50 Jahre Woodstock: 3 Days of Peace & Music
Michael Lang veröffentlicht einen Fotoband über das berühmteste aller Festivals. Er ist Musikproduzent und Woodstock-Organisator.
Im Neusprech dieser Tage könnte das Urteil schlicht ausfallen: Der Drops ist gelutscht. Woodstock: die Angelegenheit ist längst gelaufen und abgeschlossen. Schnee von gestern. Gleichwohl – und bis heute – immer wieder, rechtzeitig zu Jahrestagen, besonders im Abstand von Dezennien, wird Woodstock Gegenstand filmischer Dokumentationen, Zeitungsartikel und Buchpublikationen.
Obwohl ein geplantes Revival des Festivals – zum Glück? – ausgefallen ist, mangelt es auch in diesem Jahr nicht an medialer Aufmerksamkeit und journalistischem Erregungspotenzial. Denn an Woodstock scheiden sich bis heute die Geister, teilt sich die interessierte Öffentlichkeit in Kritiker und Anhänger.
„Woodstock Music & Art Fair presents An Aquarian Exposition – 3 Days of Peace & Music“ lautete der offizielle Titel des Festivals, das vom 15. bis 17. August 1969 nahe der Kleinstadt Bethel im US-Bundesstaat New York stattfand und mit mehr als 400.000 Besuchern bis heute als berühmtestes Festival der Musikgeschichte gilt. Das Werbeplakat zeigte auf rotem Grund einen blauen und grünen Gitarrenhals, auf dem eine weiße (Friedens-)Taube thronte. Unter den die Gitarre umgreifenden Fingern stand – keineswegs prahlend – die Liste der Künstler und Musikgruppen.
Weniger selbstbeweihräuchernd
Das Signet prägt auch das Cover eines 300-seitigen Fotobandes, den der damalige Organisator und jetzige Musikproduzent Michael Lang anlässlich des 50. Jahrestages veröffentlichte. Nicht sein erstes Buch über das Festival, schon 1979 publizierte er gemeinsam mit Jean Young die Dokumentation „Woodstock Festival Remembered“. Zum 40. Jahrestag erschienen seine zuweilen selbstgefälligen Festivalerinnerungen unter dem Titel „The Road to Woodstock. From the Man Behind the Legendary Festival“.Termingerecht, aber weniger selbstbeweihräuchernd nun also die jüngste Veröffentlichung des mittlerweile fast 75-jährigen Michael Lang. Für das großformatige Buch griff er nochmals tief in sein Papier- und Fotoarchiv.
"Woodstock. 3 Days of Peace & Music". Reel Art Press. London 2019 288 Seiten, über 300 Abb. 55 Euro
In etwas mehr als 20 übersichtlich gestalteten Kapiteln, eingeleitet mit einem knappen zweispaltigen Text und einem prägnanten Zitat, streift er alle Facetten dieses nicht nur wegen des schlechten Wetters fast aus dem Ruder gelaufenen Großereignisses: die keineswegs einfache Suche nach dem geeigneten Ort, den Aufbau des Festivalgeländes, die daran beteiligten Techniker und Bühnenbauer, das Publikum, dessen Zahl alle Erwartungen und Schätzungen bei Weitem übertraf, die ungenügende, unzureichende Versorgung der Festivalbesucher, den Drogenkonsum, die Reaktionen der nationalen Presse, das Sicherheitspersonal, Gagen, Einnahmen wie Kosten des Festivals. Provozierend knapp, auf 30 Seiten reduziert, die fotografische Dokumentation der beteiligten Musikerinnen und Musiker. Alles aber großzügig schwarz-weiß wie farbig illustriert, zuweilen ganz- oder doppelseitig.
Wer nicht unter dem Zwang steht, sich für oder gegen dieses Festival zu positionieren, es entweder, wie der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar, als „Tagtraum von einer halben Million Aussteigern“ charakterisieren, oder gar wie der Journalist Alan Posener als „größten Medienschwindel aller Zeiten“ abtun muss, wer dieses Festival als Synonym für ein nonkonformes Lebensgefühl ansehen kann, wird mit diesem detailreichen Fotoband bestens bedient.
Wer zudem den Stein der Weisen nicht für sich reklamieren muss, könnte sich vielleicht in der Bewertung des Festivals den Worten des Farmers Max Yasgur, eines überzeugten Republikaners, anschließen, der seine Wiesen für das Festival zur Verfügung stellte und an die Hunderttausenden die Worte richtete: „I’m a farmer. I don’t know how to speak to twenty people at one time, let alone a crowd like this … the important thing is that you've proven to the world that a half a million kids – and I call you kids because I have children that are older than you are – a half million young people can get together and have three days of fun and music and have nothing but fun and music.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt