20 Jahre Irak-Krieg: Haltung bewahren
Der Irak bleibt ein gespaltenes Land. Zu Besuch in einer privaten Ballettschule in Bagdad, wo die liberale Mittelschicht ihre Kinder ausbilden lässt.
F irst position“, erste Grundposition, hallt die strenge Stimme von Lezann Salam durch den Raum. Acht Mädchen hasten an die Barre-Stangen. Sie tragen Tutus und Bodies, pink und weiß und schwarz, Ohrringe mit Disney-Motiven und Schleifen im Haar. Das Trappeln der Gymnastikschuhe auf dem Laminatboden verstummt: Die Füße an den Fersen zusammen, die Fußgewölbe nach vorne gedreht, eine Hand an der Stange, die andere lang vom Körper gestreckt, die Finger gekrümmt. „Plié“. Die Mädchen beugen die Knie, manche wackeln, Salam ruft: „Falsch. Nochmal!“ Sie beugen wieder die Knie, einem Mädchen verrutscht der Arm nach vorne, „Falsch! Nochmal!“
Trotz der Klimaanlage ist es warm in dem verspiegelten Sportraum, die irakische Frühlingssonne malt ein leuchtendes Viereck auf den Boden. Jeden Freitag und Samstag, das Wochenende im Irak, gibt Salam in Bagdad Ballettkurse für ihre 20 Schülerinnen, die in einem Gymnastiksaal einer Schule und in einem modernen Sportstudio wenige Autominuten entfernt stattfinden. Beide Orte liegen in den besseren Vierteln der Stadt, zwischen Shoppingmalls und Cafés, die Cappuccino servieren. Vor den Türen parken Geländewägen, und beschriftet sind sie nicht auf Arabisch, sondern auf Englisch.
Immer mehr Mädchen möchten bei Lezann Salam Unterricht nehmen. Über 25.000 Menschen folgen dem Instagram-Account ihrer Iraqi Ballet Academy. Auch die öffentlichen Auftritte der Akademie werden immer mehr, und immer mehr Menschen besuchen sie. Ballett wird sichtbarer – doch vor allem in der liberalen, urbanen Mittelschicht. Und selbst deren Offenheit kennt Grenzen: etwa wenn ihre tanzenden Töchter die Pubertät erreichen.
Als Lezann Salam sich in das Ballett verliebt, ist sie vier Jahre alt, erzählt sie auf der Terrasse des Sportstudios, zu dem auch ein Café gehört, „Gym & Dine“ lautet das Motto. Die Haare hat sie sorgfältig in Wellen gelegt, die Nägel lang und glänzend, die Lippen in mattem Altrosa geschminkt. Es ist das Jahr 2000, Diktator Saddam Hussein herrscht im Irak. Die Invasion der Vereinigten Staaten steht noch bevor, und in der einzigen staatlich geführten Ballettschule des Landes unterrichten Lehrerinnen und Lehrer aus Russland ihre irakischen Schülerinnen und Schüler.
Am 20. März 2003 marschieren US-Truppen in den Irak ein. Präsident George W. Bush begründete den Einmarsch als „Präventivkrieg“, weil der Irak angeblich einen Angriff auf die USA mit Massenvernichtungswaffen plane. Massenvernichtungswaffen werden nicht gefunden. Der UN-Sicherheitsrat gibt kein Mandat für den Einmarsch. Der Irakkrieg wird deshalb als völkerrechtswidriger Angriffskrieg gesehen.
Am 9. April 2003 wird Bagdad eingenommen; am 1. Mai erklärt Bush die Kampfhandlungen offiziell für beendet. Der untergetauchte Ex-Machthaber Saddam Hussein wird am 13. Dezember 2003 in einem Erdloch nördlich von Bagdad von US-Soldaten gefunden. 2006 wird er nach einem Prozess im Irak hingerichtet. Bis 2011 besetzen US-Truppen den Irak. Im nachfolgenden Machtvakuum erstarkt der „Islamische Staat“. Seit 2018 ist die Situation relativ stabil: Die USA unterstützen mithilfe des Iran die irakische Armee und die Zentralregierung in Bagdad. (taz)
Lezann Salam lebt zu dieser Zeit mit ihrer Familie im Nachbarland Jordanien. Das Land kann ihren Eltern, die Künstler sind, mehr Perspektiven bieten als Sadams Irak. Heute unterrichten beide am College of Fine Arts in Bagdad. Salam erzählt, wie sie früher als Kind mit den Eltern häufig den „Nussknacker“ im Fernsehen angesehen habe, das berühmte Märchen-Ballett von Tschaikowski. Irgendwann habe sie beschlossen: Ich werde Ballerina.
