ARD-Krimi „Polizeiruf 110“: Jetzt ist irgendwann
Dieser „Polizeiruf“ hinterlässt am Ende ein Gefühl der Wärme statt Verzweiflung – auch, weil hier gleich mehrere Geschichten zu Ende gehen.
Veit Bukow wartet in seinem olivgrünen Lada Niva, dazu ein paar Takte „Solo Sunny“, dieses melancholische Lied über ein fernes Irgendwann, „someday“, das gerade eh dauernd lief, weil die große „Solo Sunny“-Darstellerin Renate Krößner zuerst 75 wurde und dann starb.
Wie treffend diese Songbegleitung ist, gehört zu den großartigen präzisen Details dieser Rostocker Polizeiruffolge: In „Der Tag wird kommen“ gehen Geschichten zu Ende – gleich mehrere sogar. Dazu gehört, dass Veit Bukow, der Kleinganovenvater von Kommissar Bukow (Charly Hübner) seinen letzten Auftritt hat. Ein Jammer, dass somit Klaus Manchen, einer der legendärsten ostdeutschen Schauspieler, nicht mehr Teil des Ensembles sein wird (Ersatz: „Der Blaue“ von 1994, mit ihm, Krug, Mühe, Becker).
Der krebskranke Veit Bukow ist so etwas wie das gute Gewissen dieser Folge, der seinen Sohn, die aktuelle Story und das Rostocker Polizeirufuniversum als Ganzes in neue Richtungen schubst. Drehbuchautor Florian Oeller und Regisseur Eoin Moore schaffen das bemerkenswerterweise, ohne dass sich die einzelnen Stränge dabei das Licht nehmen.
Da ist zum einen Katrin König (Anneke Kim Sarnau). Sie laboriert immer noch an ihrem schlechten Gewissen: Vor zwei Jahren schob sie dem Mörder Guido Wachs einen anderen Mord unter, damit er überhaupt hinter Gitter kommt (in „Für Janina“). Ekzem, Paranoia, Schlaflosigkeit, Angstzustände, Pillenberge, es wird nicht besser. Jetzt nun: die endgültige Konfrontation mit Wachs im Knast, bis Bukow eingreift – und die Chose beendet. Ein für alle Mal.
„Polizeiruf 110“: „Der Tag wird kommen“, So., 14. Juni 2020, 20.15 Uhr, ARD
Alle Teilgeschichten leuchten
Überhaupt: Die schnodderige Fürsorge füreinander, die die beiden seit Jahren an den Tag legen, die distanzierte Nähe dieses sich siezenden Teams, auch sie landet in den letzten Minuten in einem neuen Aggregatzustand – eine Szene, die wieder beweist, wie herausragend Sarnau und Hübner sind.
Ja, stimmt, über den Fall, den die beiden aufklären, ist hier noch keine Silbe gefallen. Die Frau, die König frühmorgens beim Joggen am Hafen sah, wurde erstochen, nur kurz darauf. Das traumatische Leben, das sich dahinter verbirgt, der Verlust einer Familie, die unendliche Sehnsucht, die Härte anderer Menschen, auch das: atemraubend.
Um es noch einmal zu wiederholen: Es gelingt etwas Rares in diesen anderthalb Stunden. Alle Teilgeschichten können hell leuchten. Und das Gefühl, das am Ende bleibt, ist nicht Verzweiflung, wie so oft bei Sonntagabendkrimis. Sondern Wärme.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe