680 Dschihad-Touristen aus Deutschland: „Der IS muss entzaubert werden“
Der Terror in Irak und Syrien lockt deutsche Islamisten an. 85 seien bereits umgekommen, mehrere hundert zurückgekehrt, sagt Verfassungsschutz-Chef Maaßen.
BERLIN afp | Immer mehr Extremisten aus Deutschland sind bereit, für ihre Vorstellung vom islamischen Dschihad im Ausland zu sterben: Dem Bundesamt für Verfassungsschutz liegen nach eigenen Angaben vom Mittwoch Hinweise vor, dass inzwischen rund 85 aus Deutschland ausgereiste Salafisten in Syrien oder im Irak umgekommen sind. Insgesamt seien rund 680 Extremisten bekannt, die aus Deutschland in die Kampfgebiete ausgereist seien. Ein Drittel davon sei inzwischen wieder in Deutschland.
„Der Ausreisestrom in die Kampfgebiete hält unvermindert an“, warnte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Im vergangenen September hatte der Inlandsgeheimdienst die Zahl der Ausgereisten noch auf rund 400 veranschlagt.
Unter den Rückkehrern sind inzwischen mindestens etwa 50 Menschen, die nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes Kampferfahrung gesammelt haben. Die deutschen Behörden stufen solche kampferprobten Rückkehrer als besonderes Risiko für die Sicherheit ein.
Die Ausreisenden rekrutieren sich aus einer immer größer werdenden Salafisten-Szene in Deutschland. Der Verfassungsschutz schätzt die Zahl der Anhänger auf derzeit 7.300 – mit anhaltend steigender Tendenz. Im Jahr 2011 waren die Verfassungsschützer noch von 3.800 Salafisten in Deutschland ausgegangen.
„Die islamistische Szene wächst ungebremst weiter", erklärte Verfassungsschutzpräsident Maaßen. „Damit wird auch der Nährboden für den Dschihad größer.“ Hochburgen in Deutschland seien nach wie vor Nordrhein-Westfalen, Berlin und Hessen.
„Die brutale Propaganda verfängt“
Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass paradoxerweise gerade die grausamen Bilddarstellungen von Hinrichtungen, mit denen Aktivisten der Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) die Welt schockieren, auf deutsche Salafisten anziehend wirken.
„Die brutale IS-Propaganda verfängt weiter“, erklärte Maaßen. Die „schockierenden Bilder“ von Hinrichtungen durch den IS seien „nicht nur Teil der hochprofessionellen Medienarbeit des IS, sondern auch ein Element der psychologischen Kriegsführung“.
Foto- und Videoaufnahmen, die der IS im Internet verbreitet, zeigen unter anderem die Enthauptung, Verbrennung und Kreuzigung von Menschen. Auch die gruppenweise Tötung von Gefangenen – wie etwa die Ermordung von 21 koptischen Christen in Libyen – dokumentierte der IS in Videoaufnahmen, die in Schnitttechnik und Kameraführung professionellen Standards genügen. Der IS nutzt solche Aufnahmen als Provokation, aber auch als Demonstration der eigenen Stärke und Entschlossenheit.
Gegen die IS-Propaganda helfe nur „Aufklärung über die grausame Wirklichkeit“, sagte Maaßen. „Der IS muss endlich entzaubert werden.“ Hier sei „die gesamte Gesellschaft gefordert“.
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