+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: EU kassiert russische Gelder ein
Die EU ist sich einig geworden, was mit eingefrorenen Vermögenswerten der russischen Zentralbank passieren soll. Neue Angriffe auf die Ukraine mit Kampfdrohnen.
Russische Gelder für die Ukraine
Die EU-Staaten haben sich einem Insider zufolge auf einen ersten Schritt zur Verwendung von russischen Geldern zum Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg geeinigt. Die EU-Vertreter der einzelnen Mitgliedsländer hätten eine Grundsatzeinigung erzielt, die Milliarden von Euro an eingefrorenen Vermögenswerten der russischen Zentralbank in Europa beiseitezulegen, wie am Montag aus belgischen Kreisen verlautete. Der einstimmig beschlossene Text werde vor einer formellen Annahme rechtlich und sprachlich geprüft.
Die EU-Kommission dürfte dann vorschlagen, das zur Seite gelegte Geld in den EU-Haushalt zu übertragen und schließlich an die Ukraine weiterzuleiten. Wann dies geschehen sollte, war zunächst unklar. Stellungnahmen der EU, Russlands und der Ukraine lagen zunächst nicht vor. Die EU, die USA, Japan und Kanada hatten nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine etwa 300 Milliarden Dollar an Vermögenswerten der russischen Zentralbank eingefroren. Etwa 200 Milliarden Dollar davon werden in Europa gehalten. Deutschland und Frankreich haben bereits Bedenken gegen den beschriebenen Plan geäußert. Die EZB hat gewarnt, er könne das Vertrauen in den Euro untergraben und die globalen Märkte destabilisieren. (rtr)
Kyjiw meldet russische Angriffe mit 35 Kampfdrohnen
Russland hat die Ukraine in der Nacht zum Dienstag laut Kyjiwer Angaben erneut mit Dutzenden Kampfdrohnen angegriffen. Von insgesamt 35 der unbemannten Fluggeräte hätten unter anderem in den Regionen Mykolajiw, Sumy, Charkiw und Kyjiw 15 abgewehrt werden können, teilte die ukrainische Luftwaffe am Morgen mit. Zudem hätten die Russen zwei für Angriffe umfunktionierte Flugabwehrraketen vom Typ S-300 auf das östliche Gebiet Donezk abgefeuert. In Dnipropetrowsk brach den dortigen Behörden zufolge nach einem Drohneneinschlag ein Brand aus. Über mögliche Opfer gab es zunächst keine Informationen.
Russland, das seit fast zwei Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, überzieht das Nachbarland immer wieder großflächig mit Drohnen- und Raketenbeschuss. Während etwa die Hauptstadt Kyjiw dank westlicher Hilfe verhältnismäßig gut mit Luftverteidigungssystemen ausgestattet ist, können andere ukrainische Regionen die Angriffe oft deutlich schlechter abwehren. (dpa)
Ukrainische Drohnenangriffe auf die Krim und andere Regionen
Die russische Luftabwehr hat nach eigenen Angaben in der Nacht zu Dienstag ukrainische Drohnenangriffe auf die 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim und vier weitere Regionen abgewehrt. 21 ukrainische Drohnen seien insgesamt abgeschossen worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Betroffen waren neben der Krim den Angaben zufolge auch die Regionen Belgorod, Brjansk, Kaluga und Tula. Allein über der Schwarzmeerhalbinsel Krim seien 11 Drohnen abgefangen worden. Über Schäden oder Verletzte gab es keine Angaben.
Unabhängig überprüfbar waren diese Angaben nicht. In vielen Fällen erweist sich hinterher, dass der ukrainische Beschuss doch Schäden angerichtet hat, über die offiziell nicht berichtet wird. Für die russische Armee ist die Krim Aufmarschgebiet im Angriffskrieg gegen die Ukraine. Über die Halbinsel läuft der Nachschub an Soldaten, Waffen und Munition. Deshalb bemüht sich die Ukraine, russische Militärziele auf der Krim zu zerstören. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski strebt eine Rückeroberung der Halbinsel an.
Russland führt seit fast zwei Jahren einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine. Bei ihrem Abwehrkampf gegen die russische Invasion beschießt die Ukraine auch immer wieder russisches Staatsgebiet – sowohl in der Grenzregion als auch im Hinterland. Opferzahlen und Schäden stehen dabei allerdings in keinem Verhältnis zu den schweren Kriegsfolgen in der Ukraine. (dpa)
FDP und Grüne drängen Scholz weiter zu Taurus-Lieferung
FDP und Grüne drängen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weiter zu einer Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. „Wir sollten Taurus-Marschflugkörper schnell liefern“, sagt Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) der Süddeutschen Zeitung vom Dienstag. Deutschland müsse sich „daran messen, was wir versprochen haben“. „Und wir haben versprochen, dass wir alles bereitstellen, was wir können und was die Ukraine braucht“, sagte Göring-Eckardt. „Taurus ist das, was wir haben und die Ukraine jetzt braucht.“
Die Grünen-Politikerin warnte, der russische Präsident Wladimir Putin werde „nicht aufhören, Territorium zu erobern, wenn er das Gefühl bekommt, es sei möglich, sich Landstriche einzuverleiben“. Dann werde er auch anderswo in Europa angreifen. „Das betrifft besonders die baltischen Staaten“, sagte Göring-Eckardt. „Aber das gefährdet letztlich auch uns.“
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der Süddeutschen Zeitung, er hielte es für „sinnvoll und richtig, die Ukraine mit Taurus-Marschflugkörpern zu unterstützen“. Was die Ukraine brauche, sei militärische Hilfe, um sich gegen Russland zu verteidigen. „Wir müssen uns immer darüber im Klaren sein, dass die Ukraine im Kampf gegen Putin nicht nur sich selbst verteidigt, sondern auch die demokratischen Werte und Überzeugungen, die wir teilen“, fügte Dürr hinzu.
Scholz steht seit Monaten unter Druck, der Ukraine auch Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Am Sonntag bekräftigte er mit Blick auf die Unterstützung für das Land, diese werde weiter „mit Bedacht“ und „international abgestimmt“ erfolgen. Deutsche „Alleingänge“ werde es weiterhin nicht geben. (afp)
Blinken: Ohne Ukraine-Hilfe ist „alles“ in Gefahr
Die US-Regierung versucht weiter, die oppositionellen Republikaner von ihrer Blockade neuer Ukraine-Hilfen abzubringen. US-Außenminister Antony Blinken sagte bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Washington, ohne zusätzliche US-Hilfen sei „alles“ in Gefahr, was die Ukraine in den knapp zwei Jahren seit Kriegsbeginn erreicht habe.
Sollte der US-Kongress keine neuen Militärhilfen für Kyjiw beschließen, wäre dies eine „starke und falsche Botschaft an alle unsere Gegner, dass wir es mit der Verteidigung der Freiheit und der Verteidigung der Demokratie nicht ernst meinen“, sagte Blinken weiter. Es würde Putin in seiner Vorstellung bestärken, dass die Zeit auf seiner Seite sei.
US-Präsident Joe Biden hatte den Kongress schon im Oktober um neue Hilfen für Kyjiw in Höhe von rund 61 Milliarden Dollar (knapp 56 Milliarden Euro) gebeten. Die Republikaner blockieren neue Militärhilfen aber seit Monaten. (afp)
Außenminister der Ukraine und Ungarns beraten
Die Nachbarländer Ukraine und Ungarn haben bei einem Außenministertreffen versucht, Probleme in ihrem belasteten Verhältnis auszuräumen. Dabei sei ein „großer Schritt“ hin zu einem Treffen des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski und des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán gemacht worden. Das teilte Selenskis Präsidialamtschef Andrij Jermak am Montag mit. Er nahm an der Begegnung der Außenminister Dmytro Kuleba (Ukraine) und Peter Szijjarto (Ungarn) in der westukrainischen Stadt Uschhorod teil
„Beide Seiten haben heute deutlich gemacht, dass sie an einem Treffen auf der Ebene des ungarischen Premierministers und des ukrainischen Präsidenten interessiert sind“, sagte Jermak nach Medienberichten. Abgesehen von einem kurzen Wortgefecht in Argentinien sind sich Orbán und Selenski noch nicht begegnet. Der Ungar, der gute Beziehungen zu Moskau pflegt, lehnt Waffenlieferungen an Kyjiw ab, weil sie angeblich den Krieg verlängern. Er ist auch gegen den Beitritt der Ukraine zu EU und Nato und hat mehrfach versucht, Hilfen der EU zu blockieren.
Zwischen den Außenministern ging es den Berichten nach vor allem um die Rechte der ungarischen Minderheit in der westlichen Ukraine. Die Regierung in Budapest solle eine Liste aller Fragen dazu erstellen, sagte Kuleba nach dem Treffen. Dann solle eine Kommission beider Seiten Antworten und Lösungsvorschläge unterbreiten – und zwar binnen „zehn Tagen“, wie Kuleba sagte. (dpa)
Ministerium dementiert Entlassung des Oberbefehlshabers
Das ukrainische Verteidigungsministerium hat Berichten über eine Entlassung von Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj widersprochen. „Sehr geehrte Journalisten, wir antworten allen zugleich: Das stimmt nicht“, teilte das Ministerium am Montag in Kyjiw auf Telegram mit. Zuvor hatte sich in ukrainischen Medien die Nachricht verbreitet, Präsident Wolodimir Selenski habe Saluschnyj entlassen; der entsprechende Erlass sei aber noch nicht veröffentlicht. Auch Selenskis Sprecher Serhij Nykyforow dementierte: „Das ist nicht Gesprächsgegenstand“, sagte er der ukrainischen Agentur Interfax Ukrajina zufolge.
Der 50-jährige Saluschnyj wurde wenige Monate vor dem russischen Einmarsch vom Februar 2022 Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee. Unter seinem Kommando hielten die ukrainischen Truppen der Invasion stand und eroberten sogar besetzte Gebiete zurück. Der General gilt als beliebt bei seinen Soldaten und in der Bevölkerung. Deshalb wurden ihm auch politische Ambitionen nachgesagt, die er aber dementierte. (dpa)
AKW Chmelnyzkyj soll größtes in Europa werden
Die Ukraine plant im Atomkraftwerk Chmelnyzkyj mit westlicher Hilfe den Bau von vier weiteren Reaktoren. „Und mit der Leistung von sechs Reaktoren wird es das größte in Europa und sogar leistungsfähiger als das Atomkraftwerk Saporischschja werden“, teilte Energieminister Herman Haluschtschenko am Montag mit. Der Baubeginn sei noch in diesem Jahr geplant.
Die Reaktoren drei und vier werden demnach sowjetischer Bauart vom Typ WWER-1000 sein. Zwei weitere sollen vom US-amerikanischen Typ AP-1000 der Firma Westinghouse errichtet werden. Zusammengenommen hätte damit das Kraftwerk eine Bruttoleistung von mehr als 6.200 Megawatt. „Wir sehen das als einen Mechanismus zur Kompensation der Kapazitäten des besetzten AKW Saporischschja“, sagte der Minister.
Zugleich betonte er, dass das AKW in der Südostukraine früher oder später wieder unter ukrainische Kontrolle kommen werde. „Die Frage ist, in welchem Zustand wir es zurückbekommen werden und ob wir in der Lage sein werden, es sofort wieder in Betrieb zu nehmen“, erklärte Haluschtschenko. Das aus sechs Reaktoren bestehende Atomkraftwerk Saporischschja ist nach dem russischen Einmarsch im März 2022 besetzt worden. Alle Reaktoren wurden aus Sicherheitsgründen heruntergefahren.
Das AKW Chmelynzkyj ist mit aktuell zwei Reaktoren sowjetischer Bauart von jeweils 1.000 Megawatt Bruttoleistung das kleinste der vier Atomkraftwerke der Ukraine. Es liegt etwa 180 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt. Vor der russischen Invasion vor knapp zwei Jahren basierte die ukrainische Stromproduktion zu mehr als 50 Prozent auf Atomkraft. Kyjiw exportiert regelmäßig Stromüberschüsse in die Europäische Union. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen