+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Angriffe auf Energieinfrastruktur
Präsident Selenskyj fordert nach neuen russischen Raketenangriffen auf Energieanlagen noch mehr Hilfe vom Westen. Russland meldet Geländegewinne.
Russland meldet Abschuss von Drohnen
Russland hat eigenen Angaben zufolge in der Nacht zum Sonntag in mehreren westlichen Regionen 17 ukrainische Drohnen abgeschossen. „Die Luftabwehrsysteme haben 17 ukrainische unbemannte Luftfahrzeuge abgefangen und zerstört“, erklärte das russische Verteidigungsministerium im Onlinedienst Telegram. Demnach wurden die meisten Drohnen in an die Ukraine grenzenden Regionen abgeschossen: neun in Brjansk, drei in Kursk und zwei in Belgorod. Drei weitere Drohnen wurden dem Ministerium zufolge in der Region Kaluga zerstört.
Die Ukraine hat in den vergangenen Monaten mehrere Angriffe auf russische Ölraffinerien gemeldet. Auch Moskau führte jüngst schwere Angriffe auf die Energieinfrastruktur der Ukraine aus, die die Produktion teilweise zum Erliegen gebracht und zu Stromausfällen und -rationierungen geführt haben. (afp)
Russischer Angriff mit Drohnen
Bei einem russischen Drohnenangriff auf die südukrainische Stadt Mykolajiw ist nach Angaben der örtlichen Behörden ein Hotel stark beschädigt worden. Es habe keine Opfer gegeben und das durch den Angriff ausgebrochene Feuer sei rasch gelöscht worden, teilt der Gouverneur der Region Mykolajiw, Witalij Kim, auf Telegram mit. Die russische staatliche Nachrichtenagentur RIA meldet unter Berufung auf russische Untergrundkämpfer in der Region Mykolajiw, in dem Hotel seien Söldner aus dem englischsprachigen Raum untergebracht gewesen. Die Nachrichtenagentur Reuters kann die Berichte unabhängig nicht bestätigen. (rtr)
Selenskyj beklagt Angriffe auf Gastransitnetz
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat russische Angriffe auf das Gastransitsystem seines Landes beklagt. Es seien Objekte angegriffen worden, über die Gas durch die Ukraine in die Europäische Union geleitet werde, sagte Selenskyj in seiner in Kiew am Samstag verbreiteten abendlichen Videobotschaft. Ungeachtet des seit mehr als zwei Jahren andauernden russischen Angriffskrieges fließt weiter Gas der Rohstoffgroßmacht durch die Ukraine – wenn auch in deutlich geringeren Mengen.
Zuvor hatte auch der staatliche ukrainische Gaskonzern Naftogaz russische Attacken gegen das Durchleitungsnetz beklagt, ohne Details zu nennen. Das Unternehmen hatte zuletzt erklärt, von 2025 an – die aktuellen Verträge mit dem russischen Staatskonzern Gazprom laufen zum Jahresende aus – kein russisches Gas mehr in Richtung Westen durchzuleiten. Empfänger sind vor allem Länder ohne Zugang zum Meer, die nicht auf Flüssigerdgas (LNG) umstellen können.
Russland hatte in der Nacht zum Samstag die Ukraine erneut mit Raketenangriffen überzogen und dabei vor allem Energieanlagen ins Visier genommen. Vier Wärmekraftwerke wurden beschädigt, wie das Energieunternehmen DTEK mitteilte. Auch in der Nacht zum Sonntag gab es erneut Luftalarm in der Ukraine. Aus verschiedenen Orten gab es Berichte über Explosionen. Betroffen war demnach auch das Gebiet Kiew. (dpa)
Selenskyj fordert vom Westen mehr Flugabwehrsysteme
Selenskyj forderte nach den jüngsten Luftschlägen erneut vom Westen mehr Unterstützung bei der Flugabwehr. In seiner Videoansprache erklärte er, dass Russland mit seinen massiven Angriffen den Radius ausgeweitet habe, was nun die Arbeit der ukrainischen Flugabwehr weiter erschwere. Die Ukraine brauche mehr Flugabwehrsysteme vom US-Typ Patriot.
„Die Ukraine braucht sieben Systeme, das ist das absolute Minimum. Unsere Partner haben diese Patriots“, sagte Selenskyj. Es dürfte sich um zusätzliche Forderungen handeln – zu den bereits gelieferten Patriot-Systemen. Mitte April hatte Deutschland der Ukraine die Lieferung eines dritten Patriot-Systems zugesagt. Selenskyj hatte auch schon 25 dieser Abwehranlagen mit jeweils 6 bis 8 Batterien gefordert samt der dazugehörigen Raketen. „Jede Abwehrrakete ist buchstäblich ein Lebensretter“, sagte er. Die Ukraine will so die Hoheit über ihren Luftraum wiedererlangen.
Selenskyj forderte den Westen erneut auf, beim Schutz der Ukraine vor russischen Terroristen dieselbe Entschlossenheit zu zeigen wie im Nahen Osten bei der Verteidigung Israels. „Es darf keine Zeit vergeudet werden, das notwendige Signal der Entschlossenheit muss gesendet werden“, betonte er. (dpa)
Polens Außenminister setzt auf Taurus-Freigabe durch Scholz
Auf mehr westliche Entschlossenheit hofft auch Polens Außenminister Radoslaw Sikorski. Er setzt nach der Lieferung weitreichender US-Raketen an die Ukraine darauf, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) doch noch seine Meinung ändert und dem angegriffenen Land deutsche Taurus-Marschflugkörper nicht länger verweigert. „Ich hoffe, der Kanzler fühlt sich durch die Ereignisse der letzten Tage ermutigt“, sagte Sikorski in einem Interview der „Bild am Sonntag“ und anderer Axel-Springer-Medien in Warschau. Die Lieferung von US-ATACMS-Raketen an die Ukraine bezeichnete Sikorski als „Reaktion auf die russische Eskalation“ in der Ukraine, auf die auch Deutschland reagieren müsse.
Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass die Ukraine von den USA weitreichende ATACMS-Raketen erhalten hat. Scholz lehnt es indes strikt ab, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Er befürchtet, dass Deutschland bei Bereitstellung der Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern in den Krieg hineingezogen werden könnte.
„Die Russen haben bereits 70 Prozent der ukrainischen Stromerzeugungskapazität abgeschaltet. Das ist eigentlich ein Kriegsverbrechen“, sagte Sikorski weiter. In Berlin habe eine Konferenz über den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg stattgefunden. Besser wäre es aber, die Zerstörung des Landes zu verhindern, gab der polnische Außenminister zu bedenken. (dpa)
Selenskyj: Arbeiter beseitigen Schäden an Energieanlagen
Arbeiter in der Ukraine seien indes dabei, die Schäden durch die jüngsten russischen Angriffe an Energieanlagen zu beseitigen, sagte Selenskyj. Betroffen seien die Regionen Lwiw (früher Lemberg), Iwano-Frankiwsk, Charkiw und Dnipropetrowsk.
Moskau hatte zuvor den massiven neuerlichen Beschuss von Energieanlagen in der Ukraine damit erklärt, dass Kiew mit Drohnen ebenfalls russische Infrastruktur angreife. Bei einem solchen Angriff brach am Samstag im Gebiet Krasnodar in einem ölverabeitenden Betrieb ein Feuer aus. Die Schäden auf russischer Seite stehen allerdings in keinem Verhältnis zu den massiven Zerstörungen durch Moskaus Raketenschläge gegen ukrainische Anlagen. (dpa)
Russische Armee meldet Vorrücken im Gebiet Donezk
Derweil berichteten die russischen Streitkräfte am Samstag, dass sie nach der Einnahme einzelner Ortschaften im Gebiet Donezk nun tief in die Verteidigung der ukrainischen Armee eingedrungen seien. Die Angaben waren nicht überprüfbar. Allerdings hatten auch westliche Militärexperten den russischen Truppen zuletzt einzelne taktische Erfolge bescheinigt. Auch ukrainische Medien berichteten am Samstagabend, dass Russland etwa das Dorf Berdytschi erobert habe und sich auch in dem Ort Otscheretyne festsetze.
Der ukrainische Oberkommandierende Olexander Syrskyj bezeichnete die operativ-strategische Lage an der Front als schwierig. Die Situation habe die Tendenz, sich zu verschlechtern, teilte der Befehlshaber am Samstag im Nachrichtenkanal Telegram mit. Darüber habe er mit anderen Teilnehmern Kiews beim virtuellen Treffen der US-geführten Ukraine-Kontaktgruppe am Vortag die westlichen Verbündeten unterrichtet.
Syrskyj informierte demnach auch über die Vielzahl an russischen Luftschlägen gegen die Energieinfrastruktur des Landes. Die Ukraine brauche für ihre Verteidigung dringend und zeitnah Raketen, Munition, militärische Ausrüstung und Kampftechnik. Dabei dankte er einmal mehr auch den USA für ihre Hilfe. Die USA wollen weitere Waffen und Unterstützung im Umfang von sechs Milliarden US-Dollar (5,6 Milliarden Euro) zur Verfügung stellen, wie US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Freitag mitteilte. (dpa)
Schröder feiert 80. Geburtstag in Berlin
Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat seinen 80. Geburtstag am Samstagabend im Berliner Promi-Restaurant Borchardt nachgefeiert. Zu seinen Gästen zählten auch aktive Politiker wie der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki mit seiner Frau Annette Marberth-Kubicki sowie die Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi (Linke) und Peter Ramsauer (CSU). Aus seiner eigenen Partei SPD waren der frühere Parteichef und Außenminister Sigmar Gabriel mit seiner Frau Anke Stadler und Hannovers ehemaliger Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg im Lokal am Gendarmenmarkt dabei.
Außerdem unter den Gästen: Schröders früherer Kulturstaatsminister Michael Naumann sowie seine ehemaligen Regierungssprecher Béla Anda und Thomas Steg, Ex-Bild-Chefredakteur Kai Diekmann, der Maler Markus Lüpertz und der Unternehmensberater Roland Berger. Eigentlich wollte auch der frühere SPD- und Linken-Chef Oskar Lafontaine mit seiner Frau Sahra Wagenknecht kommen, mit dem sich Schröder erst vor wenigen Wochen nach vielen Jahren Funkstille versöhnt hatte. Er musste nach eigenen Angaben in einem „Spiegel“-Interview aber wegen eines Termins in Frankreich absagen.
Schröder war am 7. April 80 geworden. Weil er trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine an der Freundschaft mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin festhält, wird er von der SPD-Führung ausgegrenzt. Immerhin hatten die Parteichefs Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie Kanzler Olaf Scholz ihm schriftlich zum Geburtstag gratuliert. Schröder ist bis heute für die mehrheitlich russischen Gesellschaften der Nord-Stream-Pipelines durch die Ostsee tätig. Von 1998 bis 2005 war er Kanzler der ersten rot-grünen Regierung auf Bundesebene.
Die Party wurde von Schröders Frau Soyeon Schröder-Kim organisiert. Die Gästeliste hielt sie bis zuletzt geheim. Zum 70. Geburtstag hatte die SPD ihren Altkanzler und ehemaligen Vorsitzenden 2014 – wenige Tage nach der russischen Annexion der ukrainischen Krim – noch mit einem Festakt im Berliner Kunstmuseum Hamburger Bahnhof gewürdigt. Der damalige SPD-Chef Gabriel nannte Schröder damals in seiner Laudatio einen „der ungewöhnlichsten sozialdemokratischen Politiker“. Auch die Stadt Hannover richtete einen Festakt für ihren damaligen Ehrenbürger Schröder aus. Inzwischen hat der Ex-Kanzler die Ehrenbürgerschaft niedergelegt, nachdem ein Verfahren zum Entzug gegen ihn eingeleitet worden war. (dpa)
Ariston und Bosch-Tochter unter Zwangsverwaltung:
Deutschland und Italien haben empört reagiert auf die Entscheidung Moskaus, die Bosch-Tochter BSH Household Appliances und die Tochterfirma der italienischen Heiztechnik-Firma Ariston Thermo Group in Russland unter „vorläufige Aufsicht“ des Konzerns Gazprom zu stellen. „Wir verurteilen die angeordnete Zwangsverwaltung und behalten uns in enger Abstimmung mit Italien eine weitere Reaktion vor“, hieß es am Samstagabend aus dem Auswärtigen Amt. Die italienische Regierung bestellte den russischen Botschafter ein.
„Die Regierung verlangt eine Klarstellung zu der Verstaatlichung der Ariston Thermo Group“, erklärte der italienische Außenminister Antonio Tajani im Onlinedienst X. Italien arbeite in der Sache auch „mit Brüssel in Verbindung mit Deutschland“ zusammen. Tajani tauschte sich nach eigenen Angaben auch mit dem Ariston-Management über die Angelegenheit aus. Seine Regierung stehe „an der Seite der Unternehmen“ und sei „bereit, sie auf allen internationalen Märkten zu schützen“. Ein EU-Sprecher verurteilte das Vorgehen Moskaus als „einen weiteren Beweis für Russlands Missachtung internationaler Gesetze und Regeln“.
In Moskau war am Freitag ein auf Donnerstag datiertes Dekret von Staatschef Wladimir Putin veröffentlicht worden, das die Kontrolle über alle Ariston-Aktien in russischen Unternehmen an Gazprom Household Systems überträgt, eine Tochter des staatlichen russischen Gasriesen Gazprom. Betroffen sind demnach der Ableger Ariston Thermo Rus, welcher der Ariston Holding NV gehört, sowie die Firma BSH Household Appliances, die wiederum der BSH Hausgeräte GmbH gehört – einem Joint Venture, das von den deutschen Konzernen Bosch und Siemens gegründet worden war und seit 2015 vollständig zu Bosch gehört.
Eine Sprecherin der BSH Hausgeräte GmbH teilte auf Anfrage mit, das Unternehmen führe derzeit Gespräche mit Gazprom Household Systems und wolle die russische Entscheidung zunächst nicht kommentieren. Die beiden Bosch-Werke in St. Petersburg, in denen Waschmaschinen und Kühlschränke produziert wurden, seien bereits seit März 2022 stillgelegt. BSH führe keine Haushaltsgeräte und Teile mehr nach Russland aus, sagte die Unternehmenssprecherin der Nachrichtenagentur AFP. Die Ariston Group zeigte sich „äußerst überrascht“ über das Dekret. „Wir warten auf eine Erklärung für diese unerwartete Maßnahme“, erklärte das Unternehmen.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Moskau sich der russischen Tochterfirmen diverser westlicher Unternehmen bemächtigt, wie etwa des Lebensmittelriesen Danone oder des Bierherstellers Carlsberg. Die russischen Behörden sprechen in diesen Fällen von der Übernahme einer „vorläufigen Kontrolle“ und stellen sie als Antwort auf westliche Sanktionen gegen russische Unternehmen dar. Westliche Regierungsvertreter und einige der Unternehmen haben die „Verstaatlichung“ privater Unternehmen durch Moskau verurteilt. (afp)
Scholz wirbt für „Kurs der Besonnenheit“
Zum Auftakt des Europawahlkampfs der SPD hat Bundeskanzler Olaf Scholz seinen „Kurs der Besonnenheit“ im Ukraine-Krieg verteidigt. „Ich wundere mich, wenn einige sagen, besonnene Politik ist nicht richtig“, betonte der Kanzler am Samstag bei einer Großkundgebung in seiner Heimatstadt Hamburg. „Wir machen das Meiste, aber wir machen es klug abgewogen, zum richtigen Zeitpunkt und mit aller Konsequenz.“
Scholz bekräftigte, dass Deutschland unter seiner Führung als – wie er sagte – größter Waffenlieferant weiter an der Seite der Ukraine stehen, aber eine direkte Konfrontation der Nato mit Russland vermeiden werde. „Denjenigen, die sich Sorgen machen, die Angst haben, denen sage ich: Sie können sich darauf verlassen, dass egal, wie die Debatten jeweils laufen, der deutsche Bundeskanzler, die von mir geführte Regierung, den Kurs der Besonnenheit, den Kurs, abgewogen zu handeln und Frieden und Sicherheit in Europa zu gewährleisten, nicht verlassen werden.“
Scholz wird von der Union, aber auch von Politikern seiner beiden Koalitionspartner Grüne und FDP für sein Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in die Ukraine scharf kritisiert. Die große Mehrheit der Bevölkerung steht Umfragen zufolge aber hinter seiner Entscheidung. Scholz war deswegen aus der Opposition vorgeworfen worden, die Entscheidung gegen Taurus getroffen zu haben, um einen „Friedens-Wahlkampf“ führen zu können.
„Frieden“ ist nun einer der zentralen Begriffe auf den Wahlplakaten der SPD, auf denen Scholz und Spitzenkandidatin Katarina Barley zusammen zu sehen sind. Parteichef Lars Klingbeil erklärte das auf der Kundgebung auf dem Altonaer Fischmarkt damit, dass sich die SPD mit ihren früheren Kanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt immer wieder für Frieden in der Welt starkgemacht habe. „Und diese Politik, in dieser Tradition, setzt unser sozialdemokratischer Kanzler Olaf Scholz fort. Und ich bin dankbar dafür, wie besonnen er in dieser Zeit, wo so vieles aus den Fugen gerät, handelt.“ (dpa)
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