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Kolumne MithulogieFalsche Fakten über Prostitution

Mithu Sanyal
Kolumne
von Mithu Sanyal

Therapeutin Ingeborg Kraus sagt, Sexarbeit sei genauso traumatisch wie in den Krieg zu ziehen. Das ist doch Quatsch!

Nicht nur Soldaten, auch Polizisten oder Feuerwehrleute können Traumatisches bei der Arbeit erleben Foto: dpa

S ynchronizität ist, wenn man plötzlich immer dasselbe hört. Die Aussage der Therapeutin Ingeborg Kraus, dass „die körperlichen und seelischen Verheerungen“ von Sexarbeit „vergleichbar“ mit denen von „traumatisierten Soldaten“ und „Folteropfern“ sind, waren in den letzten Monaten überall präsent. Von der ZDF-Doku „Bordell Deutschland“ bis hin zu einer Veranstaltung in der Urania in Berlin. Wozu also noch foltern und Krieg führen, wenn es reicht, in ein fremdes Land zu reisen und möglichst viele Sexarbeiter*innen zu besuchen?

Die Antwort kann nur die Bundeswehr wissen. So schrieb eine Kollegin von mir an das Psychotraumazentrum der BW und fragte an, ob sie Frau Kraus beraten hätten. Oberstarzt Dr. Peter Zimmermann, stellvertretender Leiter des Arbeitskreises Einsatztraumatologie der deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie, war zwar schon in den Medien über den Namen Ingeborg Kraus gestolpert, aber noch nie in einer Fachpublikation und entsprechend empört, dass sich das ZDF nicht zur Verifizierung an ihn gewendet hatte. Schließlich ist das ein sensibles Thema, bei dem es wichtig ist, lieber doppelt zu recherchieren als … gar nicht.

Sobald man anfängt, zu der unauflöslichen Verbindung von Sexarbeit und Trauma zu forschen, führen alle Publikationen zu einer einzigen Quelle, nämlich Melissa Farleys Buch „Prostitution, Trafficking and Traumatic Stress“ von 2003, das in Fachkreisen inzwischen nicht nur umstritten, sondern schlicht widerlegt ist.

Sexarbeit kann traumatisch sein, Polizeiarbeit auch

Das soll nicht heißen, dass Sexarbeit nicht traumatisch sein kann. Oder dass man Trauma auf die leichte Schulter nehmen sollte. Genau so empfand „Angriff-auf-die-Seele e. V. – Psychosoziale Hilfe für Angehörige der Bundeswehr“ jedoch Kraus’ Ausführungen und verwehrte sich dagegen, dass ihre Probleme mit Prostitution verglichen wurden. Sie erklärten, dass natürlich nicht nur Soldaten in Kriegseinsätzen gefährdet sind: „Es gibt einige Berufsgruppen, die eine erhöhte Gefahr mit sich bringen (z. B. Polizei, Feuerwehr, THW, Zugführer …).“

Trotzdem gibt es keine Petition: Polizei, Feuerwehr, das Technische Hilfswerk oder Zugführer zu verbieten. Doch fordert Ingeborg Kraus eben das für Sexarbeit und mit ihr „Terre des Femmes“ und zahlreiche weitere NGOs, die sich für den Schutz von Frauen einsetzen (und wenn es um Sexarbeit geht, geht es in der Regel nur um Frauen als Anbieterinnen und Männer als Käufer, und andere Geschlechter gibt es nicht).

Nun glaube ich fest daran, dass das fälschlicherweise Voltaire zugeschriebene Zitat „Madame, ich missbillige, was Sie sagen, aber ich werde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es sagen zu dürfen“ die Grundlage von Demokratie ist. Gleichzeitig ist aber auch saubere Recherche die Grundlage von Presse und das Überprüfen von Zitaten die Grundlage von Wissenschaft.

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Mithu Sanyal
Autorin
Dr. Mithu M. Sanyal, Kulturwissenschaftlerin und Autorin Themen: Sex, Gender, Macht, (Post)Kolonialismus, Rassismus, Wissen schreibt eine regelmäßige Kolumne für die taz "Mithulogie" Bücher u.a. "Vulva" (Wagenbach), "Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens" (Nautilus.)

22 Kommentare

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  • Der Text widerspricht sich selbst.

     

    Korrekt wird gesagt:

    "Sexarbeit kann traumatisch sein, Polizeiarbeit auch"

     

    Aber den Vergleich mit Soldaten als besonders gefährdeten Gruppe als Quatsch bezeichnen? Geht's noch?

     

    Wer nimmt hier welches Traumarisiko auf die leichte Schulter?

     

    Und was unterscheidet Polizisten und Prostituierte?

     

    Polizisten werden von der Gesellschaft benötigt um Gewalt auszuüben und die Gesellschaft vor Gewalt zu schützen.

     

    Prostituierte werden "benötigt" um Gewalt auszuhalten.

     

    Auch wer sich dies freiwillig zutraut fremdbestimmte (weil geldbestimmte) Sexualität auszuhalten, bringt sich in Gefahr Posttraumatische Symptomen auszubilden.

     

    Warum dies nicht vergleichen, mit den jungen Männern, die im 1. Weltkrieg freiwillig in den Krieg zogen und traumatisiert zurück kamen?

    • @andy4sisters:

      Gut zusammengefasst und auf den Punkt gebracht!

      • @Sherlock:

        Der Text widerspricht sich nicht. Kraus behautet "dass „die körperlichen und seelischen Verheerungen“ von Sexarbeit „vergleichbar“ mit denen von „traumatisierten Soldaten“ und „Folteropfern“ sind", aber Sanyal schrieb "Sexarbeit KANN traumatisch sein, Polizeiarbeit auch" (Hervorherbung von mir).



        Die Betonung liegt auf KANN. Kraus sieht darin ein MUSS.

        "Prostituierte werden "benötigt" um Gewalt auszuhalten."

        Dieser Satz von Ihnen nur eine Unterstellung. Gewalt ist nicht der normale Alltag von Prostituierten.

        "Auch wer sich dies freiwillig zutraut fremdbestimmte (weil geldbestimmte) Sexualität auszuhalten, bringt sich in Gefahr Posttraumatische Symptomen auszubilden."

        Das ist nur eine unbewiesene Behauptung.

        "Warum dies nicht vergleichen, mit den jungen Männern, die im 1. Weltkrieg freiwillig in den Krieg zogen und traumatisiert zurück kamen?"

        Weil das Blödsinn ist. Sex mit fremden Menschen zu haben ist etwas ganz anderes als Trommelfeuer im Schützengraben zu erleben. Mit solchen Vergleichen verharmlost man den Krieg und tritt die Kriegsopfer, die damals als Kanonenfutter verheizt wurden, mit Füßen.

  • "...führen alle Publikationen zu einer einzigen Quelle, nämlich Melissa Farleys Buch „Prostitution, Trafficking and Traumatic Stress“ von 2003, das in Fachkreisen inzwischen nicht nur umstritten, sondern schlicht widerlegt ist."

     

    Aus wem bestehen die Fachkreise? Wer hat das Buch widerlegt? Das ganze? Nur einzelne Thesen?

  • Was haben Glyphosat und Prostitution gemeinsam?

    Eine finanzstarke Lobby, die in der Lage ist, kritische Studien abzuwerten oder eigene ihr genehme Studien zu erstellen.

    Weshalb findet „Angriff-auf-die-Seele e. V. – Psychosoziale Hilfe für Angehörige der Bundeswehr“ es anrührig, wenn Prostituierte ähnliche Traumata erleiden wie Soldaten?

    Die Traumata der Soldaten, die auf jemanden schießen, sind ehrenvoller als die entwürdigter Prostituierter.

    Kurz – Mithu Sanyals Kommentar ist „Quatsch“.

  • Ich finde diesen Vergleich faschstoid...Eigentlich wäre hier eine Anzeige wegen Volksverhetzung fällig wegen der skrupellosen und verantwortungslosen Bagatellisierung der Leiden von Menschen die durch Kriegshandlungen traumatisiert wurden.

  • Ich finde diesen Vergleich faschstoid...Eigentlich wäre hier eine Anzeige wegen Volksverhetzung fällig wegen der skrupellosen und verantwortungslosen Bagatellisierung der Leiden von Menschen die durch Kriegshandlungen traumatisiert wurden.

  • Der Text entbehrt jeder Grundlage. Wer sich auch nur annähernd profund mit dem Thema Prostitution und damit mit Frauen - oder auch Männern - die es geschafft haben, aus diesem Sumpf herauszukommen, beschäftigt, kommt zwangsläufig zum Schluss, dass Missbrauch und Traumata eng damit verbunden sind. Wer jedoch mit der Freiheit auszubeuten, Menschen für eigene Zwecke zu kaufen, zu benutzen, Menschen zur Ware zu degradieren liebäugelt und dies über die Unversehrtheit des Menschen per se stellt, wird hier im Text fündig und fühlt sich bestätigt. Daher ist dem/der AutorIn Beifall sicher. Empfehlenswert und äußerst aussagekräftig ist auch folgende Literatur, die keine Zweifel offenlässt: Rachel Moran: Was vom Menschen übrig bleibt. Und: https://www.welt.de/vermischtes/article123793374/Ich-ekelte-mich-vor-Euch-und-Euren-Fantasien.html Weiterführende Literaturangaben gerne auf Nachfrage. Filmtipp: Lilja 4-ever. Es gibt eine Menge an guten Filmen, die die Realität zeigen und nicht beschönigen. Da kommt es jedoch auf die Bereitschaft an, sich uneigennützig mit der Sachlage auseinanderzusetzen.

    • @Sherlock:

      Der Film Lilja 4-ever ist weitgehend fiktiv. Das Relevante an der zugrundeliegenden Geschichte: Nach Einführung des "Schwedischen Modells" kam es in Schweden zu einem extremen Fall von Menschenhandel mit Todesfolge durch Suizid. Die Freierbestrafung hat dem Opfer irgendwie nicht geholfen...

      Und zu Rachel Moran: Die Dame ist (wie viele weitere von den "Abolotionisten" vorgezeigte Ex-Prostituierte) ein Fake. Sie war offensichtlich niemals Prostituierte. Guckst Du hier:

      www.voice4sexworke...rettungsindustrie/

      maggiemcneill.word.../03/11/played-out/

      Und bei der von Ihnen verlinkten Tanja Rahm melde ich auch mal Zweifel an - bis zum Beweis des Gegenteils.

  • Habe erst bei den Leserbriefen gemerkt,dass das wohl keine Glosse ist.

    • @andi brandi:

      Naja, es ist nicht immer drin was drauf steht.

  • Ist es gut, dass Sexarbeit existiert? Nein.

    Verschwindet Prostitution, wenn sie verboten ist? Nein.

    Geht es Sexarbeitern besser, wenn sie in die Illegalität gezwungen werden? Nein.

    • @Nase Weis:

      Werden weniger Männer/Frauen in die Prostitution gezwungen, wenn die Nachfrage als Gewalt verstanden und unter Strafe gestellt wird? Ja

      • @andy4sisters:

        SISTERS.EV ist ein kleiner Verein selbsternannter "Abolotionisten". Aus der Ecke kommen Sie offenbar.

        "Werden weniger Männer/Frauen in die Prostitution gezwungen, wenn die Nachfrage als Gewalt verstanden und unter Strafe gestellt wird? Ja"

        Nein. Siehe Schweden: Die Prostitution dort hat sich angepasst. Nur wird sie nicht mehr offen und legal betrieben, sondern im Verborgenen und illegal. Der Straßenstrich ging zurück, stattdessen überschwemmen Prostitutionsanzeigen die schwedischen Städte und Männer werden in Kneipen angesprochen.



        Die Nachfrage pauschal als "Gewalt" zu brandmarken ist zwecklos, weil nicht nur die Prostituierten und Freier sondern auch weite Kreise darüber hinaus wissen, das dem nicht so ist. Mit kontrafaktischen Behauptungen kann man niemanden zur Einsicht bewegen.



        Wenn Sie übrigens gegen Prostitution sind, dann würden Sie sich auf die Seite der Armutsprostituierten stellen (die machen die breite Masse der Prostituierten aus) und für eine konsequente Bekämpfung der Armut eintreten, anstatt es diesen Menschen auch noch schwer zu machen.

  • Vielleicht sollte man einfach mal aufhören alle sogenannten "Sexarbeiterinnen" in einen Topf zu werfen.

    Eine Prosdtituierte auf dem Straßenstrich macht ganz andere Erfahrungen als eine die im Bordell arbeitet, dasselbe gilt für Frauen die als Escort-Damen arbeiten. Ebenso muss man bedenken das die Frauen auf völlig unterschiedlichen Wegen in dieser Branche gelandet sind, manche werden von ihren Freiern gezwungen als Prostituierte zu arbeiten, andere tun das völlig freiwillig (ja, so etwas gibt es tatsächlich) und bewerten ihre negativen und auch positiven Erlebnisse dadurch völlig unterschiedlich. Es gibt ja auch Frauen die tatsächlich Spaß an der Arbeit haben, andere tun das nur des Geldes wegen, ich kenne keine einzige Studie zu diesem Thema in der das berücksichtigt wird.

    Warum werden die Prostituierten nicht selbst mit in die Entscheidungsfindung einer vernünftigen und praktikablen Regelung einbezogen?

    Die müssten ihren eigenen Beruf doch am besten beurteilen können!

    • @Corinna Hartmann:

      Arme Opfer darf man doch nicht fragen. Für die muss man paternalistisch / maternalistisch entscheiden. Ist doch nur zu ihrem Guten ...

  • Ich bewundere Prostituierte, die einen Job machen, der im intimsten Bereich stattfindet und somit natürlich auch eine enorme psychische Stärke erfordert, um ihn durchzustehen und gern zu machen. "Leicht verdientes Geld" ist es sicher nur für solche psychisch und emotional starke Menschen, für psychisch Labile hingegen kann es sicher traumatisierend sein. Nun werden aber leider oft gerade psychisch Labile (also mit psychischen Erkrankungen, Persönlichkeitsstörungen und vorherigen Traumaerfahrungen) von diesem Job angezogen, weil sie dort zumindest strukturell besser klarkommen als in "normalen" Jobs. Dann kommen noch jene hinzu, die der Prostitution unter direktem psych./phys. Zwang nachgehen müssen. Auch für diese kann es traumatisch sein, über das Trauma des Zwangs hinaus. Das muss man differenzieren. Ein Pauschalverdikt "Sexarbeit = Trauma" ist nichts anderes als eine generelle Viktimisierung von Frauen (wie im Artikel erwähnt, geht es den VerfechterInnen nur um Frauen).

  • Dann waren nach dieser Logik also auch die "Sexarbeiterinnen" in Wehrmachtsbordellen weniger traumatisiert als ihre Freier?

    • @BUBU:

      Nein.

    • @BUBU:

      Nach welcher Logik?

    • @BUBU:

      Durch absurde Vergleiche lässt jede Diskussion verunmöglichen.

      Im Artikel ging es nach meiner Wahrnehmung um freiwillige Prostitution, nicht um Kriegsverbrechen...

  • Na Mahlzeit!

     

    "Kolumne Mithulogie

    Falsche Fakten über Prostitution

    Therapeutin Ingeborg Kraus sagt, Sexarbeit sei genauso traumatisch wie in den Krieg zu ziehen. Das ist doch Quatsch!…"

     

    Gemach. Gemach.

    Sie meint sicherlich die Etappe & ihre Hengste!;(