piwik no script img

+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++Zum Neujahr Angriffe auf Kyjiw

An Silvester meldet die Ukraine Luftangriffe auf die Hauptstadt. Für 2023 hofft Selenski auf Sieg, Putin beschuldigt in seiner Neujahrsrede den Westen.

Der Kommandant Taras Lukinchuk wünscht den ukrainischen Soldaten im Feld ein frohes neues Jahr, in Donezk Foto: Clodagh Kilcoyne/REUTERS

Deutschland führt ab jetzt die Nato-Eingreiftruppe VJTF

Deutschland hat mit dem Jahresbeginn die Führung der Schnellen Eingreiftruppe der Nato (VJTF) übernommen. Die Bundeswehr stellt damit etwa 8000 Männer und Frauen für die insgesamt rund 11 500 Soldaten zählende Truppe. Diese muss in 48 bis 72 Stunden bereit sein, um dorthin verlegt zu werden, wo das Bündnis sie jeweils benötigt. Die Nato bezeichnet ihre „Speerspitze“, deren Führung jährlich wechselt, als einen wesentlichen Beitrag zur Abschreckung und Verteidigung in Europa.

„Während der illegale Krieg Russlands in der Ukraine weiter Frieden und Sicherheit in Europa bedroht, darf es keinen Zweifel an der Entschlossenheit der Nato geben, jeden Zentimeter des Bündnisgebietes zu schützen und zu verteidigen“, hatte dazu Nato-Sprecherin Oana Lungescu in Brüssel vor dem Jahreswechsel mitgeteilt. Die Nato danke Deutschland für die Übernahme der VJTF-Führung im Jahr 2023.

An den multinational aufgestellten Kräften beteiligen sich in diesem Jahr insgesamt neun Nato-Staaten, darunter auch Belgien, Tschechien, Lettland, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen und Slowenien. Die Panzergrenadierbrigade 37 „Freistaat Sachsen“ ist Leitverband für die multinationalen Landanteile der VJTF. Von den etwa 5000 Soldaten der Brigade gehen rund 4000 in die Nato-Verpflichtung.

Der Aufbau einer superschnellen Eingreiftruppe („Very High Readiness Joint Task Force/VJTF“) geht auf Beschlüsse beim Nato-Gipfel in Wales im September 2014 zurück und war Reaktion auf die russische Annexion der Krim. Die Nato hat seitdem den Schutz von Verbündeten im Osten, die sich von Russland bedroht fühlen, verstärkt. Die VJTF ist dabei die Truppe mit der höchsten Bereitschaft zu kurzfristigen Einsätzen.

Ein Ausfall der Schützenpanzer Puma bei einer Schießübung im Dezember hatte die Beteiligung der Bundeswehr an der VJTF überschattet. Nach zahlreichen technischen Defekten teilte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) mit, die deutschen Soldaten würden nicht mit dem Puma als Gefechtsfahrzeug bereitgestellt, sondern mit dem älteren Marder. (dpa)

45 Kampfdrohnen in der Nacht zu Neujahr zerstört

Russland hat die Ukraine in der Nacht zu Neujahr nach Angaben der Flugabwehr in Kyjiw mit insgesamt 45 Drohnen angegriffen. Alle Kamikaze-Kampfdrohnen vom iranischen Typ Schahed-136 seien von der ukrainischen Luftverteidigung zerstört worden, teilten die Streitkräfte am Neujahrstag in Kyjiw mit. „Es ist nicht gelungen, den Ukrainern das Fest zu verderben“, hieß es in der Mitteilung. Russland setzt die Drohnen unter dem eigenen Namen Geran – zu Deutsch: Geranie – ein, um eine iranische Beteiligung zu verschleiern. Russland und der Iran arbeiten seit langem militärisch zusammen.

„Die Soldaten der ukrainischen Luftstreitkräfte gratulieren ihrer unbezwingbaren Nation zum neuen Jahr 2023! Gemeinsam zum Sieg!“, hieß es in der Mitteilung vom Sonntag weiter. Am Silvestertag hatte Russland Militärangaben aus Kyjiw zufolge auch 20 Raketen auf die Ukraine abgefeuert, von denen die meisten zerstört worden seien. Betroffen waren die Hauptstadt Kyjiw und andere Städte des Landes.

Der Iran hatte zahlreichen Berichten zufolge bereits im August Drohnen nach Russland geschickt, die zum Beispiel für Angriffe auf militärische Objekte wie Radaranlagen und Artillerie sowie Energieinfrastruktur benutzt werden können. Wenige Wochen später attackierten Russlands Streitkräfte Ziele in der Ukraine mehrfach mit iranischen Kamikaze-Drohnen vom Typ Schahed 136, die große Schäden anrichteten. Die EU verhängte daraufhin zusätzliche Sanktionen gegen den ohnehin schon mit einer Reihe von Strafmaßnahmen belegten Iran. (dpa)

Selenski: Ukraine wird bis zum Sieg kämpfen

Ukraines Präsident Wolodimir Selenski hat in seiner Neujahrsansprache ein sieghaftes Ende im Kampf gegen Russland angekündigt. „Wir kämpfen und werden weiter kämpfen. Um des einen wichtigen Wortes willen: Sieg“, sagte Selenski. In seiner emotionalen Rede überhäufte er seine Landsleute mit Lob. „Ich will Euch allen sagen: Ukrainer, Ihr seid unglaublich. Seht, was wir getan haben und was wir weiter tun!“

Selenski hob die ukrainischen Erfolge bei der Abwehr der russischen Invasion hervor. „Wie unsere Soldaten diese ‚zweite Armee der Welt‘ seit dem ersten Tag zerstört haben. Wie unser Volk ihre Ausrüstung und ihre Infanteriekolonnen gestoppt hat“, betonte der ukrainische Präsident.

„Jeder von uns ist ein Kämpfer“, fuhr Selenski fort. „Jeder von uns ist die Grundlage der Verteidigung.“ Die Ukrainer „kämpfen als ein Team – das ganze Land, alle Regionen. Ich bewundere Euch alle. Ich möchte jeder unbesiegbaren Region der Ukraine danken.“

Weniger als eine Stunde nach dem Jahreswechsel kam es erneut zu einer Explosion in der Hauptstadt. Klitschko erklärte um 00.35 Uhr (Ortszeit, 23.35 Uhr MEZ) im Online-Dienst Telegram: „Explosion in der Hauptstadt gehört. Luftabwehr funktioniert.(afp)

Putin wirft dem Westen Heuchelei und Aggression vor

Der russische Präsident Wladimir Putin hat in seiner Neujahrsansprache westlichen Ländern Lügen und Aggression vorgeworfen. Der Westen versuche, den Konflikt in der Ukraine für sich auszunutzen, sagte Putin in seiner Videoansprache, die am Samstag in allen elf Zeitzonen des Landes im staatlichen Fernsehen gezeigt wurde. Er sprach von einem militärischen Hauptquartier aus, im Hintergrund waren Soldaten zu sehen. In den vergangenen Jahren hatte Putin seine Neujahrsansprache stets vor dem Hintergrund des verschneiten Kremls aufgezeichnet.

„Es war ein Jahr schwieriger, notwendiger Entscheidungen, der wichtigsten Schritte zur Erlangung der vollen Souveränität Russlands und einer starken Konsolidierung unserer Gesellschaft“, sagte Putin. Er bekräftigte seine Behauptung, Moskau habe keine andere Wahl gehabt, als Truppen in die Ukraine zu schicken, weil das Land die Sicherheit Russlands bedroht habe. Der Westen habe gelogen und sich auf eine Aggression vorbereitet. „Und sie benutzen die Ukraine und ihr Volk zynisch, um Russland zu schwächen und zu spalten“, sagte Putin. „Das haben wir nie zugelassen und werden es auch nie zulassen.“

Der Kreml lässt Kritik in Russland am militärischen Einsatz in der Ukraine nicht zu. Unabhängige Medien wurden geschlossen und die Verbreitung von Informationen, die von der offiziellen Sichtweise abweichen, kriminalisiert. Die Regierung sieht sich jedoch zunehmend lautstarker Kritik von russischen Hardlinern ausgesetzt, die den Präsidenten als schwach und unentschlossen bezeichnen und eine Ausweitung der Angriffe auf die Ukraine fordern.

Russland rechtfertigt den Konflikt unter anderem mit der Behauptung, die Ukraine verfolge russischsprachige Menschen in der Donbass-Region im Osten, die seit 2014 teilweise unter der Kontrolle der von Russland unterstützten Separatisten steht. Die Ukraine und der Westen bezeichnen diese Anschuldigungen als falsch.

„Jahrelang haben die westlichen Eliten uns allen scheinheilig versichert, dass sie friedliche Absichten haben, einschließlich der Lösung des schwierigsten Konflikts im Donbass“, sagte Putin. Er ging auch auf die Sanktionen ein, die westliche Länder gegen Russland verhängten. „Dieses Jahr wurde uns ein echter Sanktionskrieg erklärt“, sagte er. Die vom Westen erwartete vollständige Zerstörung der russischen Industrie, des Finanzsektors und Verkehrs sei jedoch nicht eingetreten. (ap)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!