350.000 Briefe an Thüringer*innen: Gedenkstättenleiter warnt vor AfD
Jens-Christian Wagner, Direktor der Gedenkstätte Buchenwald, schickt 350.000 Briefe an Thüringer*innen. Darin warnt er offensiv vor der AfD.
![Porträt von Jens-Christian Wagner, er trägt ein dunkles Jacket mit Hemd und hat graue Haare Porträt von Jens-Christian Wagner, er trägt ein dunkles Jacket mit Hemd und hat graue Haare](https://taz.de/picture/7194318/14/36220430-1.jpeg)
„Gehen Sie am 1. September zur Wahl und wählen Sie demokratische Parteien und ihre Kandidaten!“ So steht es in einem Brief, den Jens-Christian Wagner, Stiftungsdirektor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, an 350.000 Thüringer Haushalte versandt hat.
Wagner warnt: „Für unser Land steht in diesen Tagen viel auf dem Spiel.“ Mit der AfD trete bei der Thüringer Landtagswahl am 1. September eine Partei an, die das Leiden der Opfer des Nationalsozialismus auch in den thüringischen Konzentrationslagern aus der Erinnerung tilgen wolle. AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke fordere eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ und habe wiederholt eine SA-Parole verwendet. Er hatte die Parole „Alles für Deutschland“ bei einer Wahlkampfveranstaltung im Mai 2021 in Merseburg gerufen. Bei einem Auftritt in Gera im Dezember 2023 hatte er den Anfang der Parole wiederholt – das Publikum hatte sie vervollständigt. Für beides wurde Höcke inzwischen vor Gericht verurteilt.
Wagner nennt in seinem Brief weitere Beispiele für Geschichtsrevisionismus in der AfD: So hatte der Nordhäuser AfD-Politiker Jörg Prophet den amerikanischen Befreiern des KZ Mittelbau-Dora unterstellt, genauso „morallos“ gewesen zu sein wie die SS. Wagner hatte sich bereits gegen Prophet ausgesprochen, als dieser im Herbst 2023 für das Amt des Oberbürgermeisters in Nordhausen kandidiert hatte: Im Falle seiner Wahl werde er nicht mit dem AfD-Mann zusammenzuarbeiten und ihn nicht zu Veranstaltungen der Gedenkstätten einladen. Prophet unterlag in der Stichwahl dem parteilosen Amtsinhaber. Nun kandiert er für den Thüringer Landtag.
„Wir machen die Beobachtung, dass spätestens seit 2015 auch Gedenkstätten Ziel von Rechtsextremisten geworden sind“, sagte Rikola-Gunnar Lüttgenau der taz, Sprecher der Gedenkstättenstiftung. 2022 hatten Unbekannte Tafeln und Schilder der Gedenkstätte Buchenwald mit Hakenkreuzen und anderen Nazi-Symbolen beschmiert. Die Gedenkstätte Sachsenhausen entschied sich aufgrund von antisemitischer Hassbotschaften, keine Gästebücher mehr in der Gedenkstätte auszulegen. Mit dem Brief wolle man darauf aufmerksam machen und auch jene erreichen, „die nicht unbedingt auf den Social-Media-Kanälen unterwegs sind“, sagte Lüttgenau.
Kooperation mit Campact
Der Thüringer AfD-Abgeordnete Jens Cotta nannte die Briefaktion auf der Plattform X „Anti-AfD-Propaganda“ und behauptete, diese sei durch Steuermittel finanziert worden. Die Stiftung erklärte hingegen, es seien weder Steuermittel noch für die Gedenkstättenarbeit vorgesehenen Spenden verwendet worden. Stattdessen seien Spendenmittel des Vereins Campact genutzt worden. Dieser habe auch den Versand über die Deutsche Post organisiert. Die ersten Briefe seien vergangene Woche zugestellt worden, so Lüttgenau.
Wagner ist dafür bekannt, der AfD offensiv Paroli zu bieten. Regelmäßig erhielt er dafür Bedrohungen. Der Thüringer Co-Chef der AfD, Stefan Möller, hatte angekündigt, Wagner ablösen zu wollen.
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