+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Ukraine ordnet Evakuierung von elf Dörfern an
Die Behörden befürchten eine bevorstehende russische Großoffensive in der nordöstlichen Grenzregion Sumy. Derweil geht das Gezerre um eine nächste Verhandlungsrunde zwischen den beiden Kriegsparteien weiter.

Selenskyj: 50.000 russische Soldaten in der Region
In der an Russland grenzenden ukrainischen Region Sumy haben die Behörden angesichts einer befürchteten russischen Großoffensive die Evakuierung von elf Dörfern angeordnet. Die Entscheidung berücksichtige „die ständige Gefahr für das Leben der Zivilbevölkerung aufgrund der Bombardierung der Grenzgemeinden“, erklärte die Verwaltung von Sumy am Samstag. Russland hat in den vergangenen Wochen eigenen Angaben zufolge mehrere Ortschaften in der nordöstlichen Region eingenommen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte am Mittwoch, dass Russland mehr als 50.000 Soldaten in die Region verlegt habe, und warnte vor einer großen Offensive.
Russland greift die Grenzregion Sumy wieder verstärkt an, seitdem die ukrainische Armee in den vergangenen Monaten nach Moskauer Angaben aus der benachbarten russischen Region Kursk vertrieben worden war. Die Ukraine hatte im vergangenen Jahr in Kursk eine Überraschungsoffensive begonnen, die russischen Streitkräfte eroberten daraufhin jedoch nach und nach das Territorium zurück.
Ein Sprecher des ukrainischen Grenzschutzes sagte am Donnerstag, Russland sei bereit, einen „Angriff auf Sumy zu versuchen“. (afp)
Ukraine: Neunjähriges Mädchen durch Raketenangriff getötet
Bei einem russischen Raketenangriff ist in der Ukraine ein neunjähriges Mädchen getötet worden. Ein 16-jähriger Jugendlicher sei bei dem Angriff auf das Dorf Dolynka in der Nähe der Front verletzt worden, teilte Iwan Fedorow, der Gouverneur der Region Saporischschja, am Samstag mit. „Ein Haus wurde zerstört. Die Druckwelle der Detonation hat auch mehrere weitere Häuser, Autos und Nebengebäude beschädigt“, schrieb er in der Messaging-App Telegram. Moskau gab zunächst keinen Kommentar zu dem Angriff ab.
Der Gouverneur der Region Cherson, Olexander Prokudin, meldete einen Toten durch russischen Beschuss.
Die ukrainische Luftwaffe teilte mit, in der Nacht und am Samstag habe das russische Militär 109 Drohnen und fünf Raketen gegen die Ukraine eingesetzt. Drei der Raketen und 42 Drohnen seien abgefangen worden, 30 weitere Drohnen hätten ihre Ziele verfehlt und keinen Schaden verursacht.
Unterdessen berichtete der geschäftsführende Gouverneur der russischen Region Kursk, Alexander Chinschtein, bei zwei ukrainischen Drohnenangriffen seien in der Stadt Rylsk und dem Dorf Artakowo 14 Menschen verletzt worden. Unter den Opfern seien vier Kinder. (ap)
Thorsten Frei: Beschlagnahmung von russischem Vermögen prüfen
Kanzleramtsminister Thorsten Frei plädiert für eine intensive Prüfung der Frage, ob in der EU eingefrorenes russisches Staatsvermögen zugunsten der Ukraine beschlagnahmt werden sollte. „Jedes Gerechtigkeitsgefühl sagt einem, dass das notwendig ist angesichts der immensen Schäden und des menschlichen Leides, das Russland in der Ukraine anrichtet“, sagte der CDU-Politiker der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung auf die Frage, ob die Ukraine das Geld bekommen sollte.
„Wir erleben derzeit die stärksten Bombardierungen seit Ausbruch des Krieges“, sagte Frei. „Und deshalb ist es nur gerecht, wenn russisches Geld dafür eingesetzt wird, das Notwendige zur Verteidigung zu tun.“
Andererseits gehe es um die Frage, wie sicher ausländisches Geld sei, das in der EU beziehungsweise in Deutschland angelegt werde, betonte Frei. „Aber wir sind in einer Situation, in der ich sage: Wir sollten uns die Frage der russischen Staatsgelder noch sehr viel genauer anschauen als bisher.“ Wenn man einen Waffenstillstand mit friedlichen Mitteln erreichen wolle, sei der Besteckkasten begrenzt. „Deshalb bin ich sehr dafür, die zur Verfügung stehenden Werkzeuge auch zum Einsatz zu bringen.“
Nach früheren Kommissionsangaben sind rund 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank in der EU eingefroren, wobei der Großteil von dem in Brüssel ansässigen Finanzinstitut Euroclear verwahrt wird. Die EU nutzt seit Mitte vergangenen Jahres die Zinserträge zur Finanzierung von Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine.
Die russischen Zentralbank-Gelder durch einen Enteignungsbeschluss direkt zu nutzen, wird von vielen in der EU skeptisch gesehen. Als Grund gelten rechtliche Bedenken und wahrscheinliche Vergeltungsmaßnahmen. Moskau hatte die EU bereits 2023 davor gewarnt, das Eigentum des russischen Staates oder russischer Bürger zu konfiszieren. (dpa)
Russisches Militär will zwei Ortschaften eingenommen haben
Russische Streitkräfte haben zwei Ortschaften in der Ostukraine eingenommen. Wie die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Novosti unter Berufung auf das Verteidigungsministerium berichtet, konnte die russische Armee Nowopil in der Region Donezk und Wodolagy in der Region Sumy erobern. (rtr)
Russland erklärt Bereitschaft zu einer möglichen Waffenruhe
Russland hat im UN-Sicherheitsrat vor den für Montag in der Türkei angesetzten Verhandlungen mit Vertretern der Ukraine seine Bereitschaft zu einer möglichen Waffenruhe erklärt. Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja nannte zugleich Bedingungen für ein Ende der Kampfhandlungen. „Für die Dauer der Waffenruhe ist es zumindest erforderlich, dass die westlichen Länder die Waffenlieferungen an das Kyjiwer Regime einstellen und die Ukraine ihre Mobilmachung beendet“, sagte Nebensja in seiner auch in Moskau vom Außenministerium verbreiteten Rede.
Moskau hat für den 2. Juni in Istanbul eine zweite Verhandlungsrunde angesetzt, um mit Kyjiws Vertretern über eine mögliche Beendigung des Kriegs in der Ukraine zu sprechen. Die direkten Gespräche waren in diesem Monat auf russische Initiative erstmals seit 2022 wieder aufgenommen worden.
Nebensja zufolge könne eine Waffenruhe im Weiteren ermöglichen, an einer nachhaltigen Lösung der ursprünglichen Ursachen des Konflikts zu arbeiten. Russland hatte bisher stets betont, erst den Konflikt grundsätzlich lösen zu wollen und dann eine Waffenruhe zu erwägen. Die Ukraine fordert hingegen bereits seit März auf Grundlage eines US-Vorschlags, dass es zuerst eine 30-tägige Waffenruhe geben solle, um dann an der Lösung des Konflikts zu arbeiten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verlangte, dass die Feuerpause ohne Vorbedingungen vereinbart werden müsse.
Nebensja nannte nun klar diese zwei Vorbedingungen. Die bisherigen Äußerungen der Ukraine deuteten seiner Meinung nach darauf hin, dass sie sich nicht darauf einlasse. Russland wiederum wolle keine Situation, in der die Ukraine die Waffenruhe zum Durchatmen und Kräftesammeln in dem Krieg nutze. Russland sei bereit, bei den Verhandlungen an diesem Montag in Istanbul über die Bedingungen für einen Frieden zu reden. Die Gespräche seien der „Lackmustest“ für beide Seiten, um zu zeigen, ob sie es ernst meinten mit einem Streben nach einem Ende der Kämpfe.
In seiner Rede erklärte der russische UN-Vertreter außerdem, dass Moskaus Streitkräfte auch in der Lage seien, die Kampfhandlungen so lange wie nötig fortzusetzen. Schon jetzt könne sich jeder davon überzeugen, dass die russische Armee praktisch an der gesamten Frontlinie vorankomme.
Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha warf Russland auf der Plattform X angesichts des Hinweises auf Moskaus militärische Stärke Arroganz vor. „Das ist Russlands Schlag ins Gesicht all jener, die sich für Frieden einsetzen“, sagte er über Nebensjas Rede. Nötig sei mehr Druck auf Russland. „Sie verstehen weder eine normale Haltung noch die diplomatische Sprache; es ist an der Zeit, mit ihnen in der Sprache der Sanktionen und der verstärkten Unterstützung für die Ukraine zu sprechen“, sagte Sybiha. (dpa)
Selenskyj spricht mit Erdogan über Ukraine-Verhandlungen
Ukraines Präsident Selenskyj lässt eine Teilnahme Kyjiws an einer neuen Runde von Verhandlungen über eine mögliche Beendigung des Krieges weiter offen. Bei einem Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sei es um die Bedingungen einer Beteiligung der Ukraine gegangen, teilte Selenskyj am Abend auf der Plattform X mit. Details nannte er nicht, sagte aber, dass es bei einer ukrainischen Teilnahme echte Ergebnisse geben müsse.
Der jüngste Gefangenenaustausch sei ein wichtiges Ergebnis der Verhandlungen in Istanbul gewesen, aber „leider das einzige“. Eine Waffenruhe sei für eine Bewegung in Richtung Frieden notwendig, sagte Selenskyj. Das Töten müsse aufhören.
Moskau hat zu dem Treffen am Montag auch ein Memorandum in Aussicht gestellt, das die Ukraine zur Vorabbegutachtung angefordert hatte. Russland lehnte das ab – und will über die Absichtserklärung erst in der Türkei sprechen. (dpa)
Verletzte bei Angriffen in Ukraine und Russland gemeldet
Die Kampfhandlungen gehen unvermittelt weiter. In der Nacht zum Samstag seien bei einem russischen Angriff auf das grenznahe ukrainische Gebiet Sumy Raketen in einem Wohngebiet eingeschlagen und Lagerhäuser zerstört worden, teilte die regionale Militärverwaltung mit. Mindestens ein Mensch wurde demnach verletzt. Auch aus den Gebieten Charkiw, Donezk, Mykolajiw und Winnyzja wurden Explosionen gemeldet.
Im russischen Gebiet Kursk wurden nach Angaben der Regionalverwaltung bei ukrainischen Drohnenangriffen mindestens zehn Menschen verletzt, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass berichtete. Mehrere Wohnhäuser seien beschädigt worden. Die Angaben beider Seiten ließen sich nicht unabhängig überprüfen. (dpa)
Selenskyj trifft US-Senator Graham
In Kyjiw hat der ukrainische Präsident Selenskyj die US-Senatoren Lindsey Graham und Richard Blumenthal getroffen. Dabei bekräftigte er seine Hoffnung auf schärfere Sanktionen gegen Russlands Kriegsmaschinerie. Er sei dankbar für die neue US-Sanktionsinitiative, die von 82 Senatoren unterstützt werde, teilte Selenskyj auf der Plattform X mit. Es brauche mehr Druck auf Russland, um das Land zum Frieden zu zwingen. Selenskyj warf Moskau vor, sich über diplomatische Initiativen lustig zu machen und die Verhandlungen als Tarnung zu benutzen, um eine neue Offensive vorzubereiten.
Russland führe Schläge gegen ukrainische Städte und Dörfer aus und lehne alle Vorschläge für eine Waffenruhe ab, sagte Selenskyj. „Deshalb ist zusätzlicher Druck nötig“, betonte er. Der Präsident dankte dem Republikaner Graham und dem Demokraten Blumenthal, dass ihre beiden politischen Lager die Ukraine unterstützen. „Es ist das echte Engagement der Vereinigten Staaten in jeder Phase der Verhandlungen, das einen verlässlichen Frieden garantieren kann“, sagte Selenskyj.
Graham und Blumenthal trafen sich bei ihrem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt auch mit Regierungschef Denys Schmyhal, um über einen Ausbau der Handelsbeziehungen zu sprechen. „Ich erwarte, dass sich diese Geschäftsbeziehung auf den militärischen Sektor konzentrieren wird, dass der militärisch-industrielle Komplex der USA der Ukraine Waffen verkaufen wird, die wir entwickelt haben. Andere Länder könnten sie von uns kaufen und an die Ukraine liefern“, sagte Graham der Agentur Interfax-Ukraine zufolge auf einer Pressekonferenz.
Graham und Blumenthal haben ein Paket neuer Sanktionen gegen Russland vorbereitet, das im US-Senat auf eine große, überparteiliche Mehrheit zählen kann. Graham will damit jedoch den Vermittlungsbemühungen seines Parteifreunds US-Präsident Donald Trump nicht zuvorkommen. Zudem ist aktuell noch unklar, ob das Sanktionspaket auch im Repräsentantenhaus auf eine Mehrheit zählen könnte. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
ACAB bei den Grüüünen
Wenn Markus Söder sein Glück nur in Worte fassen könnte
Queere Bewegungen
Mehr als nur Glitzer
Israels Kriegsführung in Gaza
Echte Hungerhilfe geht anders
+++ Nachrichten im Nahost-Konflikt +++
„Werden jüdischen israelischen Staat im Westjordanland errichten“
Ausnahme vom EU-Emissionshandel
Koalition plant weiteres Steuergeschenk für Landwirte
Sinkende CO₂-Emissionen
Aber in China!