Dieser Artikel wurde möglich durch die finanzielle Unterstützung des Recherchefonds Ausland e.V. Sie können den Recherchefonds durch eine Spende oder Mitgliedschaft fördern.
Als Lezann 2005 mit ihrer Familie schließlich aus Jordanien in den Irak zurückkehrt, ist sie neun Jahre alt und Saddam ist Geschichte: Am 20. März 2003 marschiert die US-Armee in den Irak ein, am 9. April wird Bagdad erobert, das Regime fällt.
Der Krieg ist schnell beendet, doch in der nachfolgenden Zeit der US-Besatzung schwelen die Konflikte zwischen den Konfessionen: Viele sunnitische Iraker trauern Saddam hinterher, und als der Irak zum ersten Mal in seiner modernen Geschichte Anfang 2005 das Parlament wählt, zweifeln einige die Legitimität der Wahl an. Sie weigern sich, ihr Wahlrecht wahrzunehmen. Die sunnitische Terrorgruppe al-Qaida erlebt einen Aufschwung im Irak. Sie begeht tödliche Attentate auf Christen, Kurden und Jesiden in schiitischen Hochburgen wie Basra und Najaf. Viele Schiiten, die die konfessionelle Mehrheit im Irak stellen und im neuen Parlament nun auch die Mächtigen sind, zahlen den Sunniten die unter Saddam erlebte Diskriminierung heim. Schiitische Milizen erstarken in Vorbereitung auf einen Bürgerkrieg, der im Februar 2006 mit voller Brutalität ausbricht
Wegen ihrer in Bagdad verbliebenen Großmutter seien sie aber dennoch von Jordanien in den vom Bürgerkrieg gezeichneten Irak zurückgekehrt, erzählt Salam. Die Aufnahmeprüfung für die Musik- und Ballettschule besteht sie mit Bravour: „Die Lehrerin, die mich damals bewertet hat, sagte zu meinen Eltern: Sie muss einfach tanzen.“ Lezann Salam geht dann aber schnell nur noch für die Zwischen- und Abschlussprüfungen zur Schule, die Lage ist einfach zu gefährlich.
Schließlich zieht die Familie erneut aus Bagdad fort und geht in die syrische Hauptstadt Damaskus, damals noch fest in der Hand von Diktator Baschar al-Assad und dank ihrer Stabilität ein Zufluchtsort vieler Iraker und Irakerinnen. An die Stadt selbst erinnert sie sich kaum, erzählt sie: „Ich habe viel Computer gespielt und gewartet.“
Als sie schließlich zurück nach Bagdad ziehen, setzt Lezann Salam ihre Ausbildung an der Musik- und Ballettschule fort. Die Lehrerin, die bereits bei der Aufnahmeprüfung von ihr begeistert war, wird ihre Förderin: „Sie hat mich sechs Jahre lang unterrichtet. Alles, was ich heute kann, verdanke ich ihr.“ Doch auch diese Lehrerin verlässt im Laufe der konfliktreichen Jahre den Irak. Das sei eines der großen Probleme, die Ballett als Handwerk und Kunst heute im Irak habe, sagt sie: Nur wenige Ballettlehrer und -lehrerinnen sind gut ausgebildet und erfahren.
Das ist aber zugleich auch eine Chance für Lezann Salams Akademie, die gewissermaßen eine künstlerische und unternehmerische Lücke im Irak bedient – und für Maisara Salam, 24 Jahre alt und nach eigener Auskunft der einzige männliche Ballettlehrer im Irak. Das er den gleichen Nachnamen wie Lezann hat, ist Zufall – sie sind nicht miteinander verwandt.
Niemals würde er den Irak und damit seine Schüler und Schülerinnen hinter sich lassen, erklärt der junge Mann. Auch er hat seine Ausbildung an der Musik- und Ballettschule in Bagdad erhalten. Ballett habe ihn vorher nie interessiert, sagt er. Doch seine Eltern – beide künstlerisch veranlagt, seine Mutter ist Musiklehrerin, sein Vater Filmdirektor – hätten die Neugier in ihm geweckt.
Im Garten des Babylon Rotana Hotel in Bagdad – eine Nacht kostet über 250 Euro, neben westlichen und chinesischen Ausländern trifft sich hier die Schickeria Bagdads – sitzt er neben dem Pool, und trinkt türkischen Mokka. Kellner aus Syrien und dem Libanon decken die Tische für den Abend mit Stoffservietten ein.
Als Saddams Regime fällt, ist Maisara Salam vier Jahre alt. Er hat nur wenige Erinnerungen an die Zeit, doch ein Ereignis habe sich festgesetzt, erzählt er: Ein Jahr später sei er, fünfjährig, entführt worden – von wem, das wisse er bis heute nicht. Gegen Lösegeld sei er wieder freigekommen. Mehrfach habe er danach in einem Gefängnis vorsprechen müssen, um bei der Identifizierung der Täter zu helfen – ohne Erfolg. Heute lacht er darüber, er scheint ehrlich amüsiert.
Die Angst, die ihn schließlich aus Bagdad fliehen lässt, packt ihn erst später: Als der „Islamische Staat“ zum Neujahr 2014 Fallujah einnimmt, eine sunnitisch geprägte Stadt etwa eine Autostunde westlich von Bagdad. Maisara Salam sagt: „Ich bin Ballettänzer. Was würde der ‚Islamische Staat‘ wohl mit mir machen?“
Mit seiner Familie zieht er nach Jordanien, gerade als er in seine Rolle als Tänzer hineinwächst, seine Ausbildung an der Musik- und Ballettschule abschließt: „Ich war wie eine Blume, die begonnen hatte, sich zu öffnen, die bereit war, der Welt zu zeigen, wer sie ist.“ Statt in Bagdad zu tanzen, harrt er im westlich gelegenen Nachbarland aus, drei Monate, bis die Lage wieder weniger gefährlich scheint.
Lezann Salam bleibt 2014 indes im Irak: „Ich war mir sicher, dass der ‚Islamische Staat‘ es nicht bis nach Bagdad schaffen würde.“ Dabei wird sie sogar direkt bedroht. Dem „Islamischen Staat“ zumindest ideologisch nahestehende Nutzer teilen in den sozialen Netzwerken Facebook- und Telegram-Screenshots ihres Instagram-Accounts. Es sind Bilder, auf denen ihre Schülerinnen tanzen, in engen Strumpfhosen und Trägertops, im Tutu, in leuchtend roten Kleidern und mit offenem Haar. Die Kommentare darunter: „Der Irak ist ein islamisches Land“, schreibt jemand. Jemand anderes: „Eine Ballettschule (soll das sein), und das einzige was ich sehe, ist ihr Arsch.“
Seit 2014 gibt Lezann Salam Unterricht, doch 2017 legt sie eine Pause ein: „Wegen der Situation“, sagt sie nur. Ihren Account stellt sie auf privat. Nach vier Jahren erbittertem Kampf der irakischen Armee sowie schiitischer, kurdischer und christlicher bewaffneter Gruppen – unterstützt von westlichen Staaten, gegen den „Islamischen Staat“ – wird dieser Ende 2017 schließlich für besiegt erklärt. Salam stellt ihren Account wieder öffentlich.
Doch es sind nicht nur Radikale, die ihre Lebensweise nicht akzeptieren wollen: Ihre Eltern hätten sie immer unterstützt. Doch ihr Onkel kritisiert den Vater: zu knapp die Kleidung, zu sichtbar der Körper der Tochter. Ihr Vater weist ihn zurück, Salam darf weitertanzen.
