ARD-Gerichtsdrama über Sterbehilfe: Wem gehört das Sterben?
In der ARD-Verfilmung von Ferdinand von Schirachs „Gott“ werden wieder große Fragen gestellt. Doch die sind längst beantwortet, bemängelt unser Autor.
![Zwei Männer sitzen in einem Gerichtssaal im ARD-Film "Gott" Zwei Männer sitzen in einem Gerichtssaal im ARD-Film "Gott"](https://taz.de/picture/4515857/14/Ferdinand_von_Schirach_Sterberecht_selbstbestimmtes_Sterben_Sterbehilfe_Buchverfilmung_-1.jpeg)
Wie würden Sie entscheiden?“ – das war einmal eine rührige Gerichtsshow in einer Zeit, bevor es Gerichtsshows gab. Das Studiopublikum durfte per Knopfdruck in Konkurrenz zu den echten Richtern entscheiden.
Der erfolgreiche Schriftsteller – und gelernte Rechtsanwalt – Ferdinand von Schirach konnte sich mit der Einstellung des Programms offenbar nie abfinden. 2016 war es nach der Doppelaufführung in zwei deutschen Theatern so weit. Die ARD zeigte den Film „Terror“.
Verhandelt wurde der fiktive Fall eines Kampfpiloten, der ein entführtes Passagierflugzeug mit Kurs auf die voll besetzte Münchner Allianz Arena abgeschossen hatte. Das Bundesverfassungsgericht hatte das entsprechende – reale – Gesetz bereits zehn Jahre zuvor abgeschafft und nur noch mal klargestellt, was Jurastudenten im ersten Semester lernen: keine Abwägung von Leben gegen Leben.
86,9 Prozent der von Schirach manipulierten Fernsehzuschauer kamen zu einem anderen Urteil. Den Rechtsstaat vorzuführen und sich dabei auf die Mehrheit zu berufen: in Polen besorgt dieses populistische Geschäft die Regierung – in Deutschland vorerst nur ein Erfolgsschriftsteller, mit Unterstützung der ARD.
Lars Eidinger in schnöseliger Paraderolle
Das war der erste Streich. Der zweite, mit dem bescheidenen Titel: „Gott von Ferdinand von Schirach“, folgt. Wieder nach der Theater-Doppelaufführung und wieder mit Lars Kraume als Regisseur. Auch hier ist der Plot recht knapp. Ein älterer Herr (Matthias Habich) möchte nach dem Tod seiner Frau nicht mehr leben und sich bei seinem Suizid helfen lassen. Den Paragrafen 217 StGB, der seit 2015 die „geschäftsmäßige Förderung“ von Suizid verbietet, hat das Bundesverfassungsgericht am 26. Februar dieses Jahres abgeschafft.
Doch von Schirachs Konzession besteht darin, dass er seine (Gerichts-) Verhandlung vom Gericht zum Deutschen Ethikrat verlegt. Dort tragen die Experten, eine Juristin (Christiane Paul), ein Mediziner (Götz Schubert) und ein Theologe (Ulrich Matthes) die Thematik angemessen ernst und sachlich vor.
Ausgerechnet der Rechtsanwalt, eine Paraderolle für Lars Eidinger als selbstgefälligen Schnösel mit Hermès-Krawatte, wiederholt dann das, was im Februar bereits entschieden wurde: „Wem, wenn nicht uns, gehört unser Sterben?“
Merke: Rhetorische Fragen bedürfen keiner Antwort – es sei denn, sie stammen von Ferdinand von Schirach, der sie seinem eigenen Publikum stellt.
„Gott“ ist am 23. 11. um 20.15 Uhr in der ARD zu sehen.
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