ARD-Doku über „Mein Kampf“: Führen Sie auch Hitler?
Was, wenn man „Mein Kampf“ im Buchhandel kaufen kann? Eine ARD-Doku fragt nach. Leider interessiert sich der Film nicht für juristische Details.
Ein Stapel dicker Bücher in einem Buchladen. Ein Schild darauf verkündet, dass es sich um Adolf Hitlers „Mein Kampf“ handelt. Mit dieser Dummie-Auslage beginnt Klaus Martens seinen Film, beobachtet Reaktionen. Eine Kundin befürchtet, das Buch könne Leute inspirieren, „die das nicht inspirieren sollte“.
Nach 70 Jahren werden Urheberrechte an „Mein Kampf“ auslaufen, über die derzeit Bayerns Finanzministerium wacht. „Ab dem 1. Januar 2016 wird die Hetzschrift wieder frei verkäuflich in den deutschen Buchläden ausliegen“, prophezeit die ARD: „Es sind lediglich die Urheberrechte, die den Abdruck von Texten aus ’Mein Kampf‘ verhindern.“ Die Bayerische Staatskanzlei vertritt eine dezidiert andere Rechtsauffassung. Und widerspricht damit der Prämisse des Films.
Martens hat einen Auschwitz-Überlebenden gefragt, der sagt: „Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass das Buch erscheint. Ganz im Gegenteil. Ich bin sogar sehr dafür.“ Bertelsmann bestreitet ein Interesse des Konzerns an „Mein Kampf“ – vertreibt aber über seine Verlagsmarke Pimlico bereits eine englischsprachige Ausgabe. Ein Neonazi-Aussteiger glaubt nicht an einen Run früherer Gesinnungsgenossen auf das Buch – „weil es nun einmal so ist, dass viele innerhalb der Bewegung sich weitaus lieber besaufen als bilden.“
Das Problem des Films: Martens interessiert sich für gesellschaftspolitische Implikationen, nicht für juristische Details. Und verkürzt so auf etwas unredliche Weise.
„Die Story im Ersten: Countdown zu einem Tabubruch“, Montag, 13. April, 22:45 Uhr (45 Min.).
In der Diskussion, ob es eine quasi offizielle, staatlich finanzierte, von Wissenschaftlern kommentierte historisch-kritische Ausgabe von „Mein Kampf“ geben soll, macht aber genau das den möglicherweise entscheidenden Unterschied: ob andere Ausgaben von Leuten für „Leute, die das nicht inspirieren sollte“, juristisch zu verhindern sein werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
HTS als Terrorvereinigung
Verhaftung von Abu Mohammad al-Jolani?