60er-Jahre-Mode als Revolution: Bruch mit dem bürgerlichen Habitus
In den 60er-Jahren galt kaum etwas als freier und rebellischer: die Kleidung junger Menschen auf den Laufstegen und Straßen.
Anfang der sechziger Jahre setzte sich eine ganze Generation von Musikern, Künstlern, Filme- und nicht zuletzt Modemachern mit Talent, Spürsinn und vor allem Entschlossenheit gegen die überkommenen Spielregeln ihrer Metiers, aber auch der Gesellschaft zur Wehr, um sie selbst neu zu definieren.
Eigentlich galt das für die ganze Generation der Jugendlichen dieser Zeit. Sie rebellierte nicht nur, sie entwarf eine Gegenkultur, die sie vehement öffentlich propagierte. Folglich war die Gegenkultur von Anfang an unternehmerisch beschaffen.
Mehr noch als die Konsumenten waren die jugendlichen Akteure erst einmal die Produzenten ihres Lebensstils. Sei es als Pop- und Rockmusiker, sei es als Computerbastler in den Garagen Kaliforniens oder als Verleger und Buchhändler wie die von „Zweitausendeins“, um nur einige signifikante Beispiel zu nennen.
Wichtige Akteure der Gegenkultur waren die Newcomer im Modebereich: Frauen, denen es aufgrund der Zeitumstände gelang, sich von der Boutiquenbesitzerin zur maßstabsetzenden Modemacherin weiterzuentwickeln wie die Britin Mary Quant, die Französin Sonia Rykiel, aber auch die Deutsche Jil Sander. Ihre Kundinnen machten sie stark. Eine typische Boutiquenkäuferin war Brigitte Bardot. Sie wolle sich nicht von Coco Chanel einkleiden lassen, weil sie befand, Chanel sei etwas für alte Leute.
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2. Juni 1967: Ein Schuss tötet den Demonstranten Benno Ohnesorg. Dieses Datum markiert den Beginn einer bis heute geführten Debatte über Gegenöffentlichkeit, über die Medien, über Wahrheit und Lüge, oder, wie man heute formulieren würde, über Fake News und alternative Fakten, über Verschwörungstheorien, bürgerliche Zeitungen und alternative (auch rechte) Blätter, über die „Wahrheit“ und die Deutungshoheit gesellschaftlicher Entwicklungen. Nachdenken über 50 Jahre Gegenöffentlichkeit: taz.gegen den stromDie Sonderausgabe taz.gegen den strom – jetzt im taz Shop und auf www.taz.de/gegenoeffentlichkeit
Jeans und Lederblousons auf dem Catwalk
Letztere frequentierten dann auch mehr und mehr die Boutiquen, um nicht ganz so alt auszusehen. Die zeitgemäße Antwort, die Haute Couture vor dem Untergang zu retten, lieferte Yves Saint Laurent mit Prêt-à-porter. Die Modehauptstadt Paris konnte gerettet werden, die Dame nicht.
Entsprechend groß war das Entsetzen über Yves Saint Laurents Vorstoß: Noch nie waren in Paris Jeans oder Lederblousons auf dem Laufsteg zu sehen gewesen. Die sah man doch nur in den Straßen! Womöglich bei den rebellischen Studenten im Mai 1968.
Jeans und Lederjacken sind – wie die Fotos zeigen – die prägenden Kleidungsstücke der Zeit, vor allem der männlichen Jugendlichen. Gleichzeitig ist zu erkennen, dass der Bruch mit dem bürgerlichen Habitus nicht so radikal ist wie die Selbstreklame behauptet.
Die Jungs tragen noch Hemden statt T-Shirts, die Studentinnen auch mal Kostüm, allerdings mit kniehohen Schaftstiefeln: für die vorbildliche damenhafte junge Frau ein Ding der Unmöglichkeit, ebenso wie der Mittelscheitel und das freifliegende lange glatte Haar.
Netzstrumpfhosen für die nicht so Mutigen
Als neues Produkt verändert die Strumpfhose radikal das Erscheinungsbild der jungen Frau.
Auch wenn sie sich nicht an den Mini herantraut, hat sie wenigstens farbenfrohe Beine. Die Bräute der Revolution tragen, lange vor den Punks schon, Netzstrumpfhosen oder auch Overknee-Stiefel zum kurzen Hängerkleidchen.
Goldene Kettengürtel sind en vogue und Knautschlackjacken und -mäntel dermaßen hip, dass sogar die Haute Couture die Pelze nach innen dreht und die Lederseite mit Lack versieht. Orange ist die Farbe der Stunde, und es kommt definitiv nicht von Hermès.
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