ARD-Doku über Diamantendiebe: Selbst Interpol bewundert sie

Eine großartige Doku blickt ins Innenleben der „Pink-Panther“-Bande. Und sie schlägt den Bogen zum Jugoslawien der 80er.

Ungewöhnliche Ästhetik, die aber gut funktioniert: „Meisterdiebe im Diamantenfieber – Die Geschichte der Pink Panther“. Bild: SWR/Roast Beef Productions

Die Bilanz kann sich sehen lassen: In den vergangenen zehn Jahren haben die „Pink Panther“ mehr als 150 Überfälle auf Juweliergeschäfte in Europa, Asien und den USA durchgeführt und dabei Beute im Wert von mehr als 250 Millionen Dollar gemacht. Unter anderem räumten sie im Jahr 2003 den Juwelier Graff in London leer, nahmen dort Diamanten im Wert von 30 Millionen Dollar mit.

Es war der bis dahin größte Juwelenraub in der Geschichte Großbritanniens sowie der Beginn einer gewissen Popularität der Panther, die seit Ende der 90er Jahre existieren. Ihren Namen haben ihnen Presse und Polizei verpasst, nachdem Ermittler einen gestohlenen Ring in einer Cremedose fanden – eine ähnliche Episode gibt es in der Krimireihe mit Peter Sellers, die in Deutschland „Der rosarote Panther“ heißt.

Vor ein paar Jahren wurde die britische Dokumentarfilmerin Havana Marking durch einen Zeitschriftenartikel auf die kriminelle Vereinigung aufmerksam. Nun legt sie mit ihrer 90-minütigen Produktion „Meisterdiebe im Diamantenfieber – Die Geschichte der Pink Panther“ einen spannenden Einblick in deren Innenleben vor.

Dafür ist es Marking gelungen, ausführliche Interviews mit Mitgliedern des aus Serbien und Montenegro stammenden Syndikats zu führen. Damit ihre Gesprächspartner nicht identifiziert werden können, ließ Marking die Gespräche von Schauspielern nachstellen, diese Szenen zusätzlich als Computeranimationen darstellen.

Kommandostruktur für 200 Mitglieder

Das klingt vielleicht kompliziert und künstlich, ist aber ein gelungener Effekt. Die Panther erzählen davon, wie sie ihre Coups monatelang planen, welche zentrale Rolle Frauen in der Organisation spielen, wie die Kommandostruktur bei den etwa 200 in Zellen aufgeteilten Mitgliedern funktioniert.

Und auch die Gegenspieler der Bande hat Marking bei ihren umfangreichen Recherchen begleitet: Die Ermittler von Interpol konnten seit 2007 immerhin 50 Panther verhaften. Ihre Haltung gegenüber den Juwelendieben scheint eine Mischung aus Abscheu, professioneller Gegnerschaft und Bewunderung zu sein.

Das allein ist schon faszinierend und wird wirkungsvoll und spannend erzählt. Aber Marking will mehr: „Alle Mitglieder der Pink Panther kommen aus derselben Region und haben im damaligen Jugoslawien dieselbe Geschichte erlebt“, sagt sie. „Ich glaube nicht an Zufälle und gehe davon aus, dass diese Art von Verbrechen in dieser Balkanregion aufgrund bestimmter historischer Entwicklungen entstanden ist – das hat mich fasziniert.“

Von Tito bis heute

Und so wird ein großer Bogen geschlagen, vom Jugoslawien unter Tito bis zum Auseinanderbrechen des Staates ab Mitte der 80er Jahre, das Marking als ursächlich für die Gründung der Bande betrachtet. „Keiner wäre unter anderen Umständen ein Pink Panther geworden“, sagt sie. „Die Konflikte und die Armut in ihrem Land haben Kriminalität hervorgebracht, und die Menschen mussten sich entscheiden, wie sie in diesem Chaos überleben wollten.“

Marking beherrscht die Kunst des Differenzierens, was gerade bei diesem Thema gar nicht so selbstverständlich ist. Weder dämonisiert sie die Panther, noch liegt ihr daran, die teilweise brutal agierenden Diamantenräuber zu glamourösen Gentlemen-Gangstern zu stilisieren. Sie ordnet die Taten sachlich und überzeugend in einen sozialhistorischen Kontext ein – und so gelingt ihr auf eindrucksvolle Weise eine außergewöhnliche Verknüpfung von Banden- und Zeitgeschichte.

Dienstag, 2. Juli, 22.45 Uhr, ARD: „Meisterdiebe im Diamantenfieber – Die Geschichte der Pink Panther“

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