10 Jahre Besetzung des Oranienplatzes: Berlin wird sie nicht mehr los
Die ProtagonistInnen der Oranienplatzbesetzung, die vor zehn Jahren begann, sind medial nicht mehr präsent – aber ihre Arbeit geht weiter. Zum Glück.
W as ist geblieben nach 10 Jahren Oranienplatz? In dieser Woche erinnern die ehemaligen Besetzer*innen an eine eigentlich unglaubliche Tat, die viele sicher längst vergessen haben und von der andere, jüngere, womöglich gar nichts wissen: Hundert Geflüchtete aus ganz Deutschland waren – unter Missachtung geltender Gesetze wie Residenzpflicht – am 6. Oktober 2012 nach einem langen Marsch aus Würzburg in Berlin angekommen, um gegen die deutsche und europäische Asylpolitik zu protestieren.
Eine Politik, die sie in Lager sperrt, wo sie – oft für Jahre – zur Untätigkeit verdammt sind und als Menschen zweiter Klasse leben müssen; eine Politik, die Asyl fast nach Belieben zu vergeben oder zu verwehren scheint und sogar aktuell nach Iran abschiebt. Eine Politik, die an ihren Außengrenzen tausende Tote produziert und sich zugleich für ihre „Willkommenspolitik“ gegenüber Syrer*innen – aktuell Ukrainer*innen – als besonders humanitär feiert.
Ausgehend vom Oranienplatz legte die widerständige Flüchtlingsbewegung damals über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren die Grausamkeiten, Widersprüche und Verdrängungsmechanismen dieser Politik offen – und war mit ihrer Präsenz mitten in der Stadt ein ständiger Pfahl im Fleische der Mehrheitsgesellschaft. Nicht einmal die Grünen im vermeintlichen Hippie-Bezirk mochten bei den Forderungen der Geflüchteten mitgehen. Natürlich hieß es damals, man könne sie nicht erfüllen, man sei ja „leider, leider“ nicht an der Regierung. Heute, wo die Grünen in Land und Bund mitregieren, wissen wir, dass das in Punkto Asyl, Abschiebungen, EU-Außengrenzen keinen Unterschied macht.
Was aber ist geblieben von der Refugee-Resistance-Bewegung? Zunächst einmal hat das Jubiläum gezeigt: Es gibt sie noch. Viele Akteur*innen von damals haben, auch wenn sie vom Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit weitgehend verschwunden sind, nie aufgehört mit ihrer Arbeit: Sie machen Radio, helfen einander, organisieren sich – kurz: sie haben nicht aufgegeben, allein das ist ermutigend.
Neues Betätigungsfeld
Im Zuge des Jubiläums wurde auch deutlich: Die Bewegung hat ein neues Thema und Betätigungsfeld gefunden – die BIPoC-Geflüchteten aus der Ukraine. Dass die Schwarzen Geflüchteten aus dem Krieg in Deutschland rechtlich schlechter gestellt sind als die Ukrainer, die sofort Aufenthaltserlaubnis und Arbeitsmöglichkeit bekommen, wurde in den Reden der Aktivist*innen diese Woche zurecht immer wieder beklagt. Und es ist kein Wunder, dass die Schwarzen Aktivist*innen dahinter denselben Rassismus am Werk sehen, der auch ihnen das Leben schwer macht.
Denn tatsächlich war ja in den letzten Monaten wiederholt zu hören und zu lesen, dass man die Ukrainer*innen gerne aufnehme, da sie „wie wir“ seien. Ob dies stimmt, sei mal dahin gestellt. Fest steht, dass es kein Argument ist, in Kriegszeiten, wo es um den Schutz von Menschenleben geht, schon gar nicht. Dennoch ist der öffentliche Aufschrei gegen die Ungleichbehandlung der BIPoCs aus der Ukraine bis heute ausgeblieben.
Umso wichtiger ist es, dass die Oranienplatz-Leute und ihre Netzwerke – vom International Women Space, der auch die 10-Jahres-Feier auf die Beine gestellt hat, über die “Schlafplatz-Orga“ bis zum Projekt CUSBU – sich um die „Neuen“ kümmern und ihr Wissen um die deutschen Zustände, Grenzen und Möglichkeiten weitergeben. Und damit der nächsten Generation von Schwarzen Geflüchteten eine Perspektive geben. Damit am Ende auch sie die alte Botschaft vom Oranienplatz weitertragen: „You can't evict a movement.“ Frei übersetzt: Ihr könnt machen, was ihr wollt, ihr werdet uns nicht los. Gut so!
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