A 100 wird schon wieder weitergedreht: Senat auf Speed
Noch bevor die Bauarbeiten für den 1. Teil der A-100-Verlängerung beginnen, beantragt Rot-Schwarz bereits Geld für den 2. Teil - mitten durchs Wohngebiet.
Die letzte Schlacht um den Weiterbau der Autobahn 100 bis zur Elsenbrücke ist gerade geschlagen, da ist die nächste Etappe schon in Vorbereitung. „Ich freue mich, dass der Senat die Anmeldung für den 17. Bauabschnitt für den Bundesverkehrswegeplan auf den Weg bringt“, sagte CDU-Fraktionschef Florian Graf am Donnerstag bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer. Dieser Bauabschnitt gilt als noch konflikträchtiger als der vor allem in den vergangenen dreieinhalb Jahren heftig diskutierte 16. Abschnitt zwischen Dreieck Neukölln und Treptower Park. Denn der führt teils durch Brachland, der 17. hingegen durch dicht bebautes Gebiet.
Der 16. Abschnitt hatte vor einer Woche im Bundestag die finale Hürde genommen: Die Grünen-Fraktion scheiterte mit einem Antrag, die mehr als 450 Millionen teure und fast allein vom Bund getragene Finanzierung zu kippen. Laut Graf wird es ab März Abbrucharbeiten und „zwischen Pfingsten und den Sommerferien“ den ersten Spatenstich geben. Seine CDU hatte vor einem Jahr in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD aber auch durchgesetzt, den Weiterbau nördlich der Elsenbrücke festzuschreiben. „Die Planungen für den 17. Bauabschnitt werden über den Bundesverkehrswegeplan gesichert“, steht auf Seite 34 des Koalitionsvertrags.
Die aktuelle Fassung dieses Verkehrswegeplans, in dem die A 100 bereits in der nachrangigen Kategorie „weiterer Bedarf“ enthalten ist, läuft jedoch 2015 aus. Wünsche für die Neuauflage müssen deshalb bis März 2013 beim Bundesverkehrsministerium angemeldet werden. „Und das wird auch passieren“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Oliver Friederici. Die SPD-geführte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bestätigt das. „Wir werden versuchen, aus dem weiteren Bedarf in den vordringlichen Bedarf zu kommen“, sagte Sprecherin Petra Rohland der taz. Die Umsetzung hänge von der politischen Prioritätensetzung im Verkehrsministerium und im Bundestag ab.
Der 17. Bauabschnitt, mit drei Kilometern Länge 200 Meter kürzer als der 16., ist vom Treptower Park entlang der S-Bahn bis zur Frankfurter Allee vorgesehen. Ab dem Ostkreuz würde die Autobahn den Plänen zufolge durch einen Tunnel führen. Nördlich der Frankfurter Allee soll es keinen Weiterbau mehr geben, heißt es in einem Prospekt der Stadtentwicklungsverwaltung. Von dort soll „eine „normale Stadtstraße über die Storkower Straße den Anschluss an den bestehenden Stadtstraßenring herstellen“.
Für Grünen-Abgeordnetenhausmitglied Harald Moritz, der mit der Bürgerinitiative Stadtring Süd, kurz BISS, seit Jahren gegen die A 100 kämpft, ist schon allein die Planung unvorstellbar. Es müssten zwar nicht massenweise Gebäude abgerissen werden, der geplante Tunnel passe nach seiner Einschätzung so gerade zwischen die Häuser. „Aber die Arbeiten würden einen ganzen Stadtteil total lahmlegen“, sagte Moritz. Unklar sei zudem, wie das alles technisch machbar sein soll. Er geht davon aus, dass sich die Anwohner vehement wehren werden. „Das gibt auch ein wesentlich höheres Prozesspotenzial als beim 16. Bauabschnitt.“ Dort waren im Oktober Klagen am Bundesverwaltungsgericht gescheitert.
Nach Kenntnis von Moritz gibt es als Kostenschätzung nur eine Zahl aus den 1990er Jahren: Demnach würde der 17. Bauabschnitt 260 Millionen Euro kosten. Doch schon für den nur wenig längeren Abschnitt zwischen dem Dreieck Neukölln und Treptower Park fallen über 450 Millionen Euro an – mit weniger Strecke in der teuren Tunnelbauweise.
Moritz’ Fazit: „Ich glaube nicht, dass der 17. Bauabschnitt realisiert wird, schon weil die Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen.“ Das allerdings war als Argument auch im Streit über den 16. Bauabschnitt oft zu hören. Und von dem sagte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) jüngst ohne merkliche Scham, es sei das teuerste Stück Autobahn, das je in Deutschland gebaut wurde.
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