58. Kunstbiennale von Venedig: Multiperspektivischer Blick
Auf der Biennale von Venedig wird wie anderswo nur Kunst ausgestellt. Aber in einem besonderen Geist. Der Hauptpartner ist das Publikum.
Mit 79 Namen ist die Künstler*innenliste von Ralph Rugoff, dem künstlerischen Leiter der der 58. Biennale von Venedig, die Anfang Mai eröffnet, nicht besonders lang. Allerdings haben die Künstler doppeltes Spiel. Denn der Direktor der Londoner Hayward Gallery plant seine Ausstellung in den Giardini della Biennale und im ehemaligen Industrie- und Werftgelände Arsenale zu teilen. Die ausgewählten Künstler werden mit ihren Arbeiten in beiden Teilen vertreten sein. Freilich mit grundverschiedenen, ja gegensätzlichen Werken.
Dieses Konzept, so Rugoff am Dienstag auf der Pressekonferenz in Berlin, will eine Reaktion auf den mit Internet und Social Media einhergehenden, dabei von Begriffen wie Alternative Falten und Fake News signalisierten Strukturwandel der Öffentlichkeit sein. Denn, und das möchte er deutlich zeigen, es ist das Privileg der Kunst, paradoxe, widersprüchliche, weit von der Realität entfernte bis schlichtweg erfundene, oder völlig unentschiedene, ambivalente, multiperspektivische Aussagen über die Welt und ihre Geschäfte zu treffen.
Genau deswegen ist einfach Lügen noch lange keine Kunst. Und die Verwünschung: mögest du in interessanten Zeiten leben, also in herausfordernden, ja gefährlichen Zeiten, kein uralter chinesischer Fluch. Sie ist nur eine Redewendung mit großem rhetorischem Potential, kann also auch als Aufforderung verstanden werden, den beschworenen Gefahren die Stirn zu bieten.
Ralph Rugoff jedenfalls hat „May You Live in Interesting Times“ zum Motto seiner Schau gewählt. Wenn dann noch von Interesting Art die Rede wäre, sobald die Biennale am 11. Mai eröffnet, dann wäre alles gut. Es wird viel Malerei zu sehen sein, sagt Rugoff, aber auch Soundarbeiten, die dem Themenbereich „Mauer“ zu geordnet sind, denn Schall tut sich bei der Durchdringung oder Überwindung von Mauern leichter als Licht. Weitere Themen sind andere, neue Welten, der Körper und der digitale Künstler.
„Offen und grenzenlos“ will auch ihr Präsident Paolo Baratta die Biennale sehen, die neben der Documenta in Kassel als weltweit wichtigste Kunstschau gilt. In Hinblick auf die inzwischen unzähligen Biennalen in aller Welt, werde in Venedig zwar auch nur das getan was, was anderswo getan werde, nämlich ausgestellt. Venedig, so Baratta, unterscheide sich aber durch den Geist, in dem das geschehe. So wurde die Zahl der Sponsoren drastisch reduziert, weil das zahlende Publikum, das in steigender Zahl anreist, zum Hauptpartner der Biennale geworden sei.
Aus Deutschland sind die Künstlerinnen Alexandra Bircken, Hito Steyerl und Rosemarie Trockel dabei, Berliner Künstler*innen sind es insgesamt elf. Neben Rugoffs Ausstellung haben 90 Länder ihre Teilnahme angekündigt. Sofern sie keinen Pavillon in den Giardini ihr Eigen nennen, präsentieren sie ihre Künstler an ausgewählten Orten in der Lagunenstadt. Algerien, Ghana, Madagaskar und Pakistan sind zum ersten Mal dabei.
Kuratorin des deutsche Pavillons ist Franciska Zólyom, Direktorin der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig. Sie hat die Video- und Installationskünstlerin Natascha Süder Happelmann eingeladen (siehe taz vom 25.11. und vom 21.2.). Auch im Deutschen Pavillon kommt Sound eine wichtige Rolle zu. Denn die als Natascha Sadr Haghighian geborene iranisch-deutsche Künstlerin wird nicht nur mit der Berliner Kooperative für Darstellungspolitik bei der Installation des Pavillons zusammenarbeiten, dazu werden sechs Komponisten und Musikern seine materielle Ausgestaltung mit ihrem Beitrag akustisch öffnen und durchlässig machen.
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