ANC-Debakel bei den Wahlen in Südafrika: Zeitenwende in Südafrika
Dem ANC gebührt Respekt, dass er sein Wahldesaster akzeptiert. Doch nun ist unsicher, was auf Expräsident Zumas Kampfansage folgt.
N och nie hat in Afrika eine ehemalige bewaffnete Befreiungsbewegung die Macht an der Wahlurne wieder abgegeben. Wahlmanipulation und Fälschung, Parteienmonopol und Staatsterror, Korrumpierung und Einschüchterung – die Mittel zum Machterhalt sind vielfältig, von Simbabwe bis Eritrea, von Algerien bis Angola. Umso lobenswerter ist es, dass Südafrikas ANC (African National Congress) jetzt sein Wahldebakel umstandslos akzeptiert.
Vor 30 Jahren bejubelte die Welt Südafrikas friedlichen Übergang von der Apartheid-Gewaltherrschaft zur Mehrparteiendemokratie. Heute könnte das Land mit dem Übergang zu einer pluralen Regierung den Respekt zurückgewinnen, den es ansonsten längst eingebüßt hat. Doch die Zeichen stehen auf Sturm. Dem Niedergang des ANC entspricht kein Aufstieg einer neuen politischen Kraft, die das junge moderne Südafrika des 21. Jahrhundert verkörpern könnte.
Er ist das Ergebnis einer internen Spaltung. Präsident Cyril Ramaphosa und sein Vorgänger und Rivale Jacob Zuma standen sich jetzt erstmals mit zwei getrennten Parteien gegenüber. Deswegen rutschte der ANC von 57 auf 40 Prozent ab, während die neue Zuma-Partei 15 Prozent holte. Ramaphosa steht für unerträglichen Stillstand, aber Zuma steht für gefährlichen Rückschritt. Er ist ein gnadenloser Populist im Stile Donald Trumps.
Er missachtet Institutionen, schürt Ressentiments, hält sich selbst für unantastbar und geht über Leichen. Seit seiner gescheiterten Präsidentschaft zerstört er den ANC, erst von innen, jetzt von außen. Dass er seine neue Partei nach dem einstigen bewaffneten Flügel des ANC benannt hat, zeigt, dass er nichts Neues anbieten möchte. Vielmehr orientiert er sich an Altem, an aus der Zeit Gefallenem. Wenn er jetzt auch noch das Wahlergebnis infrage stellt, legt er die Axt an die politische Ordnung Südafrikas.
Hoffen auf eine Koalition
Es ist nicht sicher, dass der ANC dem nach 30 Jahren an der Macht etwas entgegenzusetzen hat. Die Alten sterben weg, die Jungen wenden sich ab. Bei Südafrikas ersten freien Wahlen hatte das Land 43 Millionen Einwohner, der ANC erhielt über 12 Millionen Stimmen. Jetzt sind davon gerade einmal 6,5 Millionen Stimmen übriggeblieben, bei 60 Millionen Einwohnern. Eine erfolgreiche ANC-Koalitionsbildung würde jetzt die Stärke von Südafrikas Demokratie unter Beweis stellen.
Oder aber es zeigt sich, dass der Kipppunkt erreicht ist, ab dem die einstige Befreiungsbewegung ihre integrative Kraft verliert. Dann schlägt die Stunde von Chaoten wie Zuma. Man kann Südafrikas Freiheitskampf nur wünschen, dass ihm ein so finsterer letzter Akt erspart bleibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld