+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Streit um Mariupol-Besuch

Präsident Putin soll laut Kreml die Hafenstadt Mariupol besucht haben. Die Ukraine wirft der russischen Führung Zynismus vor. Präsident Selenski kündigt weitere Sanktionen gegen Russland an.

Vladimir Putin

Zeigt sich das erste mal seit Beginn seines Angriffskriegs in der Ukraine Foto: Kreml/reuters

Ukraine wirft Putin Zynismus vor

Die ukrainische Regierung hat den vom Kreml propagierten Besuch von Wladimir Putin in der von Russland besetzten, ukrainischen Hafenstadt Mariupol scharf verurteilt. „Verbrecher kehren immer an den Tatort zurück“, schrieb der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski, Michailo Podoljak, am Sonntag auf Twitter. „Der Mörder von Tausenden von Familien in Mariupol kam, um die Ruinen der Stadt und ihre Gräber zu bewundern. Zynismus und mangelnde Reue“, fügte er hinzu.

Das ukrainische Verteidigungsministerium erklärte, Putin habe die durch russische Bombardements weitgehend zerstörte Stadt im Schutze der Nacht besucht, „so wie es sich für einen Dieb gehört“. Die Dunkelheit habe es ihm ermöglicht, die Stadt „und ihre wenigen überlebenden Einwohner vor neugierigen Blicken“ zu schützen.

Auch der Exil-Stadtrat von Mariupol erklärte, Putin habe die Stadt offenbar bei Nacht besucht, „um die durch seine ‚Befreiung‘ vernichtete Stadt nicht bei Tageslicht zu sehen“. Der Stadtrat bezeichnete den russischen Präsidenten als „internationalen Verbrecher“. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hatte am Freitag einen Haftbefehl gegen Putin erlassen.

Putin war mit einem Hubschrauber nach Mariupol geflogen und unternahm vor Ort mit dem Auto eine Stadttour. Am Samstag hatte er bereits anlässlich des neunten Jahrestags ihrer Annexion die ukrainische Halbinsel Krim besucht.

Es war Putins erste Reise in das von Russland kontrollierte Gebiet im Donbass seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 2022. Mariupol am Asowschen Meer war ab Kriegsbeginn unablässig von Russland bombardiert und belagert worden. Nach Angaben Kiews wurden 90 Prozent der Stadt zerstört und mindestens 20.000 Menschen getötet. (afp)

Kreml bezeichnet Reise als „Arbeitsbesuch“

Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine soll Kremlchef Wladimir Putin laut Kreml die besetzten Gebiete des Nachbarlandes besucht haben. Wie der Kreml in der Nacht zum Sonntag mitteilte, hatte Putin der in schweren Kämpfen zerstörten Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer einen „Arbeitsbesuch“ abgestattet. Das russische Staatsfernsehen zeigte den 70-Jährigen am Steuer eines Autos beim Fahren durch die nächtliche Stadt. Zu sehen waren am Rande auch Zerstörungen an Gebäuden.

Nach seiner Ankunft in einem Hubschrauber habe er sich bei einer Rundfahrt über die Lage informiert und sich auch mit Bewohnern der Stadt unterhalten, teilte der Kreml weiter mit. Russlands stellvertretender Regierungschef Marat Chusnullin habe Putin über den Stand der Wiederaufbauarbeiten informiert. „Die Menschen beginnen, in die Stadt zurückzukehren“, sagte Chusnullin auf dem Beifahrersitz. In Mariupol gebe es wieder Straßenbeleuchtung und Busverkehr.

Das Staatsfernsehen zeigte dem Bericht zufolge auch den Besuch Putins in der Philharmonie der Stadt, wo der Präsident auf einem Stuhl in einem Saal Platz nahm. Nach Darstellung Chusnullins ist zudem ein Universitätsgebäude samt Studentenwohnheim intakt. Gezeigt wurden auch Bürger, die Putin für den unangekündigten Besuch dankten.

Nach Kremlangaben führte Putin in der russischen Stadt Rostow am Don nahe der Ukraine zudem eine Sitzung in einer Kommandostelle für die „militärische Spezialoperation“ gegen die Ukraine, wie der Krieg in Russland offiziell genannt wird. Dort ließ sich der Präsident von Kommandeur Waleri Gerassimow, der auch Chef des russischen Generalstabs ist, und anderen Offizieren über den Gang der Kampfhandlungen in dem Nachbarland unterrichten.

Putin hatte am Samstagnachmittag die 2014 annektierte ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim besucht. Das Staatsfernsehen verbreitete zum 9. Jahrestag der Einverleibung Bilder, auf denen der Kremlchef wiederum selbst am Steuer eines Autos und bei der Eröffnung einer Kunstschule für Kinder in der Hafenstadt Sewastopol zu sehen war.

Russland hatte den Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar des Vorjahres begonnen. Mariupol wurde von russischen Truppen belagert und geriet erst am 20. Mai unter vollständige Kontrolle des russischen Militärs. Die Stadt wurde während der Kämpfe weitgehend zerstört. Die Ukraine kündigte an, Mariupol zu befreien. (dpa/ap)

Selenski kündigt weitere ukrainische Sanktionen gegen Russland an

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat neue Sanktionen seines Landes gegen Russland und dessen Verbündete Iran und Syrien angekündigt. „Die ukrainischen Sanktionen sind Teil des globalen Drucks auf Russland“, sagte der 45-Jährige am Samstag in seiner täglichen Videoansprache. Insgesamt betroffen seien 400 Personen und Firmen, darunter auch die Verantwortlichen für die Lieferungen der iranischen Shahed-Drohnen. Diese werden vom russischen Militär im Angriffskrieg gegen die Ukraine eingesetzt. Die Sanktionen haben wohl vor allem eine symbolische Bedeutung, da die meisten Betroffenen keine Geschäfte mit Kiew unterhalten.

Selenskyj machte in seiner Videobotschaft die Passivität der Weltgemeinschaft in Syrien vor einigen Jahren, als Kremlchef Wladimir Putin dort Präsident Baschar al-Assad mit seinen Bomben an der Macht gehalten habe, für den Beginn des Kriegs in der Ukraine verantwortlich. „Die Menschen in Syrien haben keinen angemessenen internationalen Schutz erhalten, und dies hat dem Kreml und seinen Komplizen das Gefühl gegeben, straffrei zu sein“, sagte Selenskyj.

„Es gibt nur einen Weg, das Leben zu schützen – es ist notwendig, die russische Armee von ukrainischem Boden zu vertreiben. Und wir werden es tun“, versprach Selenskyj. Mit Blick auf die zurückliegende Woche wähnte er sein Land dabei auf einem guten Weg. So habe die Ukraine ein neues Rüstungspaket mit Munition, Artillerie und Kampfflugzeugen aus dem Westen bekommen. Zudem habe es in größerer Runde Verhandlungen mit den USA über weitere Rüstungshilfe gegeben, erklärte der ukrainische Staatschef. (dpa)

Erdoğan kündigt Verlängerung von Getreideabkommen mit der Ukraine an

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat am Samstag die Verlängerung des Getreideabkommens verkündet, das der Ukraine nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs die Wiederaufnahme ihrer Getreideexporte ermöglichte. Unklar war jedoch der Zeitrahmen der Verlängerung: Russland erklärte, es habe einer Verlängerung um 60 Tage zugestimmt, während der ukrainische Infrastrukturminister von 120 Tagen sprach.

„Nach Gesprächen mit beiden Seiten haben wir die Verlängerung des Abkommens, das am 19. März auslaufen sollte, zugesichert“, sagte der türkische Staatschef Erdoğan in einer Fernsehansprache nur wenige Stunden vor dem Auslaufen des Abkommens. Auch der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, bestätigte die Verlängerung. Doch weder die Türkei noch die Vereinten Nationen machten Angaben zum Zeitrahmen.

Das Abkommen sei „von entscheidender Bedeutung für die weltweite Nahrungsmittelversorgung“, sagte Erdoğan nach dem Abschluss der wochenlangen Verhandlungen. Er dankte Russland und der Ukraine, „die keine Mühen gescheut haben, um eine weitere Verlängerung des Abkommens zu erreichen“. Zuvor hatte Ankara erklärt, dass es auf eine Verlängerung um 120 Tage hoffe.

„Die Vereinbarung über die Schwarzmeer-Getreide-Initiative wird um 120 Tage verlängert“, schrieb der ukrainische Infrastrukturminister Oleksandr Kubrakow im Kurzbotschaftendienst Twitter. Er dankte der Türkei und der UNO für ihre erneute Vermittlung. „Wir sind António Guterres, den Vereinten Nationen, Präsident Recep Tayyip Erdoğan, (dem türkischen Verteidigungsminister) Hulusi Akar und all unseren Partnern dankbar für die Bestätigung des Abkommens“, erklärte Kubrakow.

Moskau beharrte allerdings auf einer Verlängerung um lediglich 60 Tage. „Wir sehen Berichte von Partnern des ‚Getreideabkommens‘, dass der Deal um 120 Tage verlängert wurde“, sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, laut der Nachrichtenagentur Interfax. „Wir haben wiederholt erklärt, dass die russische Seite alle Vertragspartner darüber informiert hat, dass sie das Abkommen um 60 Tage verlängert“, fügte sie hinzu.

Das Getreideabkommen war im Juli unter Vermittlung der UNO und der Türkei unterzeichnet worden, um die sichere Ausfuhr von ukrainischem Getreide durch einen Schutzkorridor im Schwarzen Meer zu ermöglichen. Die Türkei hatte eine Schlüsselrolle dabei gespielt, das von der UNO unterstützte Getreideabkommen auf den Weg zu bringen. Das Abkommen galt zunächst für 120 Tage und wurde im November um weitere 120 Tage verlängert.

Nach UN-Angaben konnten bisher mehr als 24,1 Millionen Tonnen Getreide exportiert werden. Parallel zu dem Getreideabkommen wurde ein Abkommen geschlossen, das Russland – trotz Sanktionen – den Export von Dünge- und Lebensmitteln erlaubt. Moskau hatte wiederholt beklagt, diese Vereinbarung werde nicht umgesetzt, und deshalb erklärt, nur eine Verlängerung des Getreideabkommens um 60 Tage zu akzeptieren.

Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine waren die weltweit wichtigen Getreidelieferungen und der Export anderer Lebensmittel aus dem Land anfangs zusammengebrochen. Die Folge war eine zeitweise Explosion der Preise für bestimmte Lebensmittel, darunter Weizen und Sonnenblumenöl. (afp)

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