+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Weniger Goethe in Moskau
Hunderte deutsche Diplomaten, Kulturmittler und Lehrer sollen Russland verlassen. Laut US-Experten täuscht der Kreml lediglich Verhandlungsbereitschaft vor.
Russisches Außenministerium diktiert Personalstärke
Mehrere Hundert deutsche Staatsbedienstete wie Diplomaten, Lehrer und Mitarbeiter der Goethe-Institute müssen einem Bericht zufolge Russland verlassen. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung am Samstag. Das Auswärtige Amt habe auf Anfrage mitgeteilt, im Zusammenhang mit der Reduzierung der Präsenz russischer Nachrichtendienste in Deutschland habe das russische Außenministerium im April die Entscheidung getroffen, für den Personalbestand der deutschen Auslandsvertretungen und Mittlerorganisationen in Russland eine Obergrenze einzuführen. „Diese von Russland ab Anfang Juni festgelegte Grenze erfordert einen großen Einschnitt in allen Bereichen unserer Präsenz in Russland.“
Betroffen sind nach Zeitungsangaben in einer niedrigen bis mittleren dreistelligen Zahl Diplomaten, aber vor allem Kulturmittler, wie etwa Lehrerinnen und Lehrer der deutschen Schule in Moskau und in erheblicher Zahl Mitarbeiter der Goethe-Institute.
Deutschland und Russland hatten im Zuge ihrer schweren Spannungen in der Vergangenheit immer wieder gegenseitig Diplomaten ausgewiesen. Schon jetzt sind die Vertretungen stark ausgedünnt, die Dienstleistungen für deutsche Staatsbürger sind reduziert oder mit längeren Wartezeiten etwa bei der Ausstellung von Dokumenten verbunden. Die Lage hat sich mit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine deutlich verschärft.
„Angesichts dieser einseitigen, nicht gerechtfertigten und nicht nachvollziehbaren Entscheidung geht es der Bundesregierung nun darum, eine Minimalpräsenz der Mittler in Russland bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung auch der diplomatischen Präsenz sicherzustellen“, zitiert die Zeitung das Auswärtige Amt. Dies sei nur möglich, wenn „in allen Bereichen die Zahl der Mitarbeitenden teils stark reduziert wird“. Mit Blick auf die Obergrenze bei der russischen Präsenz in Deutschland werde die Bundesregierung darauf achten, dass auch in der Praxis eine echte Ausgewogenheit bestehe, hieß es weiter. (dpa)
Kyjiw erbittet Marschflugkörper von Berlin
Im Abwehrkampf gegen Russland hat die Ukraine die Bundesregierung um die Lieferung von Marschflugkörpern vom Typ Taurus gebeten. Eine entsprechende Anfrage aus Kyjiw sei in den vergangenen Tagen eingegangen, sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums am Freitagabend in Berlin. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte an, bei seinen westlichen Partnern weiter um Unterstützung werben zu wollen.
„Wir werden alles Mögliche und Unmögliche tun, um die Lieferung weiterer Luftverteidigungssysteme höherer Qualität an die Ukraine zu beschleunigen“, sagte das Staatsoberhaupt in seiner abendlichen Videoansprache. Das sei „im wahrsten Sinne des Wortes eine tägliche Angelegenheit in der Zusammenarbeit mit Partnern“. Bei der Modernisierung der Verteidigung komme sein Land schneller voran, als noch vor sechs Monaten absehbar gewesen sei.
Details der Anfrage aus Kyjiw an das Verteidigungsministerium in Berlin sind noch unklar. So etwa die Frage, um wie viele Einheiten der Marschflugkörper die Ukraine gebeten hat. Zuvor hatte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung über die Taurus-Anfrage der Ukraine berichtet. Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter hatte sich vor wenigen Tagen für Lieferungen ausgesprochen und gesagt: Die Lenkwaffen mit bis zu 500 Kilometern Reichweite ermöglichten dem angegriffenen Land „Schläge gegen die militärische Infrastruktur der Russen weit hinter der Frontlinie“. (dpa)
Russland täuscht Verhandlungsbereitschaft vor
Russland übt nach Einschätzung von US-Experten erneut Druck auf den Westen aus, um die Ukraine zu Verhandlungen zu drängen. Demnach solle der Westen auf die ukrainische Führung einwirken, die Bedingungen Russlands für solche Gespräche zu akzeptieren, hieß es in einer Analyse des Instituts für Kriegsstudien ISW in Washington. Die Experten beriefen sich auf Kremlangaben vom Freitag, wonach der russische Präsident Wladimir Putin offen sei für Dialog. Wie in der Vergangenheit sei es nur Ziel Russlands, mit einer vorgetäuschten Verhandlungsbereitschaft den Westen in seiner Hilfe für die Ukraine zu demotivieren, hieß es.
Russland wirft der Ukraine und dem Westen vor, Verhandlungen zu blockieren. Zugleich lehnt Moskau einen Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ab, der einen russischen Truppenabzug vorsieht. Die Ukraine und auch etwa Deutschland sind gegen ein Einfrieren des Krieges mit den von Russland besetzten Gebieten.
Nach ISW-Einschätzung hat Russland bisher keine Voraussetzungen geschaffen für solche Verhandlungen oder sich von seinem Maximalziel einer Kapitulation der ukrainischen Regierung verabschiedet. Es sei wahrscheinlich, dass der Kreml seine falschen Behauptungen intensiviere, bereit für Gespräche zu sein. Zugleich sehen die ISW-Experten weiter Versuche Chinas, mit seinem Sondergesandten Li Hui den Westen dazu zu drängen, seinen Einfluss auf die Ukraine zu nutzen, um einen Waffenstillstand zu erwirken.
Die EU-Staaten und die USA haben stets betont, ihre Unterstützung der Ukraine fortzusetzen. Das von Russland seit mehr als 15 Monaten angegriffene Land setzt auf schwere Waffen und Munition des Westens, um seine besetzten Gebiete zu befreien. Betont wird im Westen stets, dass die Ukraine selbst über ihre Zukunft entscheiden solle.
Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj, veröffentlichte indes ein Video, das Soldaten bei einem Gebet und der Vorbereitung auf die Großoffensive zeigt. „Es ist Zeit, sich das zurückzuholen, was uns gehört“, heißt es in dem Video. Die Ukraine gehe in die Offensive, um ihre Gebiete von den Besatzern zu befreien und das Banner des Sieges zu hissen. Zuvor hieß es schon aus dem Präsidentenbüro in Kyjiw, dass die Offensive bereits seit Tagen laufe. (dpa)
200 Milliarden Euro von russischer Zentralbank eingefroren
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) haben einem Bericht zufolge insgesamt 200 Milliarden Euro der russischen Zentralbank eingefroren. Das teilte die EU-Kommission der „Welt am Sonntag“ mit. Insgesamt beläuft sich die Zahl des festgesetzten Auslandsvermögens der Notenbank in den G7- und EU-Ländern laut dem Bericht auf rund 300 Milliarden Euro.
In der EU wurde dem Bericht zufolge Vermögenswerte russischer Oligarchen in Höhe von 24,1 Milliarden Euro festgesetzt. Damit seien 1473 Oligarchen und 205 Firmen sanktioniert worden. Ende Dezember hatte die Summe des eingefrorenen Vermögens 18,9 Milliarden Euro betragen. Die deutschen Behörden haben in den vergangenen drei Monaten derweil kein zusätzliches Vermögen festgesetzt, wie das Bundesfinanzministerium der Welt am Sonntag mitteilte.
Dem Ziel, Russland für den Wiederaufbau der Ukraine bezahlen zu lassen, kommt die EU dem Bericht zufolge nicht näher. Brüssel dürfe das russische Geld nicht beschlagnahmen, teilte ein Kommissionssprecher mit. Es müsse zurückgegeben werden, sobald die Sanktionen aufgehoben werden.
Die Diskussionen über einen Alternativplan, die Gelder am Kapitalmarkt zu investieren und Kyjiw die Erlöse daraus zu überweisen, „dauern noch an“. Eine Entscheidung sei frühstens beim nächsten Gipfel des Europäischen Rates Ende Juni zu erwarten. (afp)
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