20 Prozent der Mitarbeitenden entlassen: Erdrutsch beim WWF
Der Umweltverband entlässt nach Jahren des Wachstums ein Fünftel seiner Belegschaft. Die Organisation ist nicht unumstritten.
„Angesichts der zunehmenden Dringlichkeit von Biodiversitäts- und Klimakrise ist es unabdingbar, dass der WWF die Wirksamkeit seiner Arbeit noch weiter erhöht“, erklärte WWF-Sprecher Roland Gramling. Notwendig sei eine „Priorisierung sowohl im regionalen wie thematischen Projektportfolio, um mit den zur Verfügung stehenden Mitteln weiterhin effizient und verantwortungsvoll arbeiten zu können.“ Die Entlassungen seien auch „eine Reaktion auf eine komplexe Situation auf dem Spendenmarkt“, wie Gamling formuliert. Die Spendenbereitschaft sei generell rückläufig.
Laut aktuellem Jahresbericht unterstützen den WWF Deutschland rund 350.000 Förder:innen. Im Geschäftsjahr 2017/18 waren es noch 600.000. Zuletzt lag der Jahresetat des WWF bei 124,7 Millionen Euro, womit er zu den größten Umweltvereinen Deutschlands zählt. Zum Vergleich: Der BUND kann sich auf die Unterstützung von 675.174 Menschen verlassen, sein Etat lag zur gleichen Zeit bei 71 Millionen Euro. Die WWF-Geschäftsstelle befindet sich in Berlin, es gibt Büros in Hamburg und Frankfurt/Main, dazu kommen diverse Projektbüros, etwa in Dessau, Erfurt, Husum, Ratzeburg, Stralsund und Weilheim. 490 Mitarbeiter:nnen hatte der WWF Deutschland nach eigenen Angaben zuletzt, einige davon im Ausland.
Ein Teil seiner Finanzen besorgt sich der WWF dadurch, dass er mit Konzernen zusammenarbeitet. Beispielsweise mit Edeka, was der WWF als „Partnerschaft für Nachhaltigkeit“ verkauft: Der Lebensmittelhändler druckt gegen Gebühr das WWF-Logo auf seine Produkte, die dadurch den Anschein erwecken, dass ihr Kauf zum Umweltschutz beiträgt. Das Spiegel beschuldigte den WWF mit dieser Praxis „eigene Standards zu unterlaufen“ und gegen „große Spenden und kleine Zugeständnisse die Lizenz zur Zerstörung der Natur“ zu erteilen. Selbst Konkurrenten wie Greenpeace kritisierten diese Form, Arbeit für die Natur so zu finanzieren: Der WWF-Praxis fehle „es an Transparenz und Ehrlichkeit“.
Konsumkritik und Überangebot
Auch mit Konkurrent REWE hatte der WWF zusammengearbeitet. Wer für mehr als 10 Euro eingekauft hatte, bekam Päckchen mit fünf Stickern dazu: 180 verschiedene Motive gab es 2011, aufkleben könnte man diese in einem Sammelalbum, das 2,50 Euro kostete. Eine Million Sammelalben wurden gedruckt, mindestens 180 Millionen Sammelbilder – und zwar in China. Zur REWE-Aktion gab es jede Menge Devotionalien: das Tierglas-Set, Stückpreis 1,99 Euro, WWF-Platzdeckchen im 2er-Set zu 1,99 Euro, der WWF-Panda – „total flauschig“ – zum Aktionspreis von 8,99. Etwa eine halbe Million Euro hat der WWF damit eingenommen. Gleichzeitig gab er Tipps zum klimafreundlichen Konsum. Zum Beispiel: „Achten Sie auf wenig Verpackung, kaufen Sie bevorzugt Recycling-Produkte.“
Ob der WWF wegen der Kritik an solchen Praxen sein Fundraising ändern wird, darüber konnte Sprecher Roland Gramling keine Auskunft geben. „Zunächst laufen die WWF-Aktivitäten geordnet weiter“, sagte er der taz. Allerdings erklärt der WWF-Sprecher auch, das strukturelle Problem, dass den WWF plagt: „Die über ein Jahrzehnt gültige Wachstumsmaxime des WWF Deutschland hat zu einem starken Ausbau der öffentlich geförderten Projektarbeit geführt. Das war ein klarer Auftrag der ehemaligen Geschäftsleitung, welcher jedoch mit ansteigenden Folgekosten verbunden war.“
Seit November vergangenen Jahres hat der WWF einen neuen Vorstand. Dieser habe nach seiner Bestandsaufnahme entschieden, „die Organisation weg von einer Wachstumsmaxime hin zu einer langfristigen Entwicklungsperspektive zu führen“, so Gramling. Das ziehe auch personelle Konsequenzen nach sich, „wenn beispielsweise ein Projekt abgegeben wird oder der WWF Deutschland sich aus einzelnen Regionen zurückzieht.“
Ist nun auch bei anderen deutschen Umweltverbänden mit einer Radikalkur zu rechnen? Nach dem Spendenmonitor gaben die Deutschen im vergangenen Jahr zwar 6 Prozent weniger Geld als 2022 – 5,8 Milliarden Euro. Der Anteil für Umwelt- und Naturschutz blieb aber gleich, bei 17,6 Prozent. Im Tierschutz stieg der Prozentsatz sogar leicht, auf 25 Prozent. Nur die Kinderhilfe und die Katastrophenhilfe bekommen prozentual ein paar Zehntelprozent mehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“