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+++ Nachrichten im Nahost-Konflikt +++Verteilungssystem für Hilfslieferungen in Gaza hat begonnen

Eine private US-Stiftung verteilt Nahrungsmittel in Gaza – aber zu wenige, kritisiert die UN. Israels Botschafter hat auf Merz’ Kritik geantwortet.

Nach Gaza gelieferte Hilfsgüter: Das von der islamistischen Hamas kontrollierte Innenministerium rief zum Boykott auf Foto: Gaza Humanitarian Foundation/Handout via REUTERS

170 Lkw mit Hilfslieferungen in Gaza

Eine von Israel und den USA unterstützte Stiftung hat eigenen Angaben zufolge erste Hilfsgüter an Palästinenser im Gazastreifen verteilt. Das berichteten mehrere israelische und internationale Medien unter Berufung auf eine Mitteilung der vor wenigen Monaten neu gegründeten Gaza Humanitarian Foundation (GHF) Stiftung. Die Hilfe soll demnach täglich gesteigert werden. Das von der islamistischen Hamas kontrollierte Innenministerium rief die Einwohner des Gazastreifens dazu auf, den neuen Verteilmechanismus zu boykottieren.

Mit der von den USA unterstützten Verteilstrategie will die israelische Regierung nach eigenen Angaben verhindern, dass die Hamas Lieferungen stiehlt und Geld damit macht. UN-Vertreter sagen, Israel habe keine Beweise dafür vorgelegt. Die vier GHF-Verteilungszentren im Süden und im Zentrum des Gazastreifens sollen von US-Sicherheitsfirmen betrieben werden. Israel will so Hilfsorganisationen der UN und anderer internationaler Helfer umgehen. Aus der Mitteilung der GHF ging nicht hervor, wie viele der vier vorgesehenen Zentren nun ihren Betrieb aufnahmen.

Ein Vertreter jeder palästinensischen Familie solle alle fünf Tage zu einem der Zentren gehen, um ein Hilfspaket abzuholen, hieß es. Die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen, die eine Beteiligung an dem Plan ablehnten, halten dies für zu gefährlich und wenig effektiv. Denn der Plan verlange von den Palästinensern, dass sie auf dem weiten Weg zu den Verteilungszentren durch gefährliche Kampfgebiete müssen. Für Alte und Kranke könnte der Weg unmöglich sein. Israels Armee hatte zudem am Montag eine beispiellose Offensive angekündigt und die Bewohner der meisten Orte im südlichen Gazastreifens dazu aufgerufen, diese zu verlassen.

Die Hamas hatte behauptet, der neue Mechanismus sei eine nachrichtendienstliche Operation, die darauf abziele, Informationen zu sammeln und eine interne Spaltung herbeizuführen. Israel setze Lebensmittel als Kriegswaffe ein.

An Israels Vorgehen in dem Küstengebiet, wo rund zwei Millionen Palästinenser leben und täglich Dutzende Tote gemeldet werden, gibt es international massive Kritik. Seit einigen Tagen lässt Israel zwar wieder einige Hilfsgüter in das Kriegsgebiet, die jedoch nach UN-Angaben längst nicht ausreichen.

Nach Angaben der israelischen Armee fuhren am Montag 170 weitere Lastwagen mit internationalen Hilfsgütern nach strenger Kontrolle über den Übergang Kerem Schalom in das abgeriegelte Küstengebiet. Nötig wären jedoch nach UN-Angaben täglich mindestens 500 bis 600 Lastwagenladungen. (dpa)

Israels Botschafter: Hören Merz zu, weil er ein Freund ist

Israels Botschafter in Deutschland betont, seine Regierung nehme Kritik aus Deutschland am Vorgehen seines Landes im Gazastreifen ernst. „Wenn Friedrich Merz diese Kritik gegenüber Israel erhebt, dann hören wir sehr gut zu, weil er ein Freund ist“, sagte Ron Prosor im ZDF-„Morgenmagazin“. Die Bereitschaft anderer europäischer Staaten wie Frankreich oder Spanien, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, sieht Prosor kritisch: Das hieße, Hamas nach dem Massaker zu belohnen. „Dann haben wir große Fragen.“

Merz hatte am Montag beim WDR-Europaforum in Berlin gesagt: „Das, was die israelische Armee jetzt im Gazastreifen macht, ich verstehe – offen gestanden – nicht mehr, mit welchem Ziel. Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen.“ (dpa)

Israelische Bodentruppen rücken im Libanon vor

Derweil drangen israelische Bodentruppen nach einem Medienbericht mehrere Hundert Meter tief auf libanesisches Gebiet vor. Der israelische Armeesender berichtete unter Berufung auf libanesische Angaben, die Truppen seien im Bereich der Ortschaft Mais al-Dschabal vorgerückt. Die israelische Armee äußerte sich zunächst nicht zu dem Bericht.

Die Hisbollah sollte sich laut der Vereinbarung hinter den etwa 30 Kilometer nördlich der Landesgrenze gelegenen Litani-Fluss zurückziehen. Israel wirft der Miliz vor, immer wieder gegen diese Vorgabe zu verstoßen. (dpa)

Zweifel an Hamas-Zustimmung zu Waffenruhe-Plan

Es gab unterdessen Anzeichen für mögliche Bewegung bei den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas über eine neue Waffenruhe. Aus Hamas-Kreisen verlautete, die Organisation habe einem Waffenruhe-Vorschlag des US-Sondergesandten Steve Witkoff zugestimmt. Dieser wies dies jedoch umgehend zurück. Was er von der Hamas gesehen habe, sei „enttäuschend und völlig inakzeptabel“, zitierte Barak Ravid, ein gut vernetzter Korrespondent der US-Nachrichtenseite Axios, aus einem Gespräch mit Witkoff.

Den Hamas-Angaben zufolge geht es unter anderem um eine Waffenruhe von 60 Tagen, die Freilassung von zehn Geiseln und die Einfahrt von 1.000 Lastwagen während der Waffenruhe. (dpa)

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2 Kommentare

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  • "Verteilungssystem für Hilfslieferungen in Gaza hat begonnen"



    Und was ist passiert? Genau das was mit so einer dilletantischen Aktion zu erwarten war und einer Organisation die diesen Job gerade mal zwei Monate macht und noch nie in diesem enormen Ausmaß in einer Konfliktzone Hilfslieferungen verteilt hat. Und man hat auch gesehen was passiert wenn man Hunderttausende für Monate hungern lässt. Die Bilder zeigen wie tausende Menschen zu einer Verteilungsstelle bei Rafah gestürmt sind und in ihrer Verzweiflung die Zäune eingerissen hat, die man vermutlich aufgestellt hat um die ganze Vergabe zu "kontrollieren". Vier Verteilungspunkte für 2 Millionen ausgehungerte und verzweifelte Menschen was hat man hier erwartet? Wie sollen Kinder so an Hilfslieferungen kommen ohne verletzt oder tot getrampelt zu werden, wie Senioren oder Menschen mit Behinderungen?



    Und das ist auch darauf zurück zuführen, das wiederholt Anschuldigungen gemacht werden, auch immer gern von westl. Politikern wiederholt werden, ohne das Beweise dafür vorgelegt werden. Und das geht mal wieder auf Kosten der Menschen.