1. Mai in Paris: Repression gegen Gelbwesten
In Frankreich verbünden sich Gewerkschaften und Gelbwesten. Dabei kommt es zu teils heftigen Zusammenstößen mit der Polizei.
In Paris hat die Gewalt anlässlich der Gelbwestenproteste am 1. Mai einen neuen Höhepunkt erreicht. Von Anfang an herrschte Hochspannung im Quartier Montparnasse, wo sich Gewerkschaftsmitglieder, Gelbwesten und diverse Linksgruppen lange vor dem für 14.30 Uhr angekündigten Marsch einfanden. Unter den Demonstranten war die Stimmung wegen der neuartigen Einheit der Proteste in Gelb und der traditionellen Arbeiterbewegung eher konfrontativ. Sehr schnell machte sich in den bunt gemischten Reihen Wut breit. Denn die Spitze des sich bildenden Demonstrationszugs wurde von einem äußerst eindrücklichen Polizeiaufgebot gestoppt und am Marschieren vor dem offiziell bewilligten Zeitpunkt gehindert.
Mehr als diese Unterbrechung brauchte es nicht als Anlass für eine erste Welle von Ausschreitungen. Die meisten Leute mit roten Fahnen der CGT-Gewerkschaft oder in gelben Westen, die bloß demonstrieren wollten, verstanden wahrscheinlich nicht, warum man sie stoppte und warum die Tränengasgranaten den Boulevard in einen Augen und Atemwege reizenden Nebel hüllten. Die meisten hatten schnell das Gefühl, dass die Ordnungskräfte auf Befehl des (von links und rechts kritisierten) Innenministers Christophe Castaner vorführen sollten, dass sie mit Härte für Ruhe und Ordnung sorgen könnten.
Das repressive Vorgehen hatte jedoch genau das Gegenteil zur Folge. Vor allem am Ende der Kundgebung kurz vor der Place d'Italie kam es erneut zu langen und sehr gewaltsamen Zusammenstößen, die auf beiden Seiten Verletzte forderten. Schwarze Blöcke, die sich mehrfach an der Spitze bilden konnte, waren maßgeblich an dieser Eskalation der Gewalt beteiligt. Innenminister Castaner hatte seinen Einheiten, fast 8000 Beamte in Paris, die Weisung gegeben, mit exemplarischer Härte diese Provokateure oder „Aufwiegler“ des Black Block zu isolieren.
Protest von Gewerkschaften
So versuchten die Ordnungskräfte, die Demonstration mit unverhältnismäßiger Gewalt zu verhindern. In der Folge kritisiert auch CGT-Generalsekretär Philippe Martinez eine „unerhörte Repression“, die gleichermaßen friedlich Demonstrierende wie Steine werfende „Casseurs“ traf. In einem Communiqué protestierte die CGT: „Unsere Kameraden und selbst unser Generalsekretär wurden mit Tränengas und Granaten beschossen. Was da geschieht ist noch nie dagewesen und für eine Demokratie inakzeptabel.“ Die Gewerkschaften und Linksparteien waren ebenso wenig wie die Ordnungskräfte in der Lage zu verhindern, dass die Kundgebung zum Tag der Arbeit in heftigen Straßenkämpfen endete. Konsequenterweise ist in der Berichterstattung fast nur von der Gewalt und den Schwarzen Blöcken die Rede.
Für die CGT und andere klassenkämpferische Organisationen sind die Forderungen der Gelbwesten mit den Anliegen der Gewerkschaftsbewegung durchaus kompatibel. Das sollte am 1. Mai gezeigt werden. Von den gemäßigten Gewerkschaftsverbänden, die sich immer von den Gelbwesten distanziert hatten, wird der CGT im Nachhinein vorgeworfen, es sei naiv gewesen, mit dieser unberechenbaren und ideologisch unklaren Bewegung gemeinsame Sache machen zu wollen. Damit sei letztlich die Tradition des 1. Mai auf der Strecke geblieben. Für den Konflikt mit den Gelbwesten hat die Staatsführung derweil ganz offensichtlich noch immer keine Lösung gefunden.
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