, schreibt der Verband Neue Deutsche Me­di­en­ma­che­r:in­nen in einem Post auf Instagram dazu. Viele Menschen fühlen sich in den Programmen des Öffentlich-Rechtlichen nicht repräsentiert. Das ergab jüngst eine Umfrage der ARD – wohlgemerkt nur unter deutschsprachigen Menschen. Demnach beantworten nur 42 Prozent in Ostdeutschland und 44 Prozent in Westdeutschland die Frage „Die ARD gibt Menschen wie mir eine Stimme“ mit Ja.

Würde Cosmo abgeschaltet, bliebe eine Lücke, die kein anderer Sender schließen könnte

In Deutschland leben 2025 laut Statistischem Bundesamt 21,2 Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte. Unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist es jede dritte Person. Im Sendegebiet Nordrhein-Westfalen ist es sogar jeder zweite junge Mensch. Natürlich muss es für diese Menschen ein Radioprogramm geben. Würde Cosmo wirklich abgeschaltet, gäbe es eine Lücke, die kein anderer Sender schließen könnte.

Dass Cosmo vor einem möglichen Aus steht, bewegt dieser Tage viele. „Wie überall sonst wird auch im Journalismus traditionell zuerst bei der Jugend gespart“, schreibt die Journalistin Özge İnan in einem Post auf Instagram. Eine Petition, die von Beschäftigten des Senders ins Leben gerufen wurde, ist schnell von über 300 Menschen unterzeichnet worden. Darunter etwa Herbert Grönemeyer, Fatih Akin, Alice Hasters und die Influencerin Gazelle. In der Petition fordern die In­itia­to­r:in­nen auf, den Programmverantwortlichen – den In­ten­dan­t:in­nen von WDR, Radio Bremen und RBB – zu schreiben.

Wie es mit Cosmo weitergeht, wird sich Ende Juni zeigen. Fest steht: Der mögliche Verlust des Senders betrifft nicht nur seine Hörer:innen, sondern wäre ein Signal für die Prioritätensetzung im künftigen öffentlich-rechtlichen System.

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6 Kommentare

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  • 0,2% der Hörer, das klingt nach sehr wenig.



    Wenn man dann noch hinzudenkt, dass es zu früher kaum noch Radiohörer gibt, ist diese Zahl noch deprimierender



    ich persönlich höre diesen Sender 2-3 mal im Monat, bin Deutscher



    Aber hören wirklich Ausländer, Migranten etc. diesen Sender?



    Oder hören sie nicht viel gezielter ihre persönlichen Sender aus ihrer ehemaligen Heimat?



    Würde man ARD und ZDF zusammen legen, dann könnte man so viel einsparen, dass ein Nischensender wie Cosmo nicht weiter ins Gewicht fällt und der Bildungsauftrag der ÖR erfüllt werden könnte.

  • Also bei den GEZ Gebühren will keiner mehr eine weiter Erhöhung! Deshalb müssen Radiosender und Fernsehprogramme eingestellt werden. Und da kann man nach Kosten im Verhältnis zur Reichweite eine vernünftige Entscheidung treffen.

    Und Cosmo hat keine Reichweite.



    "Der Radiosender COSMO erreicht in Deutschland täglich etwa 175.000 Hörer und hat eine Reichweite von 0,2 Prozent."

    Irgendwo muss man halt mit dem sparen anfangen

  • Hallo,

    bei 0,2% Anteil könnte man meinen: das ist wenig. Ist es aber nicht. Zum einen: das Budget liegt bei 0,4%. Und genau dieses Missverhältnis führt dazu, dass kaum noch in COSMO investiert wird. Über Jahre wurde der Sender regelrecht kaputtgespart. Dazu kamen Reformen, die das Programm immer mehr auf Mainstream getrimmt haben. Statt die eigentliche Zielgruppe konsequent zu bedienen, lief immer häufiger austauschbare Musik, z. B. 90er-Hits, die man überall hören kann. Das hat natürlich langfristig auch das Stammpublikum vergrault. Man könnte fast meinen, die Senderleitung wollte COSMO langsam auslaufen lassen.

  • Schade, bin weder AusländerIn, noch Flüchtling, noch jung, Cosmo ist jedoch der einzige WDR Sender, den ich noch ab und zu höre.



    Warum kann man nicht mal am Non-Stop-Quasselsender WDR 2 sparen. Die belanglose Kaufhausmusik und die uninteressanten Laberbeitäge über uns "im Westen" höre ich als typische Zielgruppe "alt, 69 Jahre, weiß, Mann, deutsch" nie. Freie Sender, Musikapps jenseits von Spotify und Co gibt's genug. Eigentlich befürworte ich auch öffentlich rechtlich. Aber ich glaube unser Land verträgt wesentlich mehr Niveau, Kunst und Anspruch. Das WDR 2 auch noch zusätzlich das Maximum an Werbung dazuballern muss gefällt mir persönlich gar nicht. Vielleicht lässt sich ja das Geld von WDR 2ein wenig zu Cosmo umschichten.



    Liebe. Grüße von Uwe.

  • „Cosmo ist ARD-weit das einzige Radioprojekt, das Menschen erreicht, die sich im ÖRR oft nicht repräsentiert sehen“. Der Sender erreicht diese Menschen eben nicht, sonst wären es mehr als 0,2% Marktanteil im Sendegebiet. 99,8 % ist da wohl der Marktanteil der anderen Sender.

  • Höre das ab und zu mal. Wer ist der/die andere Hörer*In?