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500 Euro für abgeschafftes AutoDie etwas andere Abwrackprämie

Die Gemeinde Denzlingen bei Freiburg zahlt bei Auto-Abschaffung einen Zuschuss für Jahreskarte oder E-Bike – nicht ihre erste kreative Verkehrsidee.

Belohnt das Verschrotten: die gemeinde Denzlingen bei Freiburg Foto: Wodicka/blickwinkel/imago

Freiburg taz | Im südbadischen Denzlingen erhält jede/r ortsansässige Bürger/in, der oder die sein oder ihr Auto mit Verbrennungsmotor abschafft, ab sofort einen Zuschuss in Höhe von 500 Euro. Gleiches gilt beim Abschied vom Motorrad oder Roller mit Verbrennungsmotor. Das hat der örtliche Gemeinderat im Rahmen seines Klimaschutz-Förderprogramms beschlossen.

Die Gemeinde nördlich von Freiburg bezahlt die Prämie wahlweise als Zuschuss für eine Jahreskarte für den Regio-Verkehrsverbund oder als Zuschuss zum Kauf eines neuen E-Bikes bei gleichzeitigem Nachweis des Bezugs von Ökostrom im Haushalt des Antragstellers. Wer weder Jahreskarte noch E-Bike möchte, kann auch einen Einkaufsgutschein für Denzlinger Unternehmen erhalten, doch dieser beläuft sich dann nur auf 200 Euro.

Um Missbrauch zu verhindern, müssen die Bürger eine Selbstverpflichtung unterschrei­ben, dass „im Antragsteller-Haushalt kein neues, weiteres oder dasselbe Verbrennerfahrzeug innerhalb der nächsten 36 Monate zugelassen oder geleast“ wird. Der Gemeinderat nahm das Klimaschutzprogramm mit 14 gegen 6 Stimmen an.

Das Konzept gilt auch im bundesweiten Maßstab als ungewöhnlich; dem ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD) ist bisher kein Projekt gleicher Art bekannt. Der Verband bewertet die Aktion mit einer Einschränkung positiv. Grundsätzlich sei die Förderung ein „gutes Signal“, um Verkehr umweltfreundlicher zu organisieren, sagt Michael Müller-Görnert, Verkehrspolitischer Sprecher des VCD. Zugleich bemängelt der Verkehrsclub jedoch, dass diejenigen, die ohnehin kein Auto haben, benachteiligt würden.

Das E steht für Elektro

Alternativ hatte der VCD in den letzten Monaten ein „Startgeld grüne Mobilität“ vorgeschlagen – also eine staatliche Prämie für alle, die „für sämtliche Formen nachhaltiger Mobilität verwendet werden kann“. Dies könne der Kauf einer BahnCard oder einer Jahreskarte für den Verkehrsverbund sein, alternativ auch der Kauf eines Fahrrads mit oder ohne E-Antrieb oder eines Lastenrads, der Bezug von Car- und Bike-Sharing-Leistungen oder auch ein Zuschuss zur Anschaffung eines E-Autos.

Unterdessen ist es nicht das erste Mal, dass die Gemeinde Denzlingen mit ihren knapp 14.000 Einwohnern und dem einzigen ÖDP-Bürgermeister Baden-Württembergs durch kreative Ideen auffällt. So hatte sie zum Beispiel im Kampf gegen knappen Wohnraum im Jahr 2017 beschlossen, dass Bürger, die – etwa nach Auszug der Kinder – in eine kleinere Wohnung ziehen, bis zu 2.500 Euro Zuschuss für den Umzug erhalten.

In Sachen Verkehrswende geht hier die Provinz also ein weiteres Mal dem Land voraus. Das neue Klimaschutzprogramm der Gemeinde enthält aber über die Verkaufsprämie für Autos hinaus noch weitere Bausteine. So fördert die Kommune den Kauf von E-Lastenrädern und E-Lastenanhängern mit bis zu 500 Euro, und sie übernimmt die Anmeldegebühr bei Carsharing-Anbietern in Höhe von bis zu 60 Euro.

Darüber hinaus unterstützt die Gemeinde die energetische Gebäudesanierung, indem sie die Förderung der Bafa bei Erstellung eines Gebäude­ener­gie­kon­zepts von 80 auf 90 Prozent aufstockt. Zudem bezuschusst sie Solaranlagen aus eigenen Haushaltsmitteln. Für Stecker­so­lar­anlagen (­Balkonmodulen) zahlt sie ab sofort eine ­Pauschale in Höhe von 210 Euro und zusätzlich 50 Euro bei der Installation einer speziell dafür geeigneten Steckdose. Und Wohnungseigentümergemeinschaften, die eine Mieterstrom-Solaranlage bauen, erhalten bis zu 1.000 Euro als Zuschuss zur ersten Steuererklärung nach der Inbetriebnahme.

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7 Kommentare

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  • Endlich mal ein Ansatz, wo nicht einfach nur mit der Peitsche draufgeknallt wird. Nun kenn ich mich in Denzlingen nicht aus, aber sollten die einen brauchbaren ÖPNV haben, könnte das ggf. erfolgreich sein. Zur Not kann man sich für spezielle Zwecke (Transport schwerer/großer Gegenstände oder Fahrten in eine Gegend mit deutschem ÖV) ja noch ein Auto mieten.

    • @Luftfahrer:

      müssen ie anwohner nur ein Luxusgut aus ihrem Leben abgeben, ob dafür die Mehrheit bereit ist?

  • Als gebürtiger Denzlinger ist man da natürlich stolz auf seinen Gemeinderat :-) ein weiterer positiver Apekt könnte dabei auch sein, dass manche ältere Menschen, die sich vielleicht eher nicht mehr hinter das Steuer setzen sollten, so einen Anreiz haben, das Auto schon früher stehen zu lassen.

  • Den Denzlingern sei es gegönnt, wenn ihre Gemeinde die dadurch entstehenden Kosten locker aus der Portokasse begleichen kann. Die allermeisten Gemeinden in D. könnten es nicht; allen voran die Hauptstadt Berlin mit ihrem Schuldenberg von 60 Mrd. €!



    Wo ist bloß der Goldesel aus dem bekannten Grimmschen Märchen geblieben? Er wird heutzutage dringender denn je gebraucht!

  • "... erhält jede/r ortsansässige Bürger/in, der oder die sein oder ihr Auto mit Verbrennungsmotor abschafft ..." – das ist beinahe unlesbar, warum nicht "erhalten Ortsansässige" oder "erhalten ortsansässige Bürger/innen"?

    • 9G
      90946 (Profil gelöscht)
      @Mika:

      "erhalten Ortsansässige" - guter Vorschlag!



      Das mit dem sprachlichen Laborieren wird noch dauern, aber irgendwann machen wir dann alles richtig :-)

  • 9G
    90946 (Profil gelöscht)

    Gute Sache, so als längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung.



    Was folgen sollte, und zwar bundesweit, wäre ein Zuschuss zum ÖPNV-Abo für in die Jahre kommende Radfahrende :-)