+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Tote bei russischen Angriffen
Russische Raketenangriffe auf Charkiw und Odessa töten und verletzten dort weiter Zivilisten. Nato-Generalsekretär Stoltenberg erneut in Kyjiw.
Zwei Tote nach russischem Angriff in Charkiw
Bei einem russischen Luftangriff auf die zweitgrößte ukrainische Stadt Charkiw sind lokalen Behördenangaben zufolge mindestens zwei Menschen ums Leben gekommen. Sechs weitere seien verletzt worden, schreibt der Gouverneur der gleichnamigen Region im Nordosten der Ukraine auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. Demnach habe Russland bei der Attacke präzisionsgelenkte Waffen eingesetzt und ein Wohngebäude in der Regionalhauptstadt getroffen. (rtr)
Totenzahl nach Raketenangriff auf Odessa gestiegen
Die Zahl der Todesopfer des russischen Raketenangriffs auf eine Jura-Akademie in der ukrainischen Schwarzmeer-Hafenstadt Odessa ist den Behörden zufolge auf fünf gestiegen. 32 Menschen seien verletzt worden, teilt Regionalgouverneur Oleh Kiper auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Zudem sei ein Mann an einem Schlaganfall gestorben, der auf den Angriff zurückzuführen sei. Bei dem Raketenangriff am Montag wurde eine private Rechtsakademie in einem beliebten Park am Meer getroffen. Laut Gouverneur Kiper befinden sich acht Verletzte in einem ernsten Zustand, darunter ein vierjähriges Kind. Dem ukrainischen Militär zufolge hatte Russland mit einer ballistischen Rakete des Typs Iskander-M mit einem Streusprengkopf die Stadt beschossen. Reuters-TV-Bilder zeigten, dass das Dach des Gebäudes nach dem Einschlag fast völlig zerstört war. (rtr)
30 Tote bei Flucht vor Kriegsdienst seit 2022
In der Ukraine sind nach Angaben des Grenzschutzes seit Kriegsbeginn 2022 etwa 30 Männer bei dem Versuch ums Leben gekommen, sich mit einer illegalen Flucht ins Ausland einer Einberufung zur Armee zu entziehen. Einige seien umgekommen, als sie einen Gebirgsfluss überqueren wollten, andere in den Bergen, sagte der Sprecher des ukrainischen Grenzschutzes, Andrij Demtschenko, der Nachrichtenagentur Ukrinform am Montagabend. „Jeden Tag gibt es Versuche, die Grenze illegal zu überqueren“, sagte der Sprecher. „Die meisten dieser Versuche finden außerhalb der Grenzkontrollpunkte an der Grenze zu Moldau und Rumänien statt. Die größte Zahl mit gefälschten Dokumenten wird an der Grenze zu Polen verzeichnet.“ Dem Grenzschutz zufolge starben allein 24 Männer bei dem Versuch, den Fluss Tisa an der ukrainischen Grenze zu Rumänien zu überqueren.
Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 habe der Grenzschutz etwa 450 kriminelle Gruppen aufgedeckt, die versucht hätten, Menschen über die Grenze zu schleusen, sagte Demtschenko. Von einigen Ausnahmen abgesehen dürfen ukrainische Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht verlassen, da sie zum Kampf gegen die russischen Invasionstruppen eingezogen werden könnten. Anfang April hatte Demtschenko erklärt, dass im Durchschnitt jeden Tag etwa zehn Männer bei dem Versuch gestoppt würden, die Ukraine illegal zu verlassen.
Die BBC hatte im November unter Berufung auf Daten zu illegalen Grenzübertritten aus Rumänien, Moldau, Polen, Ungarn und der Slowakei berichtet, dass fast 20.000 Männer seit Kriegsbeginn aus der Ukraine geflohen seien, um der Einberufung zu entgehen. (rtr)
Selenskyi: Wir brauchen weiter mehr Waffen und Munition
Trotz einer Belebung westlicher Rüstungshilfen nach monatelanger Pause leidet die von Russland angegriffene Ukraine weiter unter einem Mangel an Waffen und Munition. Die täglichen russischen Raketenangriffe, die täglichen Angriffe an der Front könnten gestoppt werden, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Montagabend in seiner Videobotschaft. „Aber dazu ist die ukrainische Armee auf ausreichende Unterstützung durch ihre Partner angewiesen.“ Die Partnerländer verfügten über die Waffensysteme, die die Ukraine dringend brauche, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. Dabei nannte er vor allem Patriot-Flugabwehrsysteme aus US-Produktion und Artilleriegranaten vom Kaliber 155 Millimeter. (dpa)
Stoltenberg: Kein schneller Nato-Beitritt der Ukraine
Über die benötigte Waffenhilfe sprach Selenskyj auch mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der unangekündigt nach Kyjiw gereist ist. Stoltenberg forderte die Nato-Mitglieder zu mehr militärischer Unterstützung der Ukraine auf. „Die Nato-Partner haben nicht das geliefert, was sie versprochen haben“, kritisierte er. Der Mangel an Munition habe den Russen Vorstöße an der Front ermöglicht.
Gegenüber Stoltenberg bestätigte Selenskyj, dass die ersten versprochenen Waffenlieferungen der USA bereits eingetroffen seien. „Doch muss der Prozess beschleunigt werden“, sagte er. Bei den erwarteten zusätzlichen Patriot-Systemen gebe es keine konkreten Zusagen, wohl aber erste Schritte. Stoltenberg sagte, dass er von Alliierten in Kürze neue Ankündigungen erwarte. „Arsenale können wieder aufgefüllt werden, verlorene Leben können nicht zurückgeholt werden“, sagte er. In der derzeitigen Situation sei es im Zweifelsfall besser, der Ukraine zu helfen, als Bündnisziele für das Vorhalten von Waffen und Munition zu erfüllen.
Stoltenberg dämpfte aber Hoffnungen der Ukraine auf eine baldige Einladung zur Nato-Mitgliedschaft. Er sei fest davon überzeugt, dass der Ukraine ein Platz in der Nato zustehe, und er arbeite hart daran, dass sie Mitglied des Bündnisses werde. Für eine Aufnahmeentscheidung brauche es aber einen Konsens unter den 32 Bündnismitgliedern. Dieser dürfte aber nicht bis zum nächsten Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Juli in Washington zustande kommen. (dpa)
Neue Militärhilfe aus Deutschland
Russland hat zuletzt seine Luftangriffe auf ukrainische Ziele mit Raketen, Marschflugkörpern, Drohnen und Gleitbomben verstärkt. Neben der Lieferung von Marder-Schützenpanzern bemüht sich Deutschland mit seinem neuen Rüstungspaket, dem Bedarf an Flugabwehr Rechnung zu tragen. Wie die Bundesregierung mitteilte, wurden ein zweites Flugabwehrsystem vom Typ Skynex, knapp 30.000 Schuss Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard und Munition für das System Iris-T geliefert. Das Mitte April zugesagte dritte Flugabwehrsystem vom Typ Patriot stand nicht auf der aktualisierten Liste der deutschen Militärhilfe.
Weiter wurden 7.500 Artilleriegranaten 155, Munition für den Kampfpanzer Leopard 2 und 3.000 Panzerabwehrhandwaffen geliefert. Die ukrainische Armee erhielt auch einen weiteren Brückenlegepanzer Biber, einen Pionierpanzer, neun Minenräumpflüge sowie neun Schwerlastsattelzüge M1070 Oshkosh. (dpa)
Analysten: Moskaus Militär hat jetzt Offensiv-Optionen
Russlands Streitkräfte können dank vorangegangener Erfolge im ostukrainischen Donbassgebiet US-Militärexperten zufolge nun ihre weitere Angriffsrichtung wählen. Westlich der kürzlich eroberten Kleinstadt Awdijiwka gebe es jetzt mehrere taktische Möglichkeiten für Moskau, die Offensive auszuweiten, schrieben die Experten der Denkfabrik ISW in Washington am Montagabend (Ortszeit). Die russische Kommandoführung habe die Wahl, entweder weiter nach Westen zur Industriestadt Pokrowsk vorzustoßen oder nach Norden zu schwenken, um den Angriff auf Tschassiw Jar zu verstärken.
Wegen stockender Munitions- und Waffenlieferungen, aber auch zunehmend wegen fehlender Soldaten sind die Verteidiger dabei im vergangenen Halbjahr stark in die Defensive geraten. Nach dem Verlust der zur Festung ausgebauten Kleinstadt Awdijiwka westlich der schon seit 2014 von prorussischen Kräften kontrollierten Gebietshauptstadt Donezk ist die Front in Bewegung gekommen. Ging es in den Monaten zuvor um Geländegewinne von wenigen Hundert Metern, sind die russischen Truppen seit Februar 15 Kilometer vorgedrungen und haben eine ganze Reihe weiterer Ortschaften besetzt. Auch nördlich davon im Raum Bachmut stehen die Ukrainer unter Druck. Nach Angaben aus Kyjiw will die russische Militärführung zum Tag des Sieges am 9. Mai – an dem für Russland wichtigsten Feiertag wird an den Sieg der Sowjetunion über Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg erinnert – die Eroberung der Stadt Tschassiw Jar als Erfolg vermelden. (dpa)
Royaler Besuch aus Großbritannien in Kyjiw
Erstmals seit Kriegsbeginn hat ein Mitglied der britischen Königsfamilie die Ukraine besucht. Herzogin Sophie – die Schwägerin von König Charles III. – sei auf Bitten des britischen Außenministeriums in die Ukraine gereist, teilte der Buckingham-Palast am Montagabend mit. Der Besuch solle Solidarität mit den Frauen, Männern und Kindern ausdrücken, die vom Krieg betroffen seien. Sophie (59) ist mit Charles' jüngerem Bruder Prinz Edward (60) verheiratet. Sie setzt sich seit Längerem gegen sexualisierte Gewalt ein. In der Ukraine habe sie Präsident Selenskyj und dessen Frau Olena Selenska getroffen und eine Nachricht von König Charles überbracht, teilte der Palast mit. Der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge erinnerte Sophie auch an die Opfer des Massakers von Butscha. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit