50 Jahre BAföG: Krankes Geburtstagskind
Vor allem die Union hat das BAföG böse vernachlässigt. Und die SPD, deren Kanzlerkandidat das Finanzministerium führt, hat es zugelassen.
H erzlichen Glückwunsch, liebes BAföG! Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist am 1. September 50 Jahre alt geworden. Ein gutes Alter, eigentlich, doch dem BAföG geht’s nicht gut. Es ist siech und ausgezehrt und daran ist die Große Koalition schuld. Als sie vor acht Jahren die Arbeit aufnahm, gab es noch doppelt so viele Studierende, die BAföG bezogen.
Derzeit sind es nur noch 300.000, gerade mal 11 Prozent aller Studierenden, die ihr Studium ganz oder teilweise mit der Förderung finanzieren, die zur Hälfte als Zuschuss, zur Hälfte als zinsloses Darlehen gewährt wird. Als das BAföG 1971 – übrigens als Vollzuschuss – unter der sozialliberalen Koalition von Willy Brandt eingeführt wurde, erreichte es noch 44 Prozent der Studierenden. Es sollte vor allem jenen die Wahl eines Studiums erleichtern, deren Eltern keine Akademiker:innen waren, jungen Leuten also, die nicht einfach fünf Jahre Soziologie studieren konnten.
Diese Lenkungswirkung kann es längst nicht mehr entfalten. Zu starr sind die Altersgrenzen (maximal 30 für Studienanfänger:innen), zu niedrig die Einkommen der Eltern angesetzt, die den Anspruch festlegen, zu mickrig die Sätze. Selbst wer den Höchstsatz in Höhe von 861 Euro bekommt, muss in Großstädten mehr als die Hälfte allein für Miete ausgeben.
Vor allem die Union, die seit 16 Jahren das Bildungsministerium besetzt, hat das BAföG böse vernachlässigt. Und die SPD, deren Kandidat in dieser Legislatur das Finanzministerium führt, hat es zugelassen.
Wenn die Sozialdemokraten jetzt Besserung geloben und eine „echte“ BAföG-Reform versprechen, dann wird das wohl nur in einem anderen Team gehen. Die Gemeinsamkeiten springen ins Auge. SPD, Grüne und Linke wollen BAföG-Sätze und Einkommensgrenzen anheben, alle drei streben die Rückkehr zum Vollzuschuss an. Die CDU aber will das BAföG lediglich im bestehenden Rahmen reformieren, die FDP elternunabhängige 200 Euro an alle Studierenden verteilen.
Man wünscht dem BAföG zum 50. Geburtstag eine Linksrutschkur. Und baldige Genesung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht