100 Prozent Ökostrom: Energiewende auch für Vögel
Der WWF hat errechnet: Vollversorgung mit Grünstrom braucht 2 bis 2,5 Prozent der Fläche Deutschlands. Und es geht sogar naturverträglich.
Bislang hieß die Frage: Ist die Energiewende technisch machbar – und was kostet sie? Nun legt eine neue Untersuchung der Umweltstiftung WWF eine andere Debatte nahe: Haben wir genug Platz für den Umstieg auf Strom aus Wind und Sonne? Und sind Windparks und Solarflächen mit dem Naturschutz vereinbar?
Ja, meint der WWF. „Deutschland steht ausreichend Fläche zur Verfügung, um seinen Strom vollständig erneuerbar zu erzeugen und dabei den Naturschutz zu achten“, sagte am Dienstag WWF-Klimaexperte Michael Schäfer.
Bis 2050 würden nach jetziger Planung, die stark auf Windräder an Land setzt, 2,5 Prozent der deutschen Landschaft für die Vollversorgung mit Ökostrom gebraucht – bei Konzentration auf Solarstrom und einer PV-Anlage auf jedem Dach reichten sogar 2 Prozent (Zum Vergleich: Straßen machen 4,5 Prozent der Fläche Deutschlands aus). Richtig geplant, sei der Öko-Ausbau auch ohne größere Konflikte mit dem Naturschutz vereinbar, so Schäfer.
Bis 2050 ist drei mal so viel Ökostrom wie heute nötig
Die Studie „Zukunft Stromsystem II“ vom Öko-Institut und der Unternehmensberatung prognos folgt auf den ersten Teil der Untersuchung, der 2017 verschiedene Pfade für den Ausstieg aus der Kohle vorzeichnete. Nun fordern die Experten einen Kohleausstieg bis 2035 und einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren von mindestens 2,5 Gigawatt Ökostrom im Jahr. Bis 2050 muss demnach die Menge der grünen Elektrizität von derzeit 218 Milliarden Kilowattstunden auf 700 Milliarden Kwh mehr als verdreifacht werden.
„Fläche ist die neue Währung“, sagte Felix Matthes vom Öko-Institut, einer der Autoren. Insgesamt stünden 1,7 Prozent Deutschlands „restriktionsfrei“ für Windkraft zur Verfügung, auf 0,9 Prozent könne ohne Probleme Solarkraft erzeugt werden. Am größten sei der Anteil an geeigneten Flächen in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, wo zwischen 6 und 7 Prozent für Ökostrom nutzbar seien.
Matthes forderte von der Regierung bessere Daten für die Planung der Energiewende, Ausschreibungen, die den Flächenverbrauch thematisierten und bessere Regeln, um Dächer mit Solaranlagen zu bestücken.
Felix Matthes, Öko-Institut
Der WWF zieht das Szenario „Fokus Solar“ dem bisherigen Referenzszenario der Energiewende mit hohem Windanteil vor. Stärkere Konzentration auf Solarenergie mindere bei ähnlichen Kosten und ähnlichen Anforderungen an Netze und Speicher den Flächenverbrauch und damit die Folgen für die Vogelwelt.
In einem eigenen Gutachten des Büros „Bosch und Partner“ hat die Umweltstiftung untersuchen lassen, wie der ernsthafte Umstieg auf Erneuerbare die Bestände von Kiebitz, Rotmilan und Mäusebussard betreffen würde. Das Ergebnis für die Landkreise in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz, wo der Windausbauau mit Vogelbeständen am meisten kollidiert: „Konfliktfrei wird sich der Ausbau nicht vollziehen lassen“ – aber meist gebe es selbst in diesen umstrittenen Gebieten nur ein geringes oder mittleres „Konfliktrisiko“ zwischen Windanlagen und Vogelschutz.
Klar ist für den WWF: Zum Ausbau des Ökostrom gebe es keine Alternative, denn ohne Klimaschutz gebe es keinen Artenschutz. Eigentlich müsse sich die Bundesregierung diese Gedanken machen – „aber da fehlt die Ernsthaftigkeit beim Ausbau der Erneuerbaren.“
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