In der Iraqi Ballett Academy rollt ein kleines Mädchen mit langen Zöpfen und bunten Klammern im Haar über den Boden, ein Tutu um die Taille, Staub klebt an ihrem weißen Body. Gekauft hat ihn die Mutter in einem Shop für Ballettausrüstung, den Lezann Salam selbst über Instagram betreibt. „Lulu!*“, ruft Lezann, „first position.“ Lulu möchte alles, aber nicht tanzen. Sie robbt zu ihrer Mutter, die am Rand sitzt. „Ich muss die ganze Stunde über hierbleiben, sonst weint sie“, erzählt die. Mit einer zappelnden, aber zufriedenen Lulu auf dem Schoss, lächelt sie sanft: „Ich wollte immer gerne Ballett tanzen. Aber als ich klein war, war das nicht möglich.“ Denn was hätten die Leute dazu gesagt?
Lulus Vater, erzählt sie, teilt diese Sorge noch heute. Während der Coronapandemie hat sie ihre Tochter zunächst für den Online-Kurs angemeldet, den Lezann Salam damals gibt. „Online ja, Präsenz nein“, habe er damals bestimmt. Mit Überzeugungsarbeit darf sie Lulu schließlich doch für den Präsenzkurs anmelden. Drei Stunden wartet sie seitdem jeden Samstag darauf, dass Lulu lernt, was ihr selbst als Kind verwehrt wurde. Ihr Ehemann hat sich arrangiert: „Er sieht, wie viel Spaß ihr das Tanzen macht. Er bittet mich jetzt immer, ihm Bilder von den Stunden zu schicken.“
Ihre größte Sorge: Dass Lulus Vater seine Meinung ändert. Dass er eines Tages beschließt, Lulu sei zu alt zum Tanzen, spätestens, wenn sie die Pubertät erreicht, vielleicht auch schon ab der Grundschule. Vielleicht dürfe sie weiter einen Kurs besuchen, aber öffentliche Auftritte? Unmöglich. Wenn Männer nur nicht alle Entscheidungen treffen würden. Eine kleine Rebellion erlaubt sie sich dennoch: Bei Lezann Salam nimmt sie Einzelstunden – eine späte Erfüllung ihres Kindheitstraumes.
Die Familie einer anderen Schülerin, die ihren Namen nicht nennt, ist liberaler. Die ersten Zeichen der Pubertät stehen ihr ins Gesicht geschrieben: die Backen sind noch voll, doch die Wangenknochen werden markanter, die Haare hat sie hoch auf dem Scheitel zu einem Dutt verknotet. Nach dem Kurs zieht sie im Flur ihre Sneaker an, neben ihr die wartende Mutter. Erleben beide Druck von außen? Nein, das spürten weder sie noch ihre Tochter. In beinahe akzentfreiem Englisch fügt die Tochter hinzu: „Ich bin glücklich, wenn ich tanze.“ Und das sei das Wichtigste, sagt ihre Mutter.
Dass ihre Schülerinnen den Unterricht verlassen müssen, sobald sie die Pubertät erreichen, fürchten beide, Lezann und Maisara Salam. „Das passiert dauernd“, sagt sie beiläufig, die meisten ihrer Tänzerinnen sind unter zwölf. „Wenn die Leute nur das Wort Tanz hören, reicht das oft schon.“
Dass viele Iraker und Irakerinnen Ballett ablehnten, sei weniger religiös als kulturell bedingt, sagt Maisara Salam. Er glaube an Gott, sagt er selbst, aber nicht an die damit im Irak meist einhergehenden Regeln: etwa, dass ein Mann eine Frau nicht berühren darf, auch nicht für eine Hebefigur. Oder dass Frauen ihre Haare und Körper bedecken sollen, und zwar mit mehr als einem Tutu und Strumpfhosen.
Im Irak lebt eine diverse Gesellschaft: nicht nur Sunniten und Schiiten, sondern auch Christen, Jesiden und andere religiöse Minderheiten, ebenso wie ethnische. Wie entlang aller Bruchlinien ist das Zusammenleben nicht reibungslos, doch heute – im Vergleich zur komplizierten, gewaltvollen Vergangenheit – recht ruhig.
Materiell sind die Differenzen groß. Eine Fahrt durch Bagdad verdeutlicht das: In den Vororten riecht die Luft nach Diesel, die Gebäude sind häufig unverputzt und die Stromkabel winden sich im kreativen Chaos um die Masten. In den teuren Vierteln indes sieht man Gärten hinter hohen Zäunen, hier erinnert vieles an die gepflegten Vororte europäischer Städte.
Wer Lezann und Maisara Salams Kurse besucht, das sagen beide, ist mir großer Wahrscheinlichkeit Kind begüterter, gebildeter Eltern. Allein wegen des Preises: 90 US-Dollar pro Monat verlangt Lezann, 100 Dollar sind es bei Maisara. Das ist aufs Jahr gerechnet knapp ein Viertel des Bruttoinlandsprodukt, das ein Iraker pro Jahr erwirtschaftet.
Die staatliche Musik- und Ballettschule, die beide besucht haben, ist kostenlos, aber – wie eine dort angestellte Lehrerin berichtet, die anonym bleiben möchte – chronisch unterfinanziert. Die Schule ist nicht dem Bildungs-, sondern dem Kulturministerium unterstellt. Und das habe, erzählt die Lehrerin, zu wenig Mittel. Also müssen die Eltern Geld beisteuern, immer wieder, um „das Überleben der Schule zu sichern“, wie sie sagt. Auch an qualifizierten Lehrkräften herrsche Mangel. Einige von Lezann Salams Schülerinnen besuchen unter der Woche die Musik- und Ballettschule – und kommen am Wochenende zu ihr, für eine intensivere Ausbildung.
Was sie mit ihrem Unterricht verdient, reinvestiert Lezann Salam. Bald sollen ihre Schülerinnen zum ersten Mal im Nationaltheater tanzen. Auftritte in kleineren Theatern haben sie schon oft gemeistert, sogar Lulu wird – mit Kuscheltier in der Hand – ein kleines Solo vor funkelnden Lichtern tanzen. Im Juni soll es so weit sein: „Don Quijote“ als Ballettaufführung auf der großen Bühne in Bagdad. „Die Kultur Spaniens und des Nahen Ostens ist sich nahe, und ich möchte die klassischen Stücke im Irak etablieren“, sagt sie. Lezann Salam hat das Theater gemietet, sie hat eine Marketingagentur beauftragt und arbeitet an den Kostümen – und natürlich an der Choreografie, ihre liebste Aufgabe.
„Was sie trainieren, müssen sie auch auf der Bühne zeigen dürfen“, sagt auch ihr Kollege Maisara Salam. Ballett an sich sei nichts Neues im Irak: Selbst während der US-Invasion, des nachfolgenden Bürgerkriegs und des IS-Feldzugs ab 2014 blieb die Musik- und Ballettschule geöffnet. Aber was neu sei, sagt er, sind die öffentlichen Auftritte, diese Sichtbarkeit in der Mitte der Stadt.
Als er zum ersten Mal eine Show gibt, im Jahr 2019, besteht das Publikums zum Großteil aus seinen Freunden von der Universität. Als seine Schülerinnen zuletzt auftreten, kommen mehr, als es Sitzplätze gibt, über 600, sagt er: Menschen, die kulturell interessiert sind. Im Irak sind das zugleich meist auch Menschen, die es sich finanziell leisten können.
Auch das Interesse aus dem Ausland am Ballett aus Bagdad nimmt zu: Lezanns Schülerinnen werden in die niederländische Botschaft geladen, in pinkfarbenen Tutus tanzen sie auf dem Rasen. Maisara Salam wird von der chinesischen Botschaft nach China geflogen und tritt dort auf. „Das schützt uns“, sagt er über die wachsende internationale Aufmerksamkeit, den zunehmend guten Ruf, den das irakische Ballett genieße.
Einen Ruf aufbauen für das irakische Ballett – daran arbeiten Lezann und Maisara Salam gleichermaßen. „Wir müssen die klassischen Bewegungen perfekt beherrschen“, sagt er, „erst dann können wir unseren eigenen Dreh einbauen.“
Ihre Schülerinnen lässt Salam die Übungen so oft wiederholen – „first position“, „plié“ – bis sie immer synchroner werden. „Bam, bam, bam“, ruft sie. „Nochmal: bam, bam, bam.“ Als die beiden Ältesten auf Spitzenschuhen durch den Raum trippeln dürfen, sind sie stolz: wieder einen Schritt weiter. Die Zukunft des irakischen Balletts, da ist sich Lezann Salam sicher, sie wächst hier heran.
* Name geändert